Agri-PV: Doppelt ernten

Was leistet die Agri-Photovoltaik? Das Potenzial ist riesig, die Förderung wird ausgebaut. Aber können niedrigere Pachten die höheren Installationskosten ausgleichen?

Neu ist die Idee nicht: Schon 1981 stellten der Fraunhofer-ISE-Gründer Adolf Goetzberger und sein Kollege Armin Zastrow ein Konzept vor, wie sich mit einer höheren Aufständerung von Solarmodulen der Boden weiter landwirtschaftlich nutzen lässt. An Dynamik gewann die Idee nach der Jahrtausendwende, als angesichts der zunehmenden Konkurrenz um verfügbare Flächen erste Agri-PV-Projekte gebaut und wissenschaftlich begleitet wurden. Länder wie Japan, China, Frankreich, die USA und Korea legten damals bereits entsprechende Förderprogramme auf. Inzwischen beträgt dem Fraunhofer ISE zufolge die weltweit installierte Agri-PV-Leistung etwa 14 Gigawatt (GW) – kaum wahrnehmbar angesichts der bereits 2022 überschrittenen Terawatt-Schwelle von Photovoltaik insgesamt.

Das technische Potenzial der Agri-PV beziffert das Fraunhofer ISE allerdings allein für Deutschland auf rund 1.700 GW. „Die Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten ist so vielfältig wie die Landwirtschaft selbst, sie kann an unterschiedliche Landtechnik und Bewirtschaftungsverfahren in den Betrieben angepasst werden“, sagt Max Trommsdorff. Der Volkswirt ist Gruppenleiter Agri-Photovoltaik am Fraunhofer ISE und arbeitet unter anderem am Projekt „SynAgri-PV“, das die Vernetzung und Begleitung des Markthochlaufs der Agri-PV in Deutschland zum Ziel hat. Dass dieser eher holprig verläuft, liegt Trommsdorff zufolge insbesondere an den bisherigen rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem an unzureichenden Anreizsystemen und aufwändigen Genehmigungsprozessen. Weitere Herausforderungen seien zuverlässige Prognosen der landwirtschaftlichen Erträge und die Optimierung des Anlagendesigns.

Klare Kriterien und Weichenstellungen

Aktuell sind erste Anlagen hierzulande insbesondere bei Sonderkulturen im Einsatz, etwa beim Anbau von Obst und Gemüse. Hier bieten die Module dachartig aufgeständert Schutz vor Hagel-, Frost- und Dürreschäden, aber auch vor Starkregen, Winderosion und Verdunstung in Hitzeperioden. Aus landwirtschaftlicher Sicht sind dafür besonders Technologien interessant, welche die für das Pflanzenwachstum notwendigen Lichtspektren passieren lassen, etwa organische oder semitransparente Module. Auch Anlagen mit vertikal installierten Modulen werden inzwischen gebaut. Sie werden je nach Bedarf und Beschaffenheit der Landmaschinen in Reihen mit zehn bis 15 Meter Abstand auf die Felder gestellt. In manchen Fällen sieht Agri-PV fast wie eine konventionelle Freiflächenanlage aus, zum Beispiel wenn die Fläche als Grünland zur Beweidung genutzt wird.

Die DIN SPEC91434 definiert, welche Kriterien eine Agri-PV-Anlage einhalten muss. Unter anderem müssen bei bodennah aufgeständerten Anlagen 85 Prozent der Fläche nachgewiesenermaßen landwirtschaftlich genutzt werden. Bei hoch aufgeständerten Anlagen müssen es 90 Prozent sein; der Ertrag muss nachweislich 66 Prozent des normalen Ertrags erreichen. Diese klaren Regeln und die daraus resultierende Vorgabe, dass sich die Stromerzeugung der landwirtschaftlichen Nutzung der Fläche unterordnen muss, unterscheidet die Agri-PV zudem von der Biodiversitäts-PV.

