„… und alle sind glücklich“

Wer eine kleine Photovoltaikanlage mit einem Kredit finanzieren will, hat derzeit gute Karten. Die Zinsen sind niedrig. Und manche Banken stehen gerade PV-Projekten kompetent und aufgeschlossen gegenüber…

Zum aktuellen Zinsniveau fällt Alexander Jürgens nur ein Wort ein: „Sensationell.“ Sparer mag das irritieren. Aber da der Geschäftsführer des Finanzdienstleisters Hanseatic Capital Consulting Group von Krediten spricht, meint er sensationell günstig. Kein Wunder: Ein Baugeldinteressent beispielsweise musste in den letzten 20 Jahren durchschnittlich 6,6 Prozent Zinsen zahlen, aktuell liegen die Zinsen bei Krediten mit zehnjähriger Zinsbindung vielerorts um die vier Prozent. Und: Jürgens beobachtet, dass viele Banken die Endkunden neu entdecken. „Früher waren große Kredite oft leichter zu bekommen als kleine, weil die Margen besser waren. Aber zurzeit haben viele Banken Schwierigkeiten, hohe Summen zu refinanzieren. In dieser Klemme stecken kleine Kredite über 30.000 oder 50.000 Euro nicht.“

Die Photovoltaik als Profiteur der Finanzkrise? In der Tat, bestätigt Thiemo Graf aus Sicht der Nürnberger Umweltbank. „Die Finanzkrise hat die Leute verunsichert. Sie fühlen sich besser, wenn sie sehen können, was mit ihrem Geld passiert – und eine Solaranlage auf dem Dach kann man sehr gut sehen.“ 2008 finanzierte die Umweltbank 11.106 ökologische Projekte, die Solarkredite lagen mit 47 Prozent ganz klar vorn. 2009 setzt sich der Trend fort. „Die Mitarbeiter im Bereich Solarfinanzierung sind voll ausgelastet. Auch die seit Januar abgesenkte Einspeisevergütung hat das Interesse nicht verringert.“

Zurzeit finanziert die Umweltbank Photovoltaikanlagen mit drei Programmen, zwei für Kredite unter 50.000 Euro und eins für größere Finanzierungen. Nominal liegt der günstigste Zinssatz bei 3,95 Prozent, dieser dürfte jedoch – und das gilt letztlich für die Angebote aller Banken – für die meisten Investoren nicht erreichbar sein. Denn zum einen spielt die Kreditwürdigkeit des Einzelnen eine Rolle, zum anderen Details wie Laufzeit oder Auszahlungssumme, die den effektiven Zins in die Höhe treiben – im Fall der Umweltbank auf mindestens 4,44 Prozent. Immerhin verzichtet die Umweltbank auf die Grundschuld, die PV-Anlage reicht zur Besicherung: Bei Anlagen auf der eigenen Immobilie werden die Sicherungsübereignung der Anlage und die Abtretung der Einspeisevergütung im Kreditvertrag verlangt; bei größeren Projekten und bei Installation auf gepachteten Flächen wird ein vorrangiges Betreiberrecht für Pächter und Bank eingetragen, dann werden die Rechte aus dem Pachtvertrag sicherungshalber übertragen. Und: Die Finanzierung wird auf die Einstrahlungsbedingungen abgestimmt, damit die Erträge der PV-Anlage ausreichen, um Zins und Tilgung über die Laufzeit zu bedienen.

Auch die GLS Bank mit Hauptsitz in Bochum und einigen deutschen Filialen hat ein Sonderprogramm für Photovoltaikanlagen aufgelegt. Bei einer Kreditsumme von höchstens 30.000 Euro reicht die Abtretung der Einspeisevergütung als Sicherheit, allerdings ist die Laufzeit auf 15 Jahre begrenzt, und der Effektivzins liegt bei rund 4,7 Prozent – zumindest bei der Beispielrechnung im Werbeprospekt. Möglich, dass die Kreditbetreuer offen für Verhandlungen sind, in ihr Finanzierungsangebot fließen immerhin auch Daten zur Anlage und den erwarteten Erträgen ein, Gehaltsnachweise, der letzte Einkommensteuerbescheid, der Grundbuchauszug. Denn grundsätzlich steht die GLS Bank erneuerbaren Energien und dezentralen Systemen zur Stromerzeugung positiv gegenüber. 1997 finanzierte sie beispielsweise die Übernahme des Schönauer Stromnetzes durch die Schönauer Bürgerinnen und Bürger.

