Energie effizient managen

Kühlung, Heizung, Lüftung, Licht – ohne Energie ist Handel nicht denkbar. Aber die steigenden Preise für Strom und Brennstoffe machen den Unternehmern immer mehr zu schaffen…

Etwas Gutes bringt selbst die aktuelle Finanzkrise: Die Preise für Öl und Benzin sinken derzeit deutlich. Die Konsumenten atmen auf, immerhin mussten sie nach Zahlen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) im Jahr 2008 rund 24,8 Mrd. Euro mehr für Energie ausgeben als im Jahr zuvor – eine Summe, welche die Haushalte stärker belastete als die heftig diskutierte Erhöhung der Mehrwertsteuer Anfang 2007. Im Gegensatz zu Öl und Benzin zeichnet sich bei Gas, Strom und Fernwärme allerdings bisher keine Entspannung ab. Und den Handel treffen die hohen Energiepreise gleich doppelt: Zum einen schmälern sie die Geldbörsen der Kunden und damit Umsatz und Gewinn, zum anderen treiben sie die Kosten drastisch in die Höhe. Denn Handelsunternehmen sind Energie-Großverbraucher – für Beleuchtung und Klimatisierung, Plus- und Minuskühlung, Informationstechnik, automatische Türen, Rolltreppen.

Eine aktuelle Studie des EHI Retail Institute Köln zeigt, warum Energie für die Branche inzwischen ein zentrales Managementthema ist: Etwa 40 Euro pro qm Verkaufsfläche muss ein Händler in diesem Jahr für Energie aufbringen. Bei 80 Prozent der befragten Händler sind die Energiekosten im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – zwei Drittel melden einen Anstieg um bis zu 10 Prozent, ein Viertel eine Zunahme um 10 bis 25 Prozent, und acht Prozent der Befragten müssen sogar 25 bis 50 Prozent höhere Energiekosten stemmen. Im Lebensmittelhandel stiegen die Kosten laut EHI-Studie vor allem bei Minus- und Plus-Kühlung, Klimatisierung, Heizung, In-Store-Bäckereien und Beleuchtung, der Nonfood-Handel beobachtete steigende Kosten in erster Linie bei Beleuchtung, Klimatisierung und Heizung.

„Die allgemeinen Preiserhöhungen für Energie sind allerdings nur ein Grund für die Mehrbelastung“, erläutert Claudia Horbert, Leiterin des EHI-Forschungsbereichs Ladenplanung und Einrichtung. „Neue Beleuchtungskonzepte, längere Öffnungszeiten oder die Ausweitung gekühlter und tiefgekühlter Sortimente im LEH lassen die Energiekosten ebenfalls steigen.“ Die EHI-Studie hat ergeben, dass der Handel bereits mit einem Bündel verschiedener Maßnahmen reagiert: Effizientere Leuchtmittel gehören ebenso dazu wie bessere Technik bei Kühlmöbeln und Kälteanlagen, eine durchdachte Gebäudeleittechnik, das Poolen von Lieferantenverträgen und die Schulung der Beschäftigten.

