Heizen mit der Sonne
Neben der Solarthermie drängt inzwischen auch die Photovoltaik auf den Wärmemarkt. Das sorgt für Streit in der Sonnenenergie-Branche. Dabei kann eine solche Grundsatzdebatte nicht klären, welche Lösung für den jeweiligen Kunden optimal ist. Ein Blick auf die häufigsten Aussagen...
Strom ist zum Verheizen viel zu schade.
Diese These stammt aus den 1970er Jahren und ist inzwischen überholt. Als nach der Ölkrise 1973 die Energiekosten explodierten, kamen die bis dahin so beliebten Nachtspeicherheizungen in Verruf und parallel dazu das Heizen mit Strom. Grundsätzlich ist es zwar richtig, elektrische Energie als eine besonders edle Energieform zu sehen, da viele technische Einrichtungen auf sie angewiesen sind und sie praktisch verlustfrei in alle anderen Energieformen wie Kraft oder Wärme umgewandelt werden kann. Photovoltaikstrom vom eigenen Dach ist jedoch anders zu bewerten als Strom aus dem bestehenden deutschen Kraftwerkspark: Eigener Solarstrom entsteht ohne fossile oder nukleare Brennstoffe und fließt ohne Transportverluste vom Dach zur Heizung.
Aus Sicht des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) kann es sogar sinnvoll sein, für Niedertemperaturwärme – Heizung, Warmwasser, Prozesswärme – Strom aus Erneuerbaren zu nutzen: wenn auf Objektebene die Nutzung von erneuerbarem Strom in Wärmeanwendungen die wirtschaftlich günstigste Option ist oder wenn diese Nutzung eine Flexibilitätsoption für das Stromsystem darstellt. Denn während Speicherkapazitäten für Strom derzeit nur in begrenztem Umfang verfügbar seien und neue Stromspeicher- und Batterietechniken noch entwickelt würden, seien Möglichkeiten zur Wärmespeicherung bereits weit verbreitet. Auch bei Erneuerbare-Energien-Anlagen, die ansonsten abgeregelt werden müssten, kann dem Ifeu zufolge die Nutzung des Stroms in Wärmeanwendungen ein sinnvoller Weg sein – zumindest solange andere Anwendungsfelder für Stromüberschüsse wie beispielsweise die Elektromobilität oder andere Batteriespeicher noch nicht weit genug entwickelt beziehungsweise verbreitet sind.
Auch aus ökologischer Sicht haben die Ifeu-Forscher keine grundsätzlichen Bedenken. Entscheidend sei, welcher Strommix genutzt wird und wie sich dieser Strommix zukünftig entwickelt. Je mehr Strom aus Erneuerbaren im Strommix enthalten sei, umso geringer seien beispielsweise die CO2-Emissionen pro Energieeinheit. Und je schneller der Heizwärmebedarf von Gebäuden sinke, umso wahrscheinlicher sei es technisch, wirtschaftlich und ökologisch eine sinnvolle Option, bei deren Energieversorgung vollständig auf Strom zu setzen. Als weiteren Aspekt nennen die Wissenschaftler die Umwandlungseffizienz des jeweiligen Wärmeerzeugers – elektrische Speicherheizungen beispielsweise gehören demnach zu den ineffizientesten Technologien zur Raumwärmeerzeugung mit Strom, während energetisch betrachtet Wärmepumpen die beste Option darstellen.
Solarthermie ist für Wärmeanwendungen viel sinnvoller.
Sinnvoll ist, was aufs Dach und zum Gebäude passt. Die Solarthermie erzeugt Wärme ohne Strom-Umweg direkt aus dem Sonnenlicht, der Flächenwirkungsgrad liegt dabei etwa um den Faktor drei über dem der Photovoltaik. Die Solarthermie kann also pro Quadratmeter Kollektor- beziehungsweise Modulfläche mehr Kilowattstunden Wärme erzeugen als eine Photovoltaikanlage, die mittels Heizpatrone direkt an einen Pufferspeicher angeschlossen ist – ein Vorteil, wenn der Platz knapp ist. Der Vorteil schwindet, wenn die Photovoltaikanlage eine Wärmepumpe antreibt, die jede Kilowattstunde Strom im Schnitt in drei bis vier Kilowattstunden Wärme umwandelt. Und wenn der Platz auf dem Dach für eine entsprechend groß dimensionierte Photovoltaikanlage ausreicht, kann die Solarthermie angesichts der nach wie vor hohen Systempreise sogar ins Hintertreffen geraten.
Einfluss darauf, was sinnvoll ist, haben zudem die möglichen Temperaturen des Heizwassers. Diese müssen bei Bestandsbauten wegen der schlechteren Dämmung in der Regel höher ausfallen als in einem modernen Neubau mit Fußbodenheizung: Mit Solarthermie oder einer Heizpatrone lässt sich ein Pufferspeicher auf eine ausreichend hohe Temperatur aufheizen, nicht jedoch mit einer Wärmepumpe.