Ohne intensive Gespräche zwischen Bank und Kunde ist es ohnehin nicht ratsam, Kreditkonditionen zu akzeptieren. „Wegen der Finanzkrise schauen die Kreditinstitute sehr viel genauer hin“, sagt der Dortmunder Finanzexperte Michael Vetter, der kleine Unternehmen und Privatkunden beim Umgang mit Banken berät. Dieses Vorgehen sei verständlich, da jede Bank aufpassen müsse, sich keine neuen Risiken ins Haus zu holen. „Ich empfehle die kontrollierte Offensive: Gehen Sie zur Bank und besprechen Sie ganz konkret die Möglichkeiten.“ Da jede Bank Risiken anders beurteile und so zu anderen – unter Umständen günstigeren – Kreditkonditionen komme, sei es ein Fehler, sich dabei auf die Hausbank zu beschränken. „Nichts gegen die Hausbank. Aber es gibt jede Menge Banken, die sich freuen, mit neuen Kunden in Kontakt zu treten.“

Das bestätigt der Hanseatic-Capital-Geschäftsführer Alexander Jürgens, der inzwischen oft von Solarteuren beauftragt wird, ihren Kunden eine Finanzierung zu vermitteln. „Wenn Banken einen Markt erschließen wollen, versuchen sie es oft mit einem attraktiven Türöffnungsprodukt. Erneuerbare Energien liegen im Trend – und entsprechende Kreditangebote auf der Hand.“ Hoffnung der Banken: den Kunden auch für weitere Angebote vom Girokonto über den Sparplan für die lieben Kleinen bis zum Kredit für das neue Auto gewinnen. Aber nicht nur deshalb können sich Konditionen für PV-Kredite vielerorts mit den Angeboten der KfW messen: „Wenn Banken den Kredit an die KfW durchleiten, verdienen sie daran fast nichts mehr. Wenn sie ihn selbst abwickeln, ist es ihr eigenes Kreditgeschäft – und sie sparen sich den bürokratischen Aufwand.“

Ohnehin: Die Zinsen der KfW-Programme sind unter Umständen nicht so günstig, wie sie auf den ersten Blick scheinen, obwohl die Sätze des Anfang 2009 aufgelegten Programms Erneuerbare Energien zum 1. April noch mal gesenkt wurden. Zwar sind Kredite mit zehnjähriger Laufzeit ab 3,96 Effektivzins zu haben, aber nur in der besten Preisklasse, wie bei der KfW die Bonitäts- und Besicherungsstufen heißen. In der schlechtesten der sieben Klassen liegt der Effektivzins des gleichen Kredits bei stolzen sieben Prozent – trotz der jüngsten Leitzinssenkung durch die Europäische Zentralbank auf historisch niedrige 1,25 Prozent.

Diesen Zinsrutsch spüren allerdings überall in erster Linie die Sparer. Die Mitarbeiter des Verbraucherportals biallo.de, das Bankkonditionen vergleicht, führen Indizes für den Zinsverlauf verschiedener Anlage- und Kreditprodukte. Die zeigen ein altbekanntes Modell: Während Guthabenzinsen zügig nach unten angepasst werden, sinken Darlehenszinsen deutlich langsamer – und nicht so stark. Die Verbraucherzentralen haben beobachtet, dass die Finanzkrise diese Doppelstrategie verschärft hat: Die Banken sind auf die Gewinne aus dem Kreditgeschäft stärker angewiesen, außerdem legen sie mehr Geld für Risikofälle zurück. Problem: Zinssenkungen sollen Unternehmen und Verbrauchern billiges Geld bescheren, um sie zu Investitionen und Konsum zu bewegen. Das funktioniert aber nur, wenn Banken das billige Geld auch weiterreichen.

In einigen Gegenden der Republik funktioniert das, auch bei Geld für Photovoltaikanlagen. Ein Paradebeispiel findet sich in Baden-Württemberg. Anfang 2009 hat die Volksbank Herrenberg-Rottenburg – auf Grundlage eines Pilotprojekts im Nordschwarzwald – ein spezielles Photovoltaikprogramm aufgelegt, das sich gerade zu einem örtlichen Konjunkturprogramm mausert. Am Anfang stand eine Investition der Volksbank selbst: Für 60.000 Euro erwarb sie von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg exklusiv das Recht zur Solarpotenzialanalyse in ihrem Verbreitungsgebiet. „Wir haben die Daten für alle 37.500 Dächer im südlichen Kreis Böblingen und im westlichen Kreis Tübingen analysiert: Exakt 33.009 Dächer sind für eine Photovoltaiknutzung geeignet“, sagt Horst Klumpp. Der Prokurist der Volksbank Herrenberg-Rottenburg verantwortet das Geschäftsfeld Solarpotenzialanalyse. „Den Leuten ist oft nicht klar, welches Potenzial ihre Dächer haben.“

