Geothermie mit einer Bohrung
Das Geozentrum Hannover soll ab 2012 mit Erdwärme aus 4000 Metern Tiefe beheizt werden. Kalt- und Heißwasser laufen dabei durch eine einzige Bohrung...
Eine Energiequelle hat Deutschland im Überfluss: Erdwärme. Schon in wenigen Kilometern Tiefe wird es flächendeckend heiß. Die Nutzung dieser Energie hängt jedoch bislang davon ab, ob es in gut durchlässigen Schichten des tiefen Untergrundes Thermalwasser gibt. Im Alpenvorland oder im Oberrheintalgraben ist das der Fall, nicht jedoch im Raum Hannover. Wie der größte Teil Norddeutschlands steht Hannover auf einer Buntsandstein-Formation, die zwar heiß, aber nicht genügend durchlässig ist.
Trotzdem wollen die Wissenschaftler des Geozentrums Hannover ihre Büros und Labors ab 2012 mit Wärme aus eben dieser Gesteinsformation heizen. Denn das von ihnen entwickelte Verfahren GeneSys ermöglicht eine breite Nutzung tiefer geothermischer Ressourcen auch unter normalen geologischen Bedingungen. „Mit dem Piloprojekt GeneSys wollen wir unseren Beitrag für eine nachhaltige Energieversorgung leisten“, betont Hans-Joachim Kümpel, Präsident der federführenden Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe (BGR). GeneSys soll die Ausgaben des Geozentrums für Brennstoffe senken, aber auch den CO2-Ausstoß: um bis 3.500 t jährlich.
Kernstück von GeneSys ist die Wasserfrac-Technik: In Zieltiefe wird kaltes Wasser durch eine Leitung mit hohem Druck in das Erdreich verpresst, dadurch entsteht im umliegenden Buntsandstein ein System künstlicher, großflächiger Risse. Das vordringende kalte Wasser heizt sich auf dem Weg durch die Risse wie in einem natürlichen Wärmetauscher auf etwa 150 Grad auf. Oberirdisch wird die im geförderten Heißwasser enthaltene Wärme mit Hilfe eines weiteren Wärmetauschers in den Heizkreislauf eingespeist, das abgekühlte Wasser wird anschließend wieder verpresst.
Dieses Verfahren ist bekannt, neu dagegen ist die Herangehensweise der Hannoveraner Wissenschaftler. „Im Unterschied zur bisherigen Praxis mit zwei Bohrlöchern – eines für das nach oben zu fördernde Heißwasser, ein zweites für das Rückführen des abgekühlten Wassers – kommt GeneSys mit nur einer Bohrung aus. Das ist eine Weltpremiere in der Tiefengeothermie“, erklärt Projektleiter Michael Kosinowski. Die momentan laufende Bohrung erfolgt mit konventionellen, aus der Förderung von Gas und Öl bekannten Mitteln. Aber wegen der parallelen Leitungen für Kalt- und Heißwasser innerhalb dieser Bohrung wird ein kilometerlanger, vakuumisolierter Förderstrang notwendig - eine technische Herausforderung für die industriellen Partner.
Diese Partner müssen während der Bauphase ohnehin sehr flexibel sein. Beispielsweise steht noch nicht fest, ob das in der Tiefe gewonnene Heißwasser über die zentrale Leitung oder über den Ringraum zwischen Leitung und Bohrlochwand gefördert werden kann. „Diese Entscheidung können wir erst treffen, wenn wir die speziellen geologischen Daten dieser konkreten Bohrung kennen“, erläutert Kosinowski – also erst im kommenden Jahr. Stoßen die Wissenschaftler bereits bei einer Tiefe von bis zu 1.200 m auf einen ausreichend heißen Gesteinshorizont, werden sie das Kaltwasser durch den Ringraum in die Tiefe pressen und das Heißwasser durch die zentrale Leitung fördern. Kosinowski: „Wenn wir für unsere Heizzentrale weiter bohren müssen und in den Bereich der Tiefenzirkulation kommen, muss das Wasser wegen der Druckverhältnisse anders fließen: das Kaltwasser durch die zentrale Einpressleitung in die Tiefe, das Heißwasser durch den Ringraum nach oben. Die nächsten Monate werden also sehr spannend.“
Erprobt haben die Wissenschaftler dieses Einbohrloch-Zweischicht-Konzept in den vergangenen fünf Jahren bei der 4.100 m tiefen Forschungsbohrung Horstberg in der Südheide. Die guten Ergebnisse ermutigten das Geozentrum zum Bau des Geothermie-Heizwerks auf dem eigenen Gelände: Mit Hilfe eines Packers funktioniert die notwendige ständige Zirkulation zwischen den beiden Gesteinsebenen, auf denen das Wasser verpresst beziehungsweise entnommen wird, auch bei einer Bohrung; die hydraulische Kommunikation läuft durch die künstlichen Risse zwischen den Schichten. Bei einer angestrebten Fördertemperatur von 130 Grad und einem Zielwert von 2 MW thermischer Leistung, was laut Geozentrum etwa einem Jahreswärmeertrag von 10 GWh entspricht, reicht bereits eine Fließrate von rund 25 m³ pro Stunde aus. Die erheblichen Kosten für eine zweite Bohrung entfallen – was das Konzept für die Versorgung von Wohnvierteln oder mittleren bis großen Gebäudekomplexen wirtschaftlich macht. Das Geozentrum Hannover muss sich um die Finanzierung seiner neuen Energiequelle ohnehin keine großen Sorgen machen: Die notwendigen 15 Mio. € kommen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.