Baustein im Gesamtsystem

Noch vor wenigen Jahren haben viele Einzelhändler Photovoltaik-Anlagen wie gut laufende kleine Tochterfirmen betrachtet, die Strom produzieren und dafür Geld erlösen. Inzwischen werden sie mehr und mehr als wichtige Bausteine gesehen – für die Deckung des eigenen Energiebedarfs und die Stabilisierung der Stromversorgung insgesamt…

Im Mai 2017 erreichte die Photovoltaik in Deutschland einen vorläufigen neuen Spitzenwert. Nach Zahlen des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) produzierten Solaranlagen in diesem Monat 5,57 Terawattstunden Strom – mehr als die deutschen Kernkraftwerke. Für die Stromnetze ist die schwankende Einspeiseleistung der erneuerbaren Energien jedoch eine Belastung. Experten empfehlen daher, den Ausbau der Erneuerbaren und der Netze deutlich stärker zu verzahnen. Gleichzeitig rücken Modelle stärker in den Blick, bei denen Produktion und Verbrauch von Strom ein Gesamtkonzept bilden, was ebenfalls die Netze entlastet. Handelsimmobilien beispielsweise werden wegen ihrer großen Dachflächen schon seit Jahren mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet. Anfangs war es Standard, dass diese Anlagen ihren Strom vollständig ins Netz einspeisten und der Händler seinen Strombedarf weiter aus dem Netz gedeckt hat. Inzwischen ist es die Regel, dass möglichst viel Strom vom Dach ohne Belastung des Stromnetzes im Laden verwendet wird.

Wie selbstverständlich der Eigenverbrauch ist, zeigen aktuelle Projekte. Auf dem Dach des Einrichtungshauses Gassner in Kelheim bei Regensburg ist seit diesem Jahr eine Photovoltaik-Anlage mit 99 Kilowatt Leistung installiert, die monatlich bis zu 13.600 Kilowattstunden Solarstrom produzieren soll. An Werktagen nutzt das Einrichtungshaus den Strom zum größtmöglichen Anteil selbst – in Monaten mit hoher Sonneneinstrahlung konnte das Möbelhaus eigenen Angaben zufolge bislang eine Unabhängigkeitsquote von bis zu 53 Prozent erreichen. Außerhalb der Betriebszeiten wird der produzierte Strom in das öffentliche Netz eingespeist und nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet. Laut Projektpartner IBC Solar war für Möbel Gassner neben der Senkung der eigenen Strombezugskosten auch die EEG-Vergütung des nicht selbst verbrauchten Stroms ausschlaggebend für die Investition.

Auch das Donau-Einkaufszentrum Regensburg, das eine Photovoltaik-Anlage mit 557 Kilowatt auf der Parkspindel installiert hat, will nur überschüssigen Strom gegen Vergütung in die Leitungen des regionalen Versorgers REWAG einspeisen – vor allem an betriebsfreien Sonn- und Feiertagen. Willi Blößl, Leiter der Haustechnik in dem rund 80.000 Quadratmeter großen Center, rechnet jedoch bei durchschnittlich 1030 Sonnenstunden pro Jahr im Regensburger Raum mit insgesamt 550 Megawattstunden für den Eigenverbrauch. Denn während der Öffnungszeiten dürfte der aus der Photovoltaik-Anlage in das interne Netz fließende Strom praktisch vollständig für Licht, Wärme oder Kühlung verbraucht werden.

Ohne Investition in eine eigene Anlage bezieht der Media Markt in Memmingen Solarstrom direkt vom eigenen Dach. Das Ingolstädter Solarunternehmen Anumar betreibt dort seit 2016 eine Photovoltaik-Anlage mit über 100 Kilowatt Leistung. „Wir wollen Kraftwerke auf oder in der Nähe von Industrie- und Gewerbeanlagen errichten und den erzeugten Strom Unternehmen für den Eigenverbrauch zur Verfügung stellen“, erläutert Anumar-Geschäftsführer Andreas Klier das Konzept. Kern ist ein Stromliefervertrag zwischen Anumar und Media Markt. Ulrich Kleine, Geschäftsführer des Media Marktes Memmingen, kann so im Jahr bis zu 100 Megawattstunden Strom vom Filialdach beziehen – neben einer Einsparung von 66 Tonnen CO2 pro Jahr erwartet er vor allem niedrigere Energiekosten.

Aldi Süd geht derweil noch einen Schritt weiter. Auf seinen Dächern betreibt das Unternehmen inzwischen mehr als 1.200 Photovoltaik-Anlagen und gewinnt damit jährlich rund 112 Gigawattstunden Strom. „Bereits heute verbrauchen wir rund 80 Prozent unseres Photovoltaik-Stroms selbst“, sagt Florian Kempf, Leiter Energiemanagement bei Aldi Süd. Der Stromüberschuss falle überwiegend an den Sonntagen an, an den anderen Tagen harmoniere die Solarstromproduktion mit dem Geschäftsbetrieb. In einem Pilotprojekt erproben jetzt Aldi Süd und der Energieversorger EnBW gemeinsam mit den Firmen ADS-TEC und Pohlen Solar, wie der Eigenverbrauch noch effektiver gestaltet werden kann. „Unser Ziel ist es, einen möglichst hohen Eigenverbrauch zu generieren und dadurch den Autarkiegrad der Filiale weiter zu erhöhen“, so Kempf.

In der ersten Testphase sollen demnach die Solaranlagen von drei Filialen im Großraum Frankfurt/Main mit einem Batteriespeicher gekoppelt werden und ein kleines virtuelles Kraftwerk bilden. EnBW übernimmt das Energiemanagement dieses virtuellen Kraftwerks und bewertet über einen selbst entwickelten Algorithmus permanent, ob der direkte Eigenverbrauch, die Speicherung oder die Einspeisung für Aldi Süd die günstigste Option ist. Teil dieses Prozesses ist eine gesamtheitliche Visualisierung der Lastgänge der drei Erzeugungsanlagen und Speicher sowie parallel dazu eine Auswertung der Energieflüsse von sieben weiteren Aldi-Süd-Filialen und einem Logistikzentrum mit Solaranlagen. Das Pilotprojekt läuft bis Anfang 2018. Nach Auswertung der Ergebnisse will EnBW später entschieden, ob daraus ein kommerzielles Produkt auch für andere Kunden entstehen kann.