Mission Energie
Die Bundeswehr ist auf „mission E“. Ziel: den Verbrauch von Wärme und Strom senken, den Anteil erneuerbarer Energien steigern. Investitionen in Photovoltaikanlagen sowie die Verpachtung geeigneter Flächen sind Teil der Strategie...
1,3 Milliarden Kilowattstunden Strom, 4,7 Milliarden Kilowattstunden Heizenergie, zwei Millionen Tonnen CO2– zu dieser ernüchternden Energiebilanz kam die Bundeswehr im Jahr 2005. Hinter den Zahlen verbirgt sich ein doppeltes Problem. Zum einen belasten die Ausgaben für Strom und Wärme den ohnehin angespannten Etat, 2005 beispielsweise mit gut 300 Millionen Euro. Zum anderen fühlt sich die Bundeswehr besonders verantwortlich für die staatlichen Klimaschutzziele. Immerhin ist sie mit ihren rund 350.000 militärischen und zivilen Angehörigen auf rund 1.600 Liegenschaften die größte staatliche Einrichtung der Bundesrepublik. Ein doppeltes Ziel hat das Verteidigungsministerium (BMVg) daher für das Jahr 2020 ausgegeben: 40 Prozent weniger CO2, 20 Prozent Erneuerbare im Energiemix. Die Reaktion auf ein doppeltes Problem und ein doppeltes Ziel: eine doppelte Strategie – investieren und sparen.
Vorreiterin bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist die Wehrbereichsverwaltung (WBV) Ost, die für die Länder Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zuständig ist. „Für die Maßnahmen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien geben wir im Zuständigkeitsbereich der WBV Ost bis zum Jahr 2010 rund 13 Millionen Euro aus“, sagt Baudirektor Heiko Eisen, Dezernatsleiter für Regionale Infrastrukturangelegenheiten. „Das betrifft 15 Photovoltaikanlagen, vier Solarthermieanlagen und eine Geothermieanlage.“ Fünf PV-Projekte sind bereits in Betrieb: Auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz (Sachsen) und dem Gelände der Kurmark-Kaserne Storkow (Brandenburg) erzeugen zwei Photovoltaikanlagen bereits seit 2007 Strom, 2008 folgten Anlagen in der Sachsen-Anhalt-Kaserne in Weißenfels sowie in der Hans-Joachim-von-Zieten-Kaserne in Beelitz (Brandenburg). Ende Mai nahm eine Anlage im brandenburgischen Strausberg den Betrieb auf.
Mit dem Ertrag der bereits laufenden Anlagen ist Heiko Eisen bislang sehr zufrieden. „Wir haben bei jedem Standort die Rahmenbedingungen geprüft und eine Machbarkeitsstudie erstellt – diese gute Planung zahlt sich jetzt aus.“ Um die Leistung zu optimieren, kommen außerdem überwiegend horizontal nachgeführte Anlagen zum Einsatz. Technik, die bei Beschäftigten und Besuchern der Standorte auf großes Interesse stößt. „Wir haben jede Anlage mit einer großen Anzeigetafel ausgestattet. So sind alle Leistungsdaten immer sichtbar.“
Bei den Photovoltaikanlagen legt die Behörde ein beachtliches Tempo vor: Neun weitere Anlagen sind auf dem Gebiet der WBV Ost derzeit im Bau, eine ist noch in der Planung. Bis Ende 2010 sollen alle Anlagen in Betrieb sein – mit insgesamt knapp 1,2 Megawatt Leistung. Möglich macht diesen Investitionsschub ein 120 Millionen Euro schweres Sonderprogramm der Bundesregierung mit der Bezeichnung „Energetische Sanierung von Bundesgebäuden“.
Vorteil für die Bundeswehr: Die Anlagen belasten nicht den eigenen Etat. Kleiner Nachteil: Der erzeugte Strom wird nicht ins Netz eingespeist, der Bundeswehr fließt also keine Einspeisevergütung zu. „Wir können nicht mit Steuergeldern Photovoltaikanlagen kaufen und dann noch eine Vergütung für damit erzeugten Strom kassieren, das wäre eine Doppelfinanzierung“, sagt Hans Titze vom Referat Liegenschaftsbetrieb und -technik des BMVg. Stattdessen verbrauchen die Standorte den Solarstrom selbst, was aber auch eine vorteilhafte Lösung sei. „Dadurch müssen sie weniger Netzstrom kaufen und schonen so den Verteidigungshaushalt.“
Auch im übrigen Bundesgebiet finden sich Photovoltaikanlagen auf Bundeswehrgelände, allerdings werden sie nicht von der Bundeswehr betrieben. Auf mehreren Gebäuden der Richthofen-Kaserne im niedersächsischen Wittmund beispielsweise hat die Kölner Wattner AG eine Ein-Megawatt-Anlage realisiert, dafür wurden auf 35 Dächern 6.000 Solarmodule installiert. Geschäftsgrundlage ist ein Public Private Partnership (PPP): Die Bundeswehr stellt für 20 Jahre die Dächer zur Verfügung, als Gegenleistung renoviert Wattner – statt einen Pachtzins an das Geschwader zu zahlen – die Gebäude. „Vor allem die Wärme-Isolierung soll in den kommenden Jahren verbessert werden“, sagt Ralf Wiemann von der Wehrbereichsverwaltung Nord. Dafür geht Wattner in Vorleistung: Das Unternehmen investiert den jährlichen Pachtzins von 12.500 Euro im Zuge der ersten Baumaßnahmen für fünf Jahre im Voraus. „Mit diesem Projekt leisten wir Pionierarbeit in Deutschland“, sagt Wattner-Vorstand Ulrich Uhlenhut. „Unsere Zusammenarbeit mit der Bundeswehr kann wegbereitend für viele weitere Projekte dieser Art sein.“
„Das ist für uns natürlich ein gute Sache“, sagt Oberstleutnant Gerhard Roubal, der Kommodore am Standort. Der Sanierungsbedarf vor allem der Dächer sei groß, aber das Budget für notwendige Arbeiten nur klein. „Wir bekämpfen meist nur die Symptome.“ Da kommen die zusätzlichen Gelder aus dem Pachtzins für Solaranlagen oder entsprechende Sachleistungen gerade recht.
