Auf neuem Kurs
Lange waren die erneuerbaren Energien und vor allem die Photovoltaik für die großen Stromkonzerne Feindbild Nummer eins. Jetzt stecken die Versorger zwar mehr Geld in alternative Wege der Stromerzeugung. Deutsche Photovoltaikunternehmen profitieren davon jedoch kaum...
In den vergangenen fünf Jahren war die Haltung von RWE gegenüber der Photovoltaik eindeutig. In dieser Zeit war Jürgen Großmann Chef des Stromkonzerns. Noch im Januar, als sein Ausscheiden aus dem Unternehmen bereits feststand, redete Großmann Tacheles: Den Ausbau der Solarenergie in Deutschland bezeichnete er bei der Handelsblatt-Tagung zum Thema Energiewirtschaft in Berlin als so sinnvoll „wie Ananas züchten in Alaska“. Nur wenige Monate später meldete sich sein Nachfolger Peter Terium in Sachen Solarenergie zu Wort. Für Aufsehen sorgte jedoch nicht seine Formulierung, sondern ihr Inhalt: „Bei der Photovoltaik durchlaufen wir gerade eine Phase der Neubewertung“, ließ der neue RWE-Chef wissen. Grund für dieses Umdenken sei vor allem die immer billiger werdende Technik. Der Vorstand, so Terium, habe „den Preisverfall bei Modulen so nicht für möglich gehalten. Und es sieht so aus, als hielte diese Entwicklung an.“
Als Terium die Kehrtwende des Konzerns bei der Solarenergie bekannt gab, war er eigentlich gerade in Sachen Wind unterwegs. Allein mit der Taufe des ersten RWE-eigenen Offshore-Montageschiffs, der „Victoria Mathias“, hätte er es aber wahrscheinlich nicht in die Schlagzeilen geschafft. Denn an Windenergie ist RWE schon lange interessiert, insgesamt plant der Konzern bis 2025 in Europa Hochseewindparks mit einer Gesamtleistung von 6.500 Megawatt. Die „Phase der Neubewertung“ der Photovoltaik hat ebenfalls bereits zu konkreten Plänen geführt. Was internationale Investments angeht, hat der Konzern Terium zufolge vor allem Spanien, Italien und Nordafrika im Blick. Und in Deutschland will RWE demnach gemeinsam mit Stadtwerken Solarparks bauen, Geschäftskunden beim Kraftwerksbau Dienstleistungen anbieten und Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Möbelhäusern, Supermärkten und Speditionen installieren.
Wären diese Vorhaben so unrentabel wie Ananas aus Alaska, würde RWE sie wohl nicht verfolgen. Der Verfall der Modulpreise in Kombination mit Atomausstieg, Emmissionszertifikaten und gesetzlichen Fördermöglichkeiten verändert die Haltung des Unternehmens, routiniert verkaufen die Konzernsprecher das neue Interesse an der Solarenergie als logische Entwicklung. „Grundsätzlich geht RWE Vertrieb davon aus, dass Solarenergie zunehmend marktfähig wird“, sagt Kommunikationsleiter Martin Rothenberg. „Dass die modifizierten EEG-Richtlinien hier ein stufenweises Absenken der EEG-Vergütung für Solarstrom vorsehen, zwingt die Betreiber dieser Anlagen in Richtung Marktfähigkeit.“
Die Photovoltaikaktivitäten sind bei der RWE-Vertriebstochter angesiedelt, da es RWE nicht in erster Linie um die Erzeugung von Solarstrom geht, sondern um dessen Vermarktung. Variante eins: Über das bereits laufende Projekt „virtuelles Kraftwerk“ soll Strom aus bereits bestehenden Solaranlagen gebündelt und – unterstützt vom Marktprämienmodell des EEG – direkt vermarktet werden. Rothenberg zufolge soll das Projekt im Endausbau verschiedene regenerative Kapazitäten von bis zu 1.000 Megawatt bündeln, derzeit habe RWE bereits rund 250 Megawatt unter Vertrag. Variante zwei: Gemeinsam mit Partnern will RWE Vertrieb eigene oder Gemeinschafts-Solaranlagen auf deren Gewerbedächern errichten – wer genau die Installation vornimmt und welche Komponenten verwendet werden, hängt dabei vom jeweiligen Projekt ab. „Idee dabei ist, dass die erzeugten Strommengen – je nach Bedarf der Partner – selbst verbraucht oder über das virtuelle Kraftwerk ins Netz eingespeist werden“, so Rothenberg. Das Investitionsvolumen sei noch nicht beziffert, gleichwohl stünden Gelder dafür bereit.
