Biodiv-PV: Mehr Leben unter Strom

Wie öko ist Photovoltaik? Ein gut geplanter Solarpark kann einen erheblichen Mehrwert für die lokale Tier- und Pflanzenwelt bringen. Klare Kriterien, ab wann ein Solarpark als Biodiversitäts-PV gilt, gibt es jedoch noch nicht.

Das Beste aus beiden Welten: Freiflächen-Photovoltaikanlagen können einen positiven Effekt auf die Artenvielfalt in der Region haben, wie inzwischen mehrere Studien belegen. Immerhin sind schon in konventionell errichteten Anlagen rund 98 Prozent des Bodens nicht versiegelt, auf Düngemittel oder Pestizide wird meistens verzichtet und die weitgehende Unberührtheit der Flächen bietet Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Noch stärker lässt sich hier die Biodiversität steigern, wenn diese Lebensräume bewusst in die Planung eines Solarparks integriert und entsprechend ausgestaltet werden.

Schon 2021 haben beispielsweise der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar) gemeinsam Kriterien für naturverträgliche Photovoltaik-Freiflächenanlagen entwickelt. Der deutlichste Unterschied zur konventionellen Planung ist die Installation der Module. Sechs Meter Abstand zwischen den Reihen sind dem Kriterienkatalog zufolge optimal, drei Meter sollten es mindestens sein. So lässt sich die Verschattung minimieren, was günstig für viele Pflanzen- und Tierarten ist. Etwa daumenbreite Abstände zwischen den einzelnen Modulen sorgen dafür, dass sich die Niederschläge gleichmäßiger auf dem Boden verteilen. Mehr Platz schafft zudem Raum für eingebrachte Strukturen wie Sand- oder Steinhaufen, Totholz oder Kleingewässer. Sie dienen als Lebensräume für Reptilien und Amphibien, Vögel und Insekten. Zusätzliche etwa 30 mal 30 Meter große Freiflächen, sogenannte Grün- oder Lerchenfenster, bieten Nistplätze für verschiedene Vogelarten. Bei großflächigen Anlagen sind außerdem naturnah gestaltete, mindestens 20 Meter breite Wanderkorridore eine gute Querungshilfe für die Wildtiere der Region.

Mehr Biodiversität und hohe Solarerträge

„Durch solch einfache Maßnahmen können wir die Biodiversität massiv steigern – und immer noch 90 Prozent des möglichen Stromertrags erreichen“, sagt der Landschaftsökologe Markus Reinke von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Er gibt zu bedenken, dass in vielen neuen Anlagen die Module ohnehin nicht so eng gesetzt würden wie eigentlich möglich, weil sonst die Netzkapazitäten überlastet wären. Hinzu komme die fortlaufende Verbesserung der Modulwirkungsgrade, die den Platzbedarf verringere. Und: Die gesetzlich erforderlichen Ausgleichsverpflichtungen könnten so oft im Solarpark selbst gedeckt werden.

Nabu und BSW Solar nennen noch etliche weitere Ansatzpunkte für mehr Biodiversität in Solarparks. Die aus Gründen der Arbeitserleichterung häufig praktizierte Mulchmahd beispielsweise, bei der das Gemähte einfach liegenbleibt, reduziert die mögliche Artenvielfalt unter und zwischen den Modulen. Besser ist eine Beweidung mit Schafen. Und noch besser ist es, wenn die Flächen nur selten gemäht werden und das Mahdgut nach dem Trocknen abtransportiert wird. Zäune sollten nur gebaut werden, wenn es unbedingt erforderlich ist – ohne Stacheldraht, ohne Betonfundamente, mit Abstand zum Boden und begrünt mit heimischen Stauden und Gehölzen. Um Störungen der Habitate auf der Fläche zu verhindern, sollte außerdem auf Wachhunde und künstliche Lichtquellen verzichtet und die Anwesenheit von Personal minimiert werden.

Der Effekt ist spürbar: Kleinere Solarparks können als Trittsteinbiotope wirken, also als geeignete Inseln zwischen größeren, weiter voneinander entfernten Lebensräumen dienen, und damit Habitatkorridore erhalten oder wiederherstellen. Große Anlagen können selbst Habitate ausbilden, die den Erhalt oder den Aufbau verschiedenster Populationen ermöglichen. Dieser Mehrwert rückt aktuell stärker in den Fokus. „Der Verlust an Biodiversität und natürlichen Ökosystemen, den wir zurzeit erleben, ist ebenso katastrophal wie der Klimawandel“, sagt Hans Bruyninckx, Exekutivdirektor der Europäischen Umweltagentur (EUA). Offenkundig reicht der Biodiversitätsschutz nur auf Basis von Schutzgebieten nicht aus. Davon zeugen die Zahlen des Berichts der Europäischen Kommission zur Natur in Europa.

Fördermittel für Biodiversitäts-PV?

„Am wichtigsten ist es, den Standort einer Photovoltaik-Freiflächenanlage so zu wählen, dass er empfindliche Bereiche ausspart und – darüber hinaus – gezielt Entwicklungspotenziale für bestimmte Arten und Lebensräume schafft“, sagt Elke Bruns, Leiterin Fachinformation im Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE). So könnten die Ziele des Klimaschutzes und des Biodiversitätsschutzes auf nur einer Fläche gemeinsam erreicht werden – eine wirkliche Win-win-Lösung. Das KNE plädiert daher dafür, verstärkt darüber nachzudenken, wie Betreiber von Freiflächenanlagen veranlasst werden könnten, auch einen Biodiversitäts-Aufwertungseffekt einzuplanen. Mehrkosten für die Aufwertungsmaßnahmen sollten jedenfalls nicht zu Wettbewerbsnachteilen bei Ausschreibungen führen.

Die Bundesregierung arbeitet seit 2023 an einer Extra-Vergütung für Biodiversität. Biodiversitäts-PV könnte also ebenso Teil der Förderkulisse werden wie Agri-, Moor- oder Floating-PV, die „angemessene Erhöhung“ für Strom aus solchen Anlagen soll durch eine Verordnung festgelegt werden. So richtig weiß allerdings bislang niemand, welche Auflagen eine Biodiversitäts-PV im Detail erfüllen muss – die detaillierten ökologischen und technischen Anforderungen sollen in einer weiteren Verordnung geregelt werden, die bei Redaktionsschluss noch ebenso auf sich warten ließ wie das gesamte „Solarpaket 1“.

Einige Hinweise ergeben sich aus der Photovoltaik-Strategie der Bundesregierung. Danach soll diese neue Anlagenklasse auf „temporär aus der Bewirtschaftung genommenen landwirtschaftlichen Flächen“ entstehen. „Damit die Flächen in den Solarparks auch wirklich biodivers werden, müssen sie weiter professionell und extensiv bewirtschaftet werden, um Brachen zu vermeiden“, heißt es in der Photovoltaik-Strategie. Biodiversitäts-PV könnte aus Förderperspektive also eine besonders naturverträgliche Variante der Freiflächen-PV werden – oder eine extensive Form der Agri-PV.

Online-Tool zur Berechnung des besonnten Streifens in ebenerdigen Solarparks: 
http://besonnter-streifen.gute-solarparks.de

Interaktive Infografik zu Ansatzpunkten für mehr Naturverträglichkeit: 
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/energie/erneuerbare-energien-energiewende/solarenergie/31385.html