Auch im bayerischen Kaufbeuren hat die Bundeswehr einen Teil ihres Standortes für den Betrieb einer Photovoltaikanlage verpachtet: Bereits 2004 baute die Windwelt AG auf 56.000 Quadratmeter Wiese des dortigen Fliegerhorstes eine Zwei-Megawatt-Anlage und verkaufte sie kurz darauf an die GLS Bank. Die Grundstücksflächen wurden laut BMVg für die Dauer von 20 Jahren fest verpachtet, hinzu kommen zwei Optionen von jeweils weiteren fünf Jahren. Der jährliche Pachtzins beträgt 18.000 Euro – deutlich mehr, als die Bundeswehr mit der Verpachtung der Wiesen als Weideflächen an interessierte Landwirte erlösen kann. Die Suche nach geeigneten Geschäftspartnern geht die Bundeswehr jetzt systematisch an: Die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb (g.e.b.b.) hat derzeit den Auftrag, für die rund 1.200 als struktursicher eingestuften, also nicht von Schließung bedrohten Liegenschaften der Bundeswehr das Potenzial auszuloten und geeignete Modelle zu entwickeln.
„Aber es geht nicht nur darum, Geld zu sparen oder einzunehmen“, betont Titze. „Es geht auch um den Umweltschutz und das Einsparen von CO2.“ Seit 2006 ist die Bundeswehr auf „mission E“; das E steht dabei für Energie, Effizienz, Einsparung, Emission und Engagement. Idee der Kampagne: Alle Angehörigen der Bundeswehr können im täglichen Leben – in der Kaserne und zu Hause – Energie sparen, ohne auf Komfort zu verzichten.
Hans Titze gilt als einer der Väter des Konzepts. Für ihn sind Versuche des Ministeriums, den Energieverbrauch der Truppe zu senken, nichts Neues. Entsprechende Anstrengungen gab es bereits zwischen 2000 und 2004. „Vor allem die Prämierung erfolgreicher Dienststellen brachte damals die Aktivitäten der Truppe in Schwung“, sagt Titze. „Aber wenn wir ausschließlich durch Prämiensysteme motivieren wollen, lassen wir eine große Chance ungenutzt. Denn am meisten Erfolg versprechen wir uns von der Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit.“
Für diese Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit holten sich das BMVg und das Bundesamt für Wehrverwaltung einen Partner ins Boot: die Energieagentur NRW. Denn bei der „mission E“ geht es nicht nur um bauliche und technische Maßnahmen, sondern auch um eine bessere Organisation diverser Abläufe und um energiebewusstes Verhalten. Aktionswochen, Seminare und Workshops, Broschüren, Newsletter und Poster sollen den Beschäftigten helfen, Energie und damit Geld zu sparen, sowohl im Dienst als auch zu Hause.
Für die Bundeswehr hat sich die Kampagne nach Zahlen der Energieagentur NRW bereits ausgezahlt: 2008 war der Verbrauch von Strom und Heizenergie bereits 1,5 Milliarden Kilowattstunden niedriger als 2005, 400.000 Tonnen CO2wurden seitdem vermieden – und Energiekosten in Höhe von rund 107 Millionen Euro gespart.
Photovoltaikanlagen im Bereich der WBV Ost | |||
---|---|---|---|
in Betrieb | Investition | Anlagentyp | Nennleistung |
Truppenübungsplatz Oberlausitz (Kommandantur) | 745.000 € | horiz. nachgeführt | 102 kWp |
Kurmark-Kaserne Storkow | 600.000 € | horiz. nachgeführt | 70,5 kWp |
H.-J.-v.-Ziethen-Kaserne Beelitz | 600.000 € | horiz. nachgeführt | 70,5 kWp |
Sachsen-Anhalt-Kaserne Weißenfels | 665.000 € | Freiflächenanlage | 111,5 kWp |
WBV Ost Strausberg | 525.000 € | horiz. nachgeführt | 70,5 kWp |
im Bau | |||
Fläming-Kaserne Brück | 600.000 € | horiz. nachgeführt | 70,5 kWp |
Henne-Kaserne Erfurt | 600.000 € | horiz. nachgeführt | 70,5 kWp |
Altmark-Kaserne TrÜbPl Altmark | 600.000 € | horiz. nachgeführt | 102 kWp |
Clausewitz-Kaserne Burg | 850.000 € | horiz. nachgeführt | 102 kWp |
Elb-Havel-Kaserne Havelberg | 850.000 € | horiz. nachgeführt | 102 kWp |
Pionier-Kaserne Gera | 600.000 € | horiz. nachgeführt | 70,5 kWp |
Fw-Boldt-Kaserne HUD Delitzsch Geb. 5 | 755.000 € | Dachinstallation | 50 kWp |
Fw-Boldt-Kaserne HUS Delitzsch Geb. 6 | 755.000 € | Dachinstallation | 50 kWp |
General-Olbricht Kaserne Leipzig | 600.000 € | horiz. nachgeführt | 70,5 kWp |
in Planung | |||
AIK Strausberg | 680.000 € | Dachinstallation | 80 kWp |
Quelle: WBV Ost |