Mobiler Strom für unterwegs
Ubitricity setzt für Elektrofahrzeuge auf Systemsteckdosen statt auf Ladesäulen. Die notwendige Zähl- und Kommunikationselektronik steckt im Ladekabel oder im E-Mobil selbst...
Für Knut Hechtfischer liegt die Geschäftsidee sozusagen in der Luft. „Wenn man mehr E-Mobile auf die Straße bringen will, braucht man eine gute Ladeinfrastruktur – die aber hat bislang ein Kostenproblem“, sagt der Co-Gründer des Berliner Startups Ubitricity. Das will das bereits 2007 gegründete Unternehmen ändern. Strom ist überall, also soll auch das Laden überall möglich sein, so ähnlich wie man via Smartphone überall Zugang zur Datenwelt hat. Der Unternehmensname ist Programm: Ubitricity kommt von Ubiquität und Elektrizität – also für nicht an einen Standort gebundene Energie. Für diesen Ansatz, der das noch aus fossilen Zeiten stammende Prinzip der Extra-Fahrt zur Tankstelle aufbricht, erhielt das Unternehmen den pv magazine award in der Kategorie „top innovation“.
Zwei Dinge muss ein Ladepunkt für ein Elektrofahrzeug leisten: Strom bereitstellen und diesen abrechnen. Beides muss am Ladepunkt jedoch nicht in einem Gerät stattfinden. Kernidee von Ubitricity ist der Einsatz mobiler Stromzähler und Mobilfunktechnik im Ladekabel oder im Elektrofahrzeug selbst. Gemessen, abgerechnet und kommuniziert wird also nicht über einen an den Ladepunkt gebundenen Zähler, wie es bei konventionellen Stromtankstellen der Fall ist: Statt dessen steckt die Technologie zur Steuerung des gesamten Ladevorgangs – von der Ladefreigabe und Verbrauchsmessung bis zur Übermittlung der Verbrauchsdaten für die Rechnungserstellung – in dem intelligenten Kabel. Der Ladepunkt selbst ist eine vergleichsweise dumme Systemsteckdose. Es handelt sich um spezielle, aber technisch einfache Steckdosen, die nicht nur in Wände, sondern auch in Masten von Straßenlaternen eingebaut werden können, was die Kosten für die Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum zusätzlich senkt.
Vorteil für die Fahrer: Sie laden überall auf eine Rechnung und können ihren persönlichen Stromtarif dank des smarten Kabels zu den Ladepunkten mitbringen. Das Kabel ist zudem laut Ubitricity kompatibel zur Standardladeinfrastruktur von Drittanbietern, so dass nur ein intelligentes Kabel für alle Ladepunkte benötigt wird – allerdings gelten in dem Fall die Stromtarife des jeweiligen Anbieters. Und: Parkzeiten werden optimal als Ladezeiten genutzt, Fahrten zur Tankstelle hinfällig. Problem: Die Herausforderungen bei solchen Projekten ist groß, da der Ansatz neu und ungewohnt für das stark regulierte Stromnetz ist – entsprechend viel Überzeugunsarbeit muss Ubitricity leisten. Investoren mögen die Idee des Unternehmens, das zurzeit rund 40 Beschäftigte hat: Ubitricity hat in mehreren Finanzierungsrunden über zehn Millionen Euro eingesammelt, unter anderem vom Bundeswirtschaftsministerium und dem VC Fonds der Investitionsbank Berlin, dem Wagniskapitalfonds Earlybird Venture Capital, dem Unternehmer Heinz Dürr sowie EDF Deutschland.
Aktuell erweitert die Berliner Firma ihr System um das solargeführte Laden als weitere Verknüpfung von Ökostrom und E-Fahrzeugen: Die Vernetzung des Einspeisezählers einer Photovoltaikanlage mit dem Smartcable ermöglicht das gesteuerte Beladen des Wagens. Grundlage ist die aktuelle Einspeiseleistung der Solaranlage, nicht der Standort – so soll bald der Strom aus der heimischen Solaranlage auch am Arbeitsplatz geladen werden können. Außerdem: E-Mobile stehen nur dann dem Netz als regelbare Verbraucher oder Speicher optimal zur Verfügung, wenn sie möglichst während jeder längeren Parkzeit smart mit dem Netz verbunden werden können. Konventionelle Ladesäulen sind dafür nach Meinung von Ubitricity flächendeckend zu teuer.
Nicht nur in Berlin und London wird die Technik getestet, sondern auch in Hamminkeln, Iserlohn und Bensheim. Ein kompletter Ladevorgang für einen Laternenparker dauert im Mittel fünf Stunden. Entgegen landläufiger Meinung sind Straßenlaternen eine gute Anschlussstelle für die Systemsteckdosen – nicht nur, weil man in der Regel darunter gut parken kann. Wenn die städtische Beleuchtung direkt im Verteilnetz betrieben wird, sind die Masten meist redundant angebunden. In vielen Städten liegt sogar in jeder Laterne eine dauerbestromte Phase als Reserve. Und wenn das Beleuchtungsnetz zwar mehrphasig ausgelegt aber zentral geschaltet ist, also tagsüber nicht mit Strom versorgt wird, besteht oft die Möglichkeit, eine Phase von der Beleuchtung zu befreien und mit Dauerstrom für die Systemsteckdosen zu versorgen.
Stadtwerke gehören zu den ersten Ubitricity-Interessenten. Diese wollen ihren Kunden ermöglichen, ihre E-Mobile an vielen Orten aufzuladen, und stellen ihnen dafür sogar das intelligente Ladekabel zur Verfügung. Ubitricity hat aber auch Firmenflotten im Blick: Dank des mobilen Abrechnungssystems können die Mitarbeiter die Autos auf dem Firmenparkplatz, zuhause oder unterwegs aufladen, und die Firma bekommt für jedes Fahrzeug eine verbrauchsgenaue Abrechnung.
Knut Hechtfischer ist sicher, dass die Zahl der E-Autos spätestens ab 2017 sprunghaft steigen wird: Die Batterien und mit ihnen die Reichweiten der Fahrzeuge werden immer besser, zugleich sinken die Kosten. Und: „Wenn das System einfach ist und überall verfügbar, dann setzt sich Elektromobilität auch in Deutschland bald durch.“