Auch Eon, EnBW und Vattenfall machen Geld für Erneuerbare locker. Vattenfall ist dabei das einzige Unternehmen der sogenannten großen Vier, das weiter Atomkraftwerke bauen will. Es ist auch das einzige, das nicht in die Solarenergie investiert. Zwar ist der Konzern über sein Tochterunternehmen Vattenfall Europe Innovation an Soltecture beteiligt, die Berliner Photovoltaikfirma ist allerdings inzwischen insolvent. „Vattenfall kommt aus dem Schwedischen und bedeutet Wasserfall. Und das nicht ohne Grund, da rund die Hälfte unserer Stromerzeugung in Schweden aus Wasserkraft stammt“, sagt Lutz Wiese, Pressesprecher Erneuerbare Energien. Die weiteren Schwerpunkte seien Wind und Biomasse. Von 2012 bis 2016 will Vattenfall Lutz Wiese zufolge – von einem insgesamt 16 Milliarden Euro schweren Investitionspaket – rund 4,2 Milliarden Euro in die Stromerzeugung aus Wind, 770 Millionen Euro in Wasserkraft und 220 Millionen Euro in Biomasse investieren. „Bis zum Jahr 2020 will Vattenfall den Anteil seiner Stromerzeugung aus Wind und Biomasse auf acht Terawattstunden verdoppeln.“ Vattenfall Europe Sales biete außerdem die Direktvermarktung von EE-Strom an, allerdings vor allem von Strom aus Onshore-Wind.
Bei EnBW und Eon spielt Wind ebenfalls eine große Rolle, die Konzerne setzen wie RWE vor allem auf Offshore-Windkraft in Deutschland. Wie RWE investieren sie aber auch in die Solarenergie. EnBW betreibt bereits seit Jahren Photovoltaikanlagen mit insgesamt 1,2 Megawatt Nennleistung auf konzerneigenen Dachflächen in Stuttgart, Wendlingen und Biberach, gemeinsam mit einigen großen Solarparks kommt das Unternehmen auf gut zehn Megawatt installierte Photovoltaikleistung – bei 3.000 Megawatt Erzeugungskapazität mit erneuerbaren Energien insgesamt. Bis 2020 will EnBW die Gesamtzahl mehr als verdoppeln und insgesamt acht bis zehn Milliarden Euro in die Energiewende investieren. „Der Schwerpunkt liegt auf Wasser- und Windkraft, die rund 90 Prozent des Zielmixes unserer erneuerbaren Energien ausmachen“, sagt Sprecherin Friederike Eggstein. „In geringerem Umfang werden auch Investitionen in Photovoltaik und Bioenergie eine Rolle spielen.“ Der Konzern unterstützt jedoch die Investitionen Dritter in die Solarenergie. Bei EnBW Solar können kommunale, gewerbliche und private Kunden eine Art Rundum-sorglos-Paket in Anspruch nehmen – von der Planung über die Errichtung bis zur Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage. Bei Privatkunden wirbt EnBW damit, dass eine „Solaranlage eines renommierten deutschen Herstellers“ montiert wird, bei den anderen ist eher allgemein von „hochwertigen Komponenten“ die Rede. Für die Installation greift das Unternehmen eigenen Angaben zufolge jedoch in jedem Fall auf Fachhandwerker aus der Region zurück.
