Uran - spaltender Stoff
Kernenergie wird im Zuge der Klimadebatte wieder salonfähig, sie gilt als CO2-freie und damit saubere Energiequelle. Der dafür notwendige Uranbergbau sorgt jedoch für ökologische Probleme...
„Niemand von uns wusste damals etwas über Radioaktivität“, sagt Almoustapha Alhacen. Damals, das war das Jahr 1968, als der französische Nuklearkonzern Areva in Niger die erste Uranmine in Betrieb nahm. Alhacen ist nigrischer Tuareg, 1978 heuerte er als 18-Jähriger bei Areva an. Jahrelang hatte Alhacen keine Ahnung, womit er täglich hantiert – und mit ihm die anfangs etwa 8.000 Arbeiter. „Viele aßen und schliefen in den Minen“, erzählt er. „Oder sie gingen, da es keine Arbeitskleidung gab, in ihren mit radioaktivem Staub belasteten Kleidern nach Hause zu ihren Familien.“
Alhacen arbeitet bis heute für Areva, nach mehreren Jahren als Maschinenprüfer inzwischen in der Abteilung Radioaktivitätsmessung. Gleichzeitig gehört er zu den schärfsten Kritikern des Uranabbaus in Niger. Aus mehreren Gründen: Nach wie vor gebe es kaum Aufklärung über Arbeitssicherheit und Strahlenschutz, nicht genügend Masken und Dosimeter. Die Abraumhalden seien nicht abgesperrt, durch Staub und Wind gelange Radioaktivität in Stadt und Umland. Und an diversen Wasserstellen überschreite das Trinkwasser die international empfohlenen Radioaktivitätsgrenzwerte. Areva betreibt inzwischen bei Arlit zwei Uranminen, baut seit Anfang Mai eine dritte – und bestreitet die Vorwürfe. Die aber kommen nicht nur aus der Öko-Ecke: Frankreichs staatliches Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN) fordert seit 2005, als die Behörde die Gegend um Arlit untersuchte, ein besseres Monitoring der Strahlenbelastung: bei den Anwohnern, bei der vor Ort produzierten Kamel- und Ziegenmilch sowie – abhängig von der Windrichtung – an Messpunkten in der Umgebung. Es sei notwendig, so der Abschlussbericht, den Grad der Belastung „akkurat und realistisch“ zu erfassen.
Trotz seiner Kritik: Die Schließung der Minen ist nicht Alhacens Ziel. Statt dessen hat er die Organisation Aghirin’man (Schutz der Seele) gegründet und engagiert sich für bessere Arbeitsbedingungen. Damit ist er nicht allein. „Die Förderung von Uran kann nie sauber sein, aber weniger schädlich“, meint Bertchen Kohrs, Sprecherin der namibischen Umweltschutzorganisation Earthlife. In der Namib-Wüste liegt mit der 1976 in Betrieb genommenen Mine Rössing der größte Uran-Tagebau der Welt, eine weitere Mine nahm 2007 im Naturschutzpark Naukluft die Arbeit auf. Auch Kohrs berichtet von Problemen: von Mängeln beim Arbeitsschutz, fallenden Grundwasserpegeln und ausgasendem Radon, von Chemikalien und radioaktiven Partikeln, die vom Regen aus den Abraumhalden geschwemmt oder vom Wind im Land verteilt werden.
„So etwas wie eine unbedenkliche Strahlendosis gibt es nicht“, sagt Bertchen Kohrs. Die US-amerikanische National Academy of Sciences (NAS) gibt ihr Recht: In einer Meta-Studie zu Biologischen Effekten Ionisierender Strahlung (BEIR-Report) haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass auch die geringste Strahlendosis die Gefahr von Krebserkrankungen und genetischen Schäden erhöht. Und ein spezielles Problem des Uranbergbaus hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) anhand der Daten von 59.000 ehemaligen Beschäftigten der deutschen Wismut untersucht. „Das radioaktive Edelgas Radon erhöht nicht nur deutlich das Risiko für Lungenkrebs. Radon kann auch das Risiko geringfügig erhöhen, an anderen bösartigen Tumoren zu sterben“, sagt BfS-Sprecher Werner Nording. Seine Behörde weist noch auf ein weiteres Risiko hin: „Als Schwermetall wirkt Uran ähnlich wie Blei oder Quecksilber chemotoxisch.“ Bertchen Kohrs ärgert sich, dass Uranunternehmen trotzdem viele Krankheiten und Todesfälle unter den Beschäftigten einfach auf deren schlechten Lebensstil schieben – oder auf AIDS. Eine Argumentation, die anderswo nicht funktioniert: In Deutschland bekamen über 5.000 ehemalige Wismut-Bergarbeiter, die an Lungenkrebs erkrankt waren, eine Entschädigung.
Nach Zahlen des Bundesamtes für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) brauchen die derzeit 439 Kernkraftwerke weltweit pro Jahr etwa 68.000 Tonnen Uran. Die Suche nach neuen Quellen läuft auf Hochtouren, vor allem in Afrika: In Niger wurden in den vergangenen zwei Jahren 120 Explorationslizenzen für Uran vergeben, in Namibia suchen 21 Unternehmen nach neuen Standorten. Hinzu kommen Aktivitäten etwa in Tansania, Malawi und Südafrika. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bemüht sich angesichts dieser Entwicklung um Schadensbegrenzung. „Beim Uranbergbau ist Vorbeugen besser und billiger als Heilen“, sagt IAEA-Uranspezialist Jan Slezak. Speziell in Afrika, Zentralasien und Lateinamerika fördert die Organisation daher den Wissens- und Technologietransfer: mit Konferenzen und Workshops, Beratungsangeboten und Expertenteams vor Ort – sofern der jeweilige Staat das wünscht.
Afrika hat eine lange Tradition als Uranquelle, schon das Uran für die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki stammte aus dem Kongo. „Die Bergbauindustrie konzentriert sich auf die armen Länder, wo weniger Widerstand von Politik und Bevölkerung zu erwarten ist“, meint Günter Wippel vom deutschen Uranium-Network. Und in den Staaten, in denen die Kernkraftwerke stehen, werde die Frage der Endlagerung als wichtiger empfunden, da diese vor der eigenen Haustür stattfinde. Deutschland könnte noch lange dazu gehören: EnBW-Vorstandschef Hans-Peter Villis beispielsweise würde nichts lieber tun, als ein Kernkraftwerk bauen oder sich an einem beteiligen. Für ihn ist Kernenergie „keine Übergangstechnologie, sondern Teil eines wirtschaftlich sinnvollen und umweltverträglichen Energiemixes“. Er baut darauf, „dass nach der Bundestagswahl über die Problematik neu nachgedacht wird.“