Hinzu kommt die Rolle der Jahreszeiten. Die meisten Solarkollektoren können im Winter nur einen Teil der benötigten Heizwärme liefern, oft laufen sie als Zusatzheizung beispielsweise zu einem Gaskessel. Auch bei einer Photovoltaikanlage – egal ob in Kombination mit einer Heizpatrone oder einer Wärmepumpe – muss im Winter in der Regel Energie zugekauft werden, sie kann jedoch ebenfalls mit Gas- oder Pelletheizungen kombiniert werden. Im Sommer wiederum liefern sowohl Solarthermie als auch Photovoltaik unter Umständen zeitweise mehr Energie, als vor Ort benötigt wird. Während sich Solarstrom jedoch neben Warmwasser für andere Eigenverbrauchsanwendungen nutzen oder ins Netz einspeisen lässt, ist der Überschuss von Solarwärmeanlagen nicht nutzbar – es sei denn, sie werden mit einer Sorptions-Klimaanlage kombiniert, die Wärme in Kälte verwandelt.
Photovoltaikstrom zu verheizen rechnet sich nicht.
Fraglich ist eher, was und wie gerechnet wird. Die Cent-Beträge je Kilowattstunde Wärmeenergie, mit denen zurzeit in vielen Diskussionen jongliert wird, sind Ergebnis stark vereinfachter Berechnungen und verwirrend bis irreführend. Beispielsweise werden die Heizwärmepreise von Gas und Öl mit sechs bis neun Cent angegeben – das sind aber allein die Kosten für die Energieträger, Ausgaben für Anschaffung und Wartung der Systeme und Speicher bleiben außen vor. Das Gleiche gilt für die Kombination von Photovoltaik und Wärmepumpe, der ein Wärmepreis von rund vier Cent zugeschrieben wird – also die entgangene Einspeisevergütung in Verbindung mit dem Effizienzhebel der Wärmepumpe. Bei der Solarthermie werden Wärmepreise zwischen 8 und 25 Cent genannt – dabei müsste der Wert gegen null gehen, da eine solche Anlage kaum Strom verbraucht und auch keine Einspeisevergütung wegfällt.
Welches System für das individuelle Gebäude angesichts der langen Lebenszeiten von Heizungssystemen ökonomisch die beste Lösung ist, hängt von vielen Parametern ab. Die Kosten für die verschiedenen Energieträger wie Öl, Gas, Biomasse und Strom spielen natürlich eine wichtige Rolle. Hinzu kommen aber auch die notwendigen Investitionen, also die Systempreise von Solarthermie und Photovoltaik sowie die Preise aller übrigen technischen Komponenten, die für Heizung und Warmwasser benötigt werden. Am wichtigsten ist daher die Situation des jeweiligen Bauherrn beziehungsweise Hausbesitzers.
Wenn neu gebaut wird oder beispielsweise im Zuge einer Kernsanierung ein komplett neues Heizsystem angeschafft und eingebaut werden muss, hängt die optimale Lösung von Typ und Lage des Gebäudes, dessen Nutzung und der Investitionsbereitschaft des Bauherrn ab. Wenn es um eine neue Vollheizung geht, ist eine Kombination von Wärmepumpe und Photovoltaik beispielsweise bei der Anschaffung deutlich teurer als die Kombination von Solarthermie und Gas-Brennwertkessel, aber billiger als Mini-Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung. Am billigsten ist die Kombination von Photovoltaik und Heizpatrone – und bei guter Dämmung, also minimalem Bedarf an Heizenergie, für die Wärmeversorgung unter Umständen ausreichend. Noch komplexer ist die Situation bei Bestandsgebäuden, deren Heizsysteme nach Zahlen der Agentur für Erneuerbare Energien zu vier Fünfteln auf Verbrennungstechnologien basieren. Mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach lässt sich zur Nutzung des Solarstroms einfach und günstig eine Heizpatrone in die bestehende Heizungsanlage integrieren oder der Solarstrom als Betriebsstrom für das Heizsystem verwenden. Die Nachrüstung einer Solarthermieanlage zur Warmwasserbereitung oder Heizungsunterstützung wiederum ist teurer, spart aber unter Umständen mehr Brennstoffe; eine Wärmepumpe bedeutet noch höhere Kapitalkosten bei noch stärker sinkendem Brennstoffverbrauch. Wie schnell sich die Investitionen amortisieren (und ob überhaupt), entscheiden also Art und Menge des individuellen Energiebedarfs.
Hinzu kommen die Auswirkungen politischer Entscheidungen, also die künftige Förderung verschiedener erneuerbarer Energien oder Energieeffizienzmaßnahmen. Hier ist bislang eins sicher: Die Schere zwischen Solarstrom-Erzeugungskosten beziehungsweise möglicher EEG-Vergütung auf der einen und den Haushaltsstromtarifen auf der anderen Seite geht immer weiter auseinander. Das macht es nicht nur attraktiv, sondern auch notwendig, möglichst viel Solarstrom direkt zu verbrauchen und nicht ins öffentliche Stromnetz einzuspeisen – erst recht, wenn die EEG-Förderung der einzelnen Anlage ausgelaufen ist oder es nach Erreichen des 52-Gigawatt-Deckels auch für Neuanlagen keine Förderung mehr geben wird.