Konsequenz: Die Volksbank schreibt nach und nach ihre Kunden mit geeigneten Dächern an und informiert sie über ihr Kreditprogramm. Grundmodell ist eine 100-prozentige Finanzierung der Anlage mit einem über 20 Jahre laufenden Kredit. Kleindarlehenszuschläge sind Klumpps Zahlen zufolge nicht spürbar. „Bei zehnjähriger Zinsbindung ist eine drei vor dem Komma möglich, bei CHF-Krediten sogar eine zwei.“ CHF-Kredite werden in Schweizer Franken ausgezahlt und sind wegen des niedrigeren Zinsniveaus in der Schweiz in der Regel billiger als ein Euro-Kredit – zumindest solange sich das Wechselkursverhältnis zwischen Euro und Schweizer Franken nicht zu stark verändert. „Wer absolute Kalkulationssicherheit möchte, kann aber auch Kredite mit 20-jähriger Zinsbindung bekommen.“ Denn vor allem eines möchte die Volksbank Herrenberg-Rottenburg für alle Beteiligten minimieren: das Risiko. „Wir schauen primär auf die Anlage, denn die muss den Kredit tragen“, betont Klumpp. Um Überraschungen zu vermeiden, gehören Versicherungen und Rückstellungen zum Beispiel für Reparaturen zum Paket, außerdem eine Liste mit qualifizierten Handwerkern aus der Region – und ein Girokonto für die „Sonnen-Rente“, die nach Abzug aller Kosten übrig bleiben soll.

„Lauter Vorteile“ sieht Dieter Berger, der über die Volksbank seine Anlage finanziert hat, zusätzlich zur Rendite. „Die Bank hat mir viel Arbeit abgenommen. Und ich habe die Möglichkeit, Handwerker aus der Nähe zu kriegen und ihnen Arbeit zu besorgen.“ Klumpp schätzt, dass es zwei bis drei Jahre dauern wird, bis das von der Volksbank identifizierte Potenzial – immerhin eine mögliche Investitionssumme von 30 Millionen Euro – erschlossen sein wird. Angesichts der Resonanz können sich zurzeit weder Bankmitarbeiter noch Handwerker über Langeweile beklagen. „Wir als Bank profitieren, die Kunden, die Handwerker, die Umwelt – und am Ende sind alle glücklich“, sagt Klumpp. Auch Menschen, die bisher nicht Kunden der Volksbank waren, lassen sich ein Angebot machen. „Wir bekommen inzwischen sogar Anfragen aus anderen Bundesländern, wo die Leute händeringend nach Finanzierungen suchen. Aber entweder der Kunde oder das Projekt sollten in unserem Verbreitungsgebiet ansässig sein.“

Aber auch in anderen Gebieten der Republik haben Banken Photovoltaikfinanzierungen als Geschäftsfeld erkannt. Ob es ein fruchtbares Feld ist, ist „oft eine Frage der handelnden Personen, eine Frage von Vertrauen und Kompetenz“, so die Erfahrung von Olav Vollstedt, einem Projektkoordinator von Bürgersolaranlagen in Schleswig-Holstein. Er hat mit der Förde Sparkasse seit 2006 neun Bürgersolaranlagen realisiert, weitere sind in der Pipeline. Die Zusammenarbeit begann eher zufällig, weil Vollstedt damals auf einer Filiale der Förde Sparkasse eine Photovoltaikanlage aufgefallen war. Ein gutes Omen: „Der Wille, unsere Projekte zu unterstützen, war und ist absolut da.“ In vielen anderen Banken dagegen, hat Vollstedt beobachtet, sind die Mitarbeiter vom Thema Photovoltaik nach wie vor überfordert oder haben schlicht keine Lust, sich mit kleinen Kreditsummen zu beschäftigen. Dabei kann aus vielen kleinen Summen eine große werden: Bei Vollstedts Projekten haben inzwischen 114 Bürgerinnen und Bürger netto rund 1,47 Millionen Euro investiert.

„Die Finanzkrise hat gezeigt, dass der schnelle Euro seine Tücken hat. Das haben nicht nur die Anleger begriffen, sondern auch die Banken. Eigentlich gute Voraussetzungen, um Investitionen in erneuerbare Energien für alle Beteiligten attraktiver zu machen“, meint Vollstedt und rät, sich bei der Suche nach einem geeigneten Kreditgeber nicht so schnell entmutigen zu lassen. Schließlich habe der Investor viele gute Argumente auf seiner Seite, zum Beispiel die Einspeisevergütung, den Preisverfall bei Modulen und die recht gut zu prognostizierende Sonneneinstrahlung. Dem kann Alexander Jürgens von Hanseatic Capital nur zustimmen. „Und wenn die Sonne nicht mehr scheint, haben wir sowieso andere Probleme als Zinsen und Sicherheiten.“