Weitere Unterschiede: Seit Juli 2023 sind Agri-PV-Anlagen, die maximal 2,5 Hektar groß sind und in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb stehen, privilegiert: Ein Bauantrag kann ohne vorherige Aufstellung eines Bebauungsplanes genehmigt werden. Zudem sind Agri-PV-Anlagen über das EEG grundsätzlich auf Ackerflächen, Flächen mit Dauerkulturen und Grünlandflächen förderfähig. Anlagen, bei denen sich die untere Modulkante mindestens 2,10 Meter über dem Boden befindet, können aktuell mit einem Technologie-Bonus rechnen, wenn sie in einer EEG-Ausschreibung den Zuschlag erhalten und bestimmte Kriterien zur Extensivierung einhalten. Der Bonus liegt 2024 bei einem Cent pro Kilowattstunde.

Im Zuge des (bei Redaktionsschluss noch nicht verabschiedeten) „Solarpakets 1“ will die Bundesregierung für Agri-PV sowie für Moor-, Floating- und Parkplatz-Anlagen ein eigenes Untersegment bei den Ausschreibungen für Freiflächenanlagen einführen. Es soll bis 2029 schrittweise von 500 auf bis zu 3.000 Megawatt (MW) pro Jahr erhöht werden. Der Höchstgebotswert soll 2024 bei 9,5 Cent pro Kilowattstunde liegen, um die höheren Kosten für den Bau der Anlagen auszugleichen. In den Folgejahren soll bezogen auf die letzten drei Gebotstermine aus den höchsten Zuschlagswerten für besondere Solaranlagen der Durchschnitt gebildet werden. Dieser wird dann um acht Prozent erhöht und gilt als neuer Höchstgebotswert.

Unabhängig von Ausschreibungen sollen kleinere Anlagen mit bis zu einem MW Leistung 2024 statt bisher 7 Cent pro Kilowattstunde nun ebenfalls 9,5 Cent erhalten. Alle Anlagen sollen zudem eine zusätzliche Prämie von 0,3 Cent bekommen können, wenn sie ein paar Extras beachten: etwa wenn die Stickstoffdüngung um 20 Prozent reduziert und auf Herbizide verzichtet wird und wenn auf 5 Prozent der Fläche ein Blüh- oder ein Altgrasstreifen angelegt wird. Weitere Vorgaben oder Berichtspflichten mit Blick auf Flora und Fauna gibt es nicht.

Wirtschaftlich trotz höhere Investitionskosten?

Inwiefern die geplante Förderkulisse Agri-PV wirtschaftlicher macht, bleibt abzuwarten. Das Projekt „SynAgri-PV“ zeigt, dass die Kosten von Agri-PV-Systemen unter anderem von der installierten Leistung und der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung abhängen, die möglichen Einnahmen von Standort und Systemdesign. Tendenziell sind die Investitionskosten bei Agri-PV-Systemen höher als bei Freiflächenanlagen, etwa wegen der aufwändigeren Unterkonstruktion, dem Einsatz von speziellen Modulen und der bodenschonenden Installation. Die Betriebskosten hingegen können demnach sinken, wenn die Pachtkosten geteilt werden und der landwirtschaftliche Betrieb die Flächenpflege übernimmt. Wirtschaftlich betrachtet gelten Agri-PV-Systeme daher als besonders attraktiv, wenn sie ansonsten notwendige Schutzvorrichtungen wie Dächer oder Netze ersetzen.

Das bisher größte Agri-PV-Projekt, das zurzeit auf eine Leistung von 1 GW ausgebaut wird, steht übrigens in China: Am Rande der Wüste Gobi werden unter Solarmodulen Gojibeeren angebaut.

Solarunternehmen, Landwirte und Forschungsinstitute haben 2023 einen Verband für nachhaltige Agri-PV gegründet.
https://vnap.org/ 

Das 2022 gestartete Forschungsprojekt „SynAgri-PV“ will den Markthochlauf in Deutschland begleiten und beschleunigen.
https://agri-pv.org/de/