Stoff mit Fingerabdruck
Transparenz und Nachhaltigkeit sind zentrale Forderungen an den Rohstoffsektor. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) erprobt im Kongo zertifizierte Prozessketten, um den legalen vom illegalen Handel zu trennen...
Sie trieben Hollywood-Star Leonardo DiCaprio durch den afrikanischen Dschungel und ließen Tatort-Kommissare ermitteln: Blutdiamanten, meist illegal geschürfte Steine aus Bürgerkriegsregionen, mit deren Erlös die beteiligten Parteien ihre Kämpfer ausrüsten und finanzieren. Lange vor den Drehbuchautoren war die Industrie auf das Problem aufmerksam geworden. Mehrere Diamanten produzierende Länder beschlossen im südafrikanischen Kimberley, die vier Kriterien der Diamantenbewertung – Carat, Clarity, Colour, Cut – um ein fünftes C zu ergänzen: Conflict. Seit 2003 ist der Kimberley-Prozess offiziell in Kraft; es dürfen nur noch solche Diamanten gehandelt werden, für die Herkunftszertifikate des Förderlandes vorliegen.
Dagegen liegt der Ursprung vieler anderer Rohstoffe im Dunkel. Bei Diamanten, Gold oder Tropenhölzern führte der Druck der Konsumenten zu mehr Transparenz. Rohstoffe, die in den Endprodukten kaum sichtbar sind, schaffen es nicht über diese Aufmerksamkeitsschwelle – obwohl auch ihre Herkunft oft problembeladen ist, wie der Resource Conflict Monitor des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC) zeigt.
Diese Verknüpfung von Rohstoffen und Gewalt hat die Politik auf den Plan gerufen. Während beim G8-Gipfel in Heiligendamm Einigkeit darüber herrschte, wie wichtig ein transparenter und nachhaltiger Rohstoffhandel für Produzenten sowie Abnehmer ist, hatte das Bundeswirtschaftsministerium bereits die BGR mit der Entwicklung geeigneter Instrumente beauftragt. Ergebnis ist ein Konzept zur Zertifizierung von Hightech-Rohstoffen aus Krisenregionen, das auf zwei Säulen ruht: der Transparenz der Prozesskette und dem jedem Erz eigenen geochemischen Fingerabdruck. Den Praxistest erlebt das Konzept gerade im Kongo. In den kommenden zwei Jahren soll in der Provinz Süd-Kivu ein Zertifizierungsschema für Coltan etabliert werden.
Staat und Stoff sind ideal für das BGR-Konzept, das vor allem auf den meist völlig unregulierten Kleinbergbau zielt. Der industrielle Bergbau, der weltweit rund 7 Mio. Menschen beschäftigt, arbeitet bereits überwiegend nach eigenen Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards. Im Kleinbergbau arbeiten weltweit rund 15 Mio. Menschen; Wissenschaftler schätzen, dass insgesamt sogar 100 Mio. Menschen existenziell davon abhängig sind. Allein in der Demokratischen Republik Kongo soll es 2 Mio. handwerklich arbeitende Bergleute und rund 10 Mio. vom Kleinbergbau abhängige Menschen geben – rund 20 % der Gesamtbevölkerung. Diese haben bisher je nach Rohstoff zwischen 80 und 100 % der gesamten kongolesischen Produktion gefördert. Während des Bürgerkrieges kontrollierten Milizen den Sektor, besonders beim lukrativen Coltan. Die UN forderte daraufhin einen Importstopp, erreichte aber vor allem eine Zunahme des Schmuggels – und dass Coltan aus ganz Afrika in Verruf geriet. Die deutsche Firma H.C. Starck beispielsweise, Weltmarktführer bei der Verarbeitung von Tantalerzen, stellte damals ihre Coltan-Einkäufe in Zentralafrika ein.