Energieversorger Eon, der künftig alle 18 Monate einen neuen Offshore-Windpark in Betrieb nehmen möchte, geht bei der Photovoltaik in Deutschland ähnlich vor. „Eon Solar ist ein klassisches Vertriebsprodukt, wo wir privaten Kunden mit lokalen Handwerkspartnern gemeinsam Photovoltaik für die eigene Immobilie anbieten“, sagt Sprecher Christian Drepper. „Dazu haben wir, das Programm ist ja noch recht frisch, noch keine Zahlen.“ Vor einem Jahr hatte Vertriebssprecher Thomas Renz auf Anfrage der photovoltaik erklärt, Eon Solar habe bereits Projekte mit einem Volumen von ungefähr zwei Megawatt realisiert. Seitdem ist es um das Angebot still geworden.
Lebhafter sind hingegen die Photovoltaikaktivitäten von Eon Climate & Renewables. Das Unternehmen besitzt inzwischen Photovoltaikanlagen mit insgesamt 60 Megawatt in Italien und Frankreich und wirbt damit, „jedes Jahr etwa 120 Megawatt an neuen Photovoltaikanlagen in Betrieb nehmen und damit einer der führenden Betreiber im weltweiten Photovoltaikmarkt werden“ zu wollen. Das Solargeschäft soll demnach „auf den gleichen Industrialisierungsgrad wie unser Windgeschäft“ gebracht werden, dafür sollen im ersten Schritt bis 2015 die Installationskosten von neuen Photovoltaikanlagen um 35 Prozent sinken.
„In Deutschland planen wir keine kraftwerksartigen Parks, hier sehen wir Wind on- und offshore als die geeignetste Technologie“, so Drepper. International plane Eon jedoch sowohl solarthermische Kraftwerke (CSP) als auch große Photovoltaikanlagen: „Abgesehen von einer ersten CSP-Anlage mit 100 Megawatt in Andalusien fokussieren wir uns im Augenblick hauptsächlich auf Photovoltaikanlagen in Italien und Frankreich und haben eine Projektpipeline von rund 600 Megawatt.“ Rahmenverträge für die Lieferung von Modulen gebe es, Details wollte Drepper jedoch nicht nennen. Deutsche Produzenten haben aber wahrscheinlich schlechte Karten. Darauf lassen zumindest die Äußerungen von Eon-Vorstand Klaus-Dieter Maubach beim jüngsten „Bloomberg New Energy Finance Summit“ in New York schließen: Maubach rechnet damit, dass innerhalb von fünf Jahren alle deutschen Photovoltaikunternehmen vom Markt verschwinden werden. Als Grund nennt er den harten Preiskampf: Die steigende Produktion in China habe die Preise für Solarmodule drastisch gesenkt, damit sei die Produktion deutscher Hersteller nicht mehr wettbewerbsfähig.
Um ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit geht es den Stromkonzernen nach der Energiewende ebenso wie davor. Angesichts der Entwicklungen auf dem Strommarkt kommen sie an den Erneuerbaren zwar nicht vorbei. Wie viel Geld in welche erneuerbaren Erzeugungskapazitäten fließt und ob in diesem Bereich Dienstleistungen und Services sinnvoll sind, wird allerdings von den zu erwartenden Renditen abhängen, zumal die Bedeutung des EE-Segments für Umsatz und Ergebnis der Stromversorger steigt. Bei Eon ist Climate & Renewables das wachstumsstärkste Geschäftsfeld, und auch bei den anderen Versorgern werden die Erneuerbaren eine immer wichtigere Säule. Bei den notwendigen Investitionen werden die Unternehmen aber auf die Kostenbremse treten, schließlich sollen gleichzeitig die Konzernergebnisse von diesem Wachstum profitieren. Die aktuelle Phase der Neubewertung wird vor allem eins zeigen: Auch die Energiewende ist für die Stromkonzerne in erster Linie ein Geschäft.