Viele Handelsunternehmen haben die entsprechende Fachkompetenz inzwischen in eigenen Energiemanagement-Abteilungen gebündelt – Tendenz steigend. Eine logische Entwicklung angesichts der geplanten Investitionen: 80 Prozent der befragten Händler wollen in Energie sparende Kühlsysteme investieren, bei Beleuchtung, Heizung und Klimatisierung ist die Investitionsbereitschaft ebenfalls hoch. Das gilt auch für die Bereiche Gebäudetechnik und Bau: „Die Explosion der Energiepreise befördert die regenerativen Energien“, meint Claudia Horbert – moderne Technik, deren Nutzung allerdings mit einem gewissen Aufwand einhergeht.
Aufwand, den beispielsweise die Metro Group nicht scheut. „Am billigsten sind die Kilowattstunden, die man gar nicht erst benötigt“, sagt zwar Olaf Schulze, Geschäftsführer der Metro Group Energy Production & Management GmbH (MEM) – aber mit Sparen allein lasse sich die Situation nicht entspannen. Die Metro-Tochter ist für Einkauf und Verteilung der gesamten von der Gruppe benötigten Energie zuständig, also je nach Bedarf für die Lieferung von beleuchteter, belüfteter, gekühlter und beheizter Fläche. Dazu gehört ein ausgefeiltes Controlling ebenso wie die Bündelung des Energieeinkaufs – und der Einsatz moderner, umweltverträglicher und effizienter Energieanlagen. Denn die Metro Group verbraucht nicht nur 4,1 Terawattstunden Strom und 1,5 Terawattstunden andere Energieträger wie Heizöl, Gas und Fernwärme, sondern verursacht auch einen jährlichen CO2-Ausstoß von etwa 2,8 Mio. Tonnen. Schulze: „Wir wollen den CO2-Ausstoß in der Beschaffung reduzieren, können aber bisher nur einen Bruchteil unseres Bedarfs in Form von Öko-Strom kaufen. Daher setzen wir auf Energiesparmaßnahmen und da, wo es sich lohnt, auch im großen Stil auf erneuerbare Energien – bei Neubauten, aber auch bei bestehenden Immobilien.“

Jüngstes Beispiel einer energetischen Sanierung, die sich über die eingesparten Energiekosten refinanziert: der Umbau des Ludwigshafener Einkaufszentrums Walzmühle zu einem Niedrigenergiehaus. Schon im ersten Betriebsjahr nach der energieeffizienten Umrüstung von Gebäudeleittechnik, Belüftungs- und Fernwärmeanlage sanken die Energiekosten des Einkaufszentrums um rund 200.000 Euro. Die jährlichen Energieeinsparungen belaufen sich auf 798.000 Kilowattstunden Strom und 1,77 Mio. Kilowattstunden Gas; damit reduziert sich der CO2-Ausstoß um 800 Tonnen. Dabei war Walzmühle beileibe kein Altbau. Schulze: „Das Center wurde erst Ende der 90er-Jahre gebaut. Aber Energieverbräuche lassen sich in immer kürzeren Intervallen optimieren.“

Neubauten ermöglichen dagegen neue Wege. 2007 eröffnete die Metro Group den Gebäudekomplex Meydan in Istanbul. Auf 70.000 qm Fläche finden sich hier rund 50 Shops, ein Food Court mit Restaurants und Cafés sowie ein Kinocenter. Der von Foreign Office Architects London geschaffene moderne Marktplatz verfügt über naturbelassene Dachwiesen, fließende Übergänge der Baukörper, eine weitläufige Plaza – und eine der größten Geothermie-Anlagen Europas für Heizung und Kühlung. Über mehr als 200 Sonden gelangt Erdwärme zu kombinierten Wärmepumpen und Kälteerzeugern. Die insgesamt 30.000 qm bedeckenden Dachwiesen bilden eines der größten Gründächer der Welt, wodurch die Klimatisierung des Gebäudes zusätzlich optimiert wird. Die Geothermie-Anlage spart jährlich 1,3 Mio. Kilowattstunden Primärenergie und etwa 350 Tonnen CO2; die Kosten für Kühlung sind damit um rund 25 Prozent, die Heizkosten um rund 30 Prozent niedriger als bei herkömmlichen Systemen. Ein weiteres Türkei-Projekt: Im Istanbuler Stadtteil Merter baut die Metro Group gerade ein Shopping-Center, bei dem Solarenergie für Heizung und Klimatisierung eingeplant ist. Dank Solar Chilling sollen 110 Kollektoren auf 990 qm Fläche 560 Tonnen CO2 jährlich sparen.

