Das Gold vom Kaukasus
Schon vor der Eröffnung der olympischen Winterspiele von Sotschi führt Russland den Medaillenspiegel an: Alle Edelmetalle stammen aus russischen Minen, und auch für Design und Fertigung der begehrten Plaketten sind ausschließlich heimische Unternehmen verantwortlich...
Als Nikolay Derezhinets die olympische Fackel durch die Straßen der ostsibirischen Stadt Magadan trug, galt die Sorge der Sicherheitsleute nicht nur dem Brennen der Flamme. Denn neben der Fackel präsentierte der Chef des in der Region ansässigen Goldproduzenten Polevaya stolz einen seiner größten Funde: einen knapp drei Kilogramm schweren Goldklumpen, den Derezhinet nur sein „Gottesgeschenk“ nennt. Bis zu 350.000 US-Dollar habe man ihm dafür schon geboten, ließ der Unternehmer verlauten. Das Nugget sei jedoch unverkäuflich.
Für Staatschef Wladimir Putin war die Aktion des Polevaya-Chefs unbezahlbar. Die olympischen Winterspiele von Sotschi gelten als sein Prestigeprojekt, und neben den Spielen soll nach seinem Willen schon der Fackellauf im Vorfeld der Welt zeigen, was Russland zu bieten hat: jede Menge Superlative natürlich – und Rohstoffe. Regierung und Unternehmen investieren zurzeit massiv in Förderung, Verarbeitung und Transport russischer Bodenschätze; nach Zahlen der deutschen Außenwirtschafts-Gesellschaft GTAI sollen bis 2030 mehrere hundert Milliarden Dollar in neue Vorhaben fließen. Dabei geht es nicht nur um Öl und Gas, sondern auch um Metalle.
In den kommenden Wochen wird sich die Welt vor allem für die Verteilung olympischer Edelmetalle interessieren. Und schon im Vorfeld der Wettkämpfe am Fuße des Kaukasus brechen die Medaillen alle Rekorde. 1.300 Gold-, Silber- und Bronzeplaketten hat das Nationale Olympische Komitee (NOK) Russlands fertigen lassen – mehr als je zuvor, da es bei den olympischen und paralympischen Spielen in Sotschi neue Disziplinen gibt. Die Trophäen sind zudem besonders schwer: Olympiasieger werden mit 460 bis 531 Gramm Edelmetall geehrt, erfolgreiche Paralympioniken mit 585 bis 686 Gramm.
Insgesamt wird das NOK drei Kilogramm Gold, zwei Tonnen Silber und 700 Kilogramm Bronze an die Athleten vergeben. Dass die Rohstoffe für die russischen Medaillen vollständig aus russischen Minen stammen, wird von offizieller Seite gerne betont und ist eine weitere Besonderheit von Sotschi. Nicht jedes austragende Land verfügt über die entsprechenden Bodenschätze, außerdem sind die Medaillen ein beliebter Tummelplatz für Sponsoren. Bei den Winterspielen von Vancouver 2010 bestanden die begehrten Trophäen im Kern aus recyceltem Elektroschott, lediglich die vorgeschriebenen sechs Gramm Gold je Goldmedaille kamen aus den Bergen der Provinz British Columbia. Für London 2012 stiftete Bergbauunternehmen Rio Tinto die Medaillen, für Peking 2008 hatte der australische Rohstoffkonzern BHP Billiton einen entsprechenden Sponsorenvertrag – ein Engagement, das US-Behörden seit gut vier Jahren wegen Korruptionsverdacht untersuchen.
Aus welchen russischen Minen die Rohstoffe für die Medaillen von Sotschi genau stammen, welche Unternehmen beteiligt sind und wie die Finanzierung der insgesamt rund 1,2 Millionen Euro teuren Metalle aussieht, ist unklar. Entsprechende Anfragen lassen sowohl das NOK als auch andere russische Stellen unbeantwortet. Unter den Sotschi-Sponsoren taucht für den Bereich Edelmetalle lediglich der in Moskau ansässige Juwelier Adamas auf, der die Fertigung der Plaketten übernommen hat. Auf den offiziellen Produktionsfotos lässt sich zumindest die Goldquelle erkennen: Polyus, eine Tochtergesellschaft von MMC Norilsk Nickel und Russlands wichtigster Goldproduzent.
Wichtiger als die Quelle der Edelmetalle ist für Adamas der Produktionsprozess. Für das Design ist die Moskauer Niederlassung der internationalen Werbeagentur Leo Burnett verantwortlich, die aus Metallen und geschliffenem Polycarbonat zusammengesetzten Medaillen zeigen demnach Sonnenstrahlen über den verschneiten Gipfeln des Kaukasus an den sandigen Stränden des Schwarzen Meeres. 25 Herstellungsschritte und 18 bis 20 Arbeitsstunden meldet Adamas pro Medaille, wobei vor allem das Einsetzen des mit Lasergravierungen verzierten Polykarbonatstücks als schwierig gilt. Um es ohne Hilfsmittel wie Schrauben oder Klebstoff fest zu verankern, nutzt Adamas die Physik: Metall und Polykarbonat werden mikrometergenau zugeschnitten und dann auf minus 35 Grad abgekühlt. Nach dem Einsetzen des Kunststoffs wird die Medaille auf Raumtemperatur erwärmt, so dass die sich ausdehnenden Werkstoffe fest ineinander greifen – fest genug, so Adamas, um auch wildeste Siegesfeiern unbeschadet zu überstehen.
In die sieben Goldmedaillen, die am 15. Februar in Sotschi verliehen werden, hat Adamas übrigens noch ein besonderes Fundstück aus russischem Boden eingelassen: ein Fragment des Meteors von Tscheljabinsk, der am 15. Februar 2013 im russischen Ural einschlug und für viele Verletzte und hohen Sachschaden sorgte. Aus Sicht von Alexei Betekhtin keine ungewöhnliche Idee, da dem Kulturminister der Region Tscheljabinsk zufolge sowohl der Meteoriteneinschlag als auch die olympischen Spiele globale Ereignisse sind. Außerdem passt der Meteor von Tscheljabinsk zur Liste der Superlative rund um die Winterspiele von Sotschi: Er gilt als der größte Meteoriteneinschlag seit über 100 Jahren.