Eine Zertifizierung nach dem Modell der BGR erlaubt die Unterscheidung von legalem und illegalem Handel. Ein Auditor überprüft dafür den Rohstoffproduzenten und achtet auf die Einhaltung von Mindeststandards bei Gewinnung und Handel. Denn anders als beim Kimberley-Prozess, der sich auf die Handelskette konzentriert, umfasst das BGR-Konzept auch technische Vorgaben an die Förderung. „Ein artisanaler Bergbau, bei dem jeder allein vor sich hin gräbt, ist einfach nicht effizient und daher für industrielle Partner nicht interessant“, begründet Nicola Martin (BGR) diesen Ansatz. „Der Ausbringungsgrad ist zu schlecht, und zu manchen Lagerstätten wird unter Umständen der Zugang verbaut.“
Daher sollen die industriellen Abnehmer die Produzenten mit langfristigen Verträgen und Knowhow-Transfer unterstützen. Ziel ist eine Win-Win-Situation über den ethischen Aspekt hinaus: Für den Anbieter verbessern sich Produktionsbedingungen und Marktzugang, die Abnehmer bekommen einen direkten Zugang zu einem bislang nicht legal erschlossenen Teil der Weltproduktion sowie verlässliche Lieferquellen in neuen Regionen. Und auch der Staat profitiert, wenn sich der informelle Sektor ordnet und stabilisiert.
Bei Lieferungen fragwürdiger Herkunft kommt der geochemische Fingerabdruck ins Spiel. Bei Coltan sind die Experten sicher, dank verschiedener Parameter auch relativ kleinräumige Liefergebiete klar abgrenzen zu können. Routineüberprüfungen der Frachten sind zu aufwändig und zu teuer, aber, so Nicola Martin, „als forensisches Instrument ist das Laborverfahren ideal“. Die Industrie steht dem BGR-Konzept, das sich auf weitere mineralische Rohstoffe wie Zinn oder Wolfram übertragen lässt, positiv gegenüber. Das gilt für Verarbeiter von Tantalerzen ebenso wie für Unternehmen der Branchen Telekommunikation und Informationstechnologie, die am Ende von langen bis sehr langen Lieferketten produzieren. Motorola, Vodafone, Intel, Nokia oder Ericsson beispielsweise verlangen von ihren Lieferanten seit Jahren die Zusicherung, keine aus illegalem Abbau im Kongo stammenden Rohstoffe zu verwenden, konnten das jedoch bislang ohne einen allgemein akzeptierten Standard nicht kontrollieren. Eine Zertifizierung würde das ändern. Denn auch, wenn der Verbraucher bei Laptop und Handy nicht so sensibel ist wie beim Diamantcollier: Blutcoltan sollen die Geräte nicht enthalten.
Coltan bezeichnet das Erz Columbit-Tantalit, auch Niobit-Tantalit genannt. Der Begriff ist ein Slang-Wort aus Afrika, wird aber inzwischen weltweit verwendet. Mehr als die Hälfte des industriell genutzten Coltans kommt derzeit aus Australien, doch 80 % der Weltvorräte werden in Afrika vermutet – davon noch einmal 80 % in der Demokratischen Republik Kongo. Coltan enthält das Metall Tantal, das vielfältig verwendet wird: für leistungsstarke Chips und Kondensatoren von Computern und Handys, für karbidhaltige Werkzeug- und Schneidstähle, für Superlegierungen, für Komponenten in der chemischen Prozessindustrie, für Nuklearreaktoren, für Raketenteile, für medizinische Instrumente und Implantate. Tantaloxid wird für Spezialgläser mit einer hohen Brechzahl verwendet (beispielsweise Kameralinsen), Tantalpentoxid zur Herstellung hochlichtbrechender Gläser und spezieller Kristallmaterialien. Niob, ein weiterer Inhaltsstoff, verhält sich chemisch ähnlich wie Tantal. Es ist supraleitend und dient vor allem als Legierungszusatz für rostfreie Stähle, Sonderedelstähle und Nichteisenlegierungen.