Vorsicht vor dem Bumerang
Smarte Technik trägt in Gebäuden zu einer besonders effizienten Nutzung von Energie bei. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass insgesamt der Einsatz von Wasser, Strom und Wärme sinkt. Schuld ist der Rebound-Effekt.
Zwei Hebel gelten als wesentlich für die Energiewende: der Ausbau der Erneuerbaren und die Senkung des Verbrauchs. Eine bessere Energieeffizienz gilt als ideales Instrument für diese Senkung, da sie eine Einsparung von Primärenergie ohne Einschränkung der Lebensqualität verspricht. Hier setzt auch das Smart-Home-Konzept an, das dank Vernetzung und intelligenter Technik ohne Komfortverlust zu einer besonders effizienten Nutzung von Wärme, Strom, und Wasser beitragen soll – und damit zu einem geringeren ökologischen Fußabdruck.
Was nach einer einfachen Rechnung klingt, geht in der Praxis jedoch nicht immer auf. Denn während die smarte Technik auf der einen Seite beispielsweise deutliche Einsparungen bei der Heizenergie ermöglicht, steigert sie auf der anderen Seite den Stromverbrauch – und zwar umso stärker, je ausgeprägter die Vernetzung ist. Das zeigt eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Verbraucherzentrale NRW. Unterm Strich fällt demnach die Entlastung sowohl beim Energiebedarf als auch in der Haushaltskasse häufig deutlich geringer aus als erhofft.
Dass Energieeinsparungen durch Effizienzsteigerung nicht wie erwartet eintreffen, nennen Fachleute Rebound-Effekt. Dabei findet die geplante Einsparung entweder gar nicht oder nur teilweise statt, im ungünstigsten Fall kommt es sogar zu einem Mehrverbrauch. Der sogenannte indirekte Rebound-Effekt entsteht durch eine andere Verteilung des Haushaltseinkommens – etwa wenn eine Familie das Geld, das sie nach dem Einbau einer hocheffizienten Brennwerttherme einspart, künftig für einen neu angeschafften Zweitwagen nutzt. Der sogenannte direkte Rebound-Effekt wiederum entsteht, wenn Menschen aufgrund der Nutzung effizienterer Technik ihr Verhalten ändern. Aktuelle Flachbildschirme beispielsweise verbrauchen weit weniger Energie als gleich große Röhrenbildschirme, doch da der Trend zu größeren Displays und mehr Geräten im Haushalt geht, verpufft das Effizienzpotenzial.
Dieses direkte Rebound-Problem betrifft im eigenen Zuhause viele Bereiche – etwa wenn Spül- und Waschmaschinen laufen, auch ohne optimal gefüllt zu sein, weil es ja Energiesparmodelle sind. Wenn das Licht im Raum länger brennt oder mehr Leuchten in Betrieb sind, weil LED-Leuchten nur ein Bruchteil des Stroms der früher üblichen Glühbirnen verbrauchen. Oder wenn hier noch ein Router, da ein Adapter und dort ein Controller installiert wird, da sich das vernetzte Haus halt nur mit entsprechenden Schnittstellen überhaupt vernetzen kann.
Gerade im Smart Home wächst der Gerätepark schnell, und er setzt sich jenseits der Gebäudemauern fort, da die meisten Smarthome-Anwendungen eine aktive Internetverbindung voraussetzen. Bau und Betrieb der dafür notwendigen Infrastruktur – vom Router über die Datenübertragung via Kabel oder Mobilfunk bis hin zu Rechenzentren und Serverfarmen – ist energieintensiv. Wäre das Internet ein Land, hätte es nach einer Studie von Greenpeace den weltweit sechstgrößten Stromverbrauch; allein die Rechenzentren am größten Internetknoten der Welt in Frankfurt am Main verbrauchen so viel Strom wie eine Kleinstadt.
Trotzdem: Mit Verweis auf den Rebound-Effekt erst gar nicht mit dem Energiesparen anzufangen oder auf energieeffiziente Technik zu verzichten, wäre falsch. Zum einen hat sich die Forschung bislang darauf konzentriert, die ökonomischen und psychologischen Ursachen des seit der Einführung der Dampfmaschine bekannten Rebound-Effekts zu analysieren. Hier herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit, aber das Ausmaß von Rebound-Effekten bleibt wegen ihrer Komplexität umstritten. Nach optimistischen Schätzungen werden Effizienzmaßnahmen zu rund 25 Prozent von Rebound-Effekten wieder aufgefressen, kritischere Stimmen gehen von 50 Prozent aus – aber selbst dann bliebe noch eine positive Wirkung erhalten.
Zum anderen rückt inzwischen verstärkt die Frage ins Zentrum, wie sich solche Bumerang-Wirkungen künftig vermeiden lassen. Einem Handbuch des Umweltbundesamtes zufolge gibt es mehrere erfolgversprechende Ansätze. Auf Herstellerseite ist es demnach sinnvoll, ab Werk diejenigen technische Parameter als Standardeinstellung festzulegen, die besonders energiesparend sind – etwa eine bestimmte Kühlschranktemperatur. So ließen sich Rebound-Effekte verhindern, die durch eine ineffiziente individuelle Bedienung entstehen. Eine weitere Hilfe könnten Smart Meter sein. Die intelligenten Stromzähler werden wahrscheinlich bald auch in Privathaushalte einziehen und ermöglichen ein individuelles und direktes Feedback zum Stromverbrauch und den damit verbundenen Kosten.
Besonders wichtig ist es Sicht von Fachleuten jedoch, dass Nutzer überhaupt verstehen, unter welchen Bedingungen zwar die genutzte Technik effizient ist, ihr eigenes Verhalten diese Investition aber konterkariert. Studien zufolge leiten Menschen, die Geld für Energiesparmaßnahmen ausgeben, daraus gerne eine Art moralische Berechtigung ab, an anderer Stelle verschwenderisch mit Ressourcen umzugehen – beispielsweise wenn die Heizung im Smart Home in jedem Raum rund um die Uhr für T-Shirt-Temperaturen sorgen soll oder wenn Bewohner eines Nullenergiehauses einen schweren Verbrenner fahren. Dieser psychologischen Falle kann man jedoch ausweichen, wenn man sie kennt. Und für die Energiewende ist jeder Hebel wichtig.