Heizen mit Solarstrom entspricht nicht den rechtlichen Vorgaben für die Nutzung von erneuerbarer Wärme in neuen oder sanierten Gebäuden.
Auf Bundesebene stimmt das nicht, aber in den Ländern gibt es Unterschiede. Die EU-Staaten müssen bis Ende 2014 eine EU-Richtlinie in nationales Recht umsetzen, wonach bei neuen Häusern oder auch bei Gebäuden, die einer größeren Renovierung unterzogen wurden, erneuerbare Energien einen bestimmten Anteil der benötigten Wärme bereitstellen müssen. Mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) hat die deutsche Bundesregierung bereits einen Teil dieser Vorgaben erfüllt: Demnach muss in allen neuen Gebäuden sowie allen grundlegend renovierten öffentlichen Bauten ein bestimmter Anteil der erforderlichen Wärme durch erneuerbare Energien gedeckt werden – es sei denn, der Energiebedarf des Gebäudes liegt um mindestens 15 Prozent unter dem durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) geforderten Niveau des Primärenergiebedarfs oder das Gebäude wird von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung versorgt. Erneuerbare Wärme besteht jedoch nicht allein aus Solarthermie: Erneuerbare Energien im Sinne des EEWärmeG sind auch Biomasse, Geothermie und Umweltwärme (also Wärmepumpen) – sowie „die durch Nutzung der Solarstrahlung zur Deckung des Wärmeenergiebedarfs technisch nutzbar gemachte Wärme (solare Strahlungsenergie)“, was die Photovoltaik nicht explizit ausschließt. Die deutschen Länder und teilweise die Kommunen können Bauherren und Hausbesitzern weitere Vorgaben zur Nutzung erneuerbarer Wärme machen. Aber auch auf diesen Ebenen wird nirgendwo die Solarthermie zwingend vorgeschrieben. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz von Baden-Württemberg beispielsweise lässt ebenfalls Geothermie, Biomasse und Umweltwärme zu. Die Nutzung solarer Strahlungsenergie entspricht allerdings nur dann dem Wärmegesetz des Landes, wenn sie ohne vorangegangene Umwandlung in elektrische Energie verwendet wird – damit entfällt die Kombination einer Photovoltaikanlage mit einer Direkt- oder Speicherheizung oder mit einer Heizpatrone. Die Kombination mit einer Wärmepumpe wäre jedoch zulässig, da das unter die Nutzung von Umweltwärme fällt.
Die umstrittene (und letztlich nicht realisierte) Satzung der Universitätsstadt Marburg zur verbindlichen Nutzung der Solarenergie in Gebäuden legte zwar den Schwerpunkt auf solarthermische Anlagen, ließ aber in der überarbeiteten Fassung von 2010 Alternativen zu, um die Vorgaben zur Nutzung erneuerbarer Energien zu erfüllen: Neben Kraft-Wärme-Kopplung, Geothermie und Wärmepumpen führte die Marburger Solarsatzung explizit Photovoltaikanlagen auf.
Jetzt machen sich Photovoltaik und Solarthermie Konkurrenz.
Einen Markt ohne Konkurrenz gibt es nicht. Kunden wollen bei Investitionsgütern erfahrungsgemäß keine Produkte kaufen, sondern Lösungen – Hausbesitzer also in erster Linie Strom und Wärme, im Idealfall auf Basis erneuerbarer Energien und entkoppelt von den Preisschwankungen auf dem Energiemarkt. Der Baukasten für diese Lösungen ist groß – Solarthermie, Photovoltaik, Wärmepumpen, Pelletanlagen, Holzvergaser, Kraft-Wärme-Kopplung. Etliche Systeme können inzwischen sowohl Strom als auch Wärme liefern, grundsätzlich lassen sich zudem alle miteinander kombinieren. Und eine Faustregel, welche Variante für die Energieversorgung die beste ist, kann es angesichts der vielen zu beachtenden Faktoren nicht geben. Da ist es nur logisch, dass sich die Konkurrenz der verschiedenen Systeme zur Nutzung erneuerbarer Energien auch auf Photovoltaik und Solarthermie erstreckt.
Wer diese Konkurrenz im Einzelfall für sich entscheidet, hängt allerdings nicht allein von rationalen Argumenten ab. Ein Kunde mit einem Faible für Photovoltaikanwendungen wird für solarthermische Lösungen kein offenes Ohr haben. Und ein Kunde, der sich mehr dafür interessiert, dass sein Heizungssystem funktioniert, als wie es das tut, wird sich für die passende Lösung auf seinen Installateur verlassen. Das ist übrigens ein Trend, den etliche Solartechnik-Händler bereits jetzt bei Neubauten und Sanierungen beobachten: Was verbaut wird, entscheidet letztendlich der Installateur – und das vor allem auf Grundlage persönlicher Erfahrungen und Präferenzen.