Neue Wege geht MEM auch in Deutschland. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut hat die Metro Group das Dach des Düsseldorfer Cash&Carry-Marktes mit einer 9.200 qm großen Photovoltaik-Anlage ausgestattet. Eine Hälfte der Anlage besteht aus polykristallinen Modulen, die andere Hälfte aus Dünnschicht, was laut Schulze statische Probleme verhindert: „Diese Solarzellen werden als eine Art flexible Folie direkt auf das Dach aufgebracht. So lässt sich eine teure Trägerkonstruktion vermeiden – und viel Gewicht.“ Die Anlage erzeugt mit einer Optimalleistung von 230 Kilowatt gut 200.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr und spart 111 Tonnen CO2. Schulze: „Der Strom wird in das öffentliche Netz eingespeist. Aber wir haben die Anlage nicht gebaut, um damit Geld zu verdienen. Wir wollen verstehen, wie die verschiedenen Techniken funktionieren – und sie dann dort nutzen, wo wir die besten Wirkungsgrade haben.“

Beste Wirkungsgrade für Solarenergie gibt es in Schleswig-Holstein nicht, trotzdem fällt Thilo Wierzocks Fazit positiv aus: Der Architekt, bei Edeka Nord Projektleiter Hoch- und Tiefbau, realisierte 2005 eine Photovoltaik-Anlage mit 70 Kilowatt Optimalleistung auf dem Dach des E-Centers Frauen in Heide. Als das in den 70er-Jahren errichtete Gebäude revitalisiert werden sollte, suchte die Edeka nach einem Weg, dem Center ein freundliches und helles architektonisches Gesicht zu geben und gleichzeitig ein gut sichtbares, nachhaltiges Image-Signal auszusenden: Umweltbewusstsein und gesunde Lebensmittel. Da Teile der Vordachflächen und Schrägverglasungen absolut verschattungsfrei nach Süden ausgerichtet sind, war der Einbau von Solarmodulen laut Wierzock eine nahe liegende Lösung, „auch wenn wir uns angesichts erster Ertragsprognosen schnell von dem Gedanken verabschieden mussten, ein energieautarkes Gebäude errichten zu können – immerhin verbraucht das E-Center im Jahr 1,4 Mio. Kilowattstunden Strom. Aber dank Erneuerbare-Energien-Gesetz mit einem für 20 Jahre garantierten Vergütungssatz war der Einstiegszeitpunkt in die Photovoltaik trotzdem optimal.“

Denn bei aller Begeisterung für regenerative Energien: Edeka Nord hat das Photovoltaik-Projekt mit spitzem Bleistift durchgerechnet. Verschiedene Modulhersteller und -lieferanten erstellten marktgerechte Detail- und Wirtschaftlichkeitsplanungen, parallel liefen Verhandlungen mit dem zuständigen Netzbetreiber über den Anschluss der Anlage und den Einspeisevertrag. Ergebnis: 550 qm monokristalline Module, deren Jahresleistung Hersteller Solarworld mit 62.500 Kilowattstunden beziffert. Die tatsächliche Jahresleistung war für Bauherr Edeka dann eine Überraschung. Laut Wierzock wurden 2006 insgesamt 69.900 und 2007 sogar 73.100 Kilowattstunden erzielt – und damit in beiden Jahren zusammen dank Einspeisevergütung ein Nettoertrag von 64.500 Euro. „Angesichts der Baukosten von 375.000 Euro netto wird sich die Anlage nach elf, zwölf Jahren rechnen.“

Immer wieder auftretende Diskussionen über die Ökobilanz von Photovoltaikanlagen und den Sinn oder Unsinn von Subventionen fechten Thilo Wierzock nicht an. „Die Ökobilanz der Module wird immer besser: Monokristalline Zellen haben inzwischen bereits nach vier Jahren die Energie erzeugt, die für ihren Bau notwendig war. Und die Einspeisevergütung ist ein Anreiz, der Technik überhaupt eine Chance zu geben.“ Bei Edeka Nord ist bereits das nächste Projekt in der Planungsphase, diesmal eine Dünnschicht-Anlage. „Dünnschichtmodule haben eine bessere Ökobilanz, sind günstiger und außerdem bei bedecktem Himmel, den wir im Norden ja öfter haben, effizienter als kristalline Module.“ 2009 soll die Anlage in Betrieb gehen. Angesichts der jüngsten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die erstmals auch für selbst verbrauchten Solarstrom eine Förderung vorsieht, will Edeka den erzeugten Strom jedoch nicht in das öffentliche Netz einspeisen: Die auf dem Dach erzeugte Sonnenenergie soll direkt am Standort genutzt werden.