Das Fairphone soll die Industrie verändern

Seit drei Jahren arbeitet die niederländische Initiative Fairphone an einem Handy, das ohne Konfliktrohstoffe und Ausbeutung produziert werden soll. Ethisch völlig unbedenklich ist das jetzt präsentierte Modell zwar nicht. Aber an einigen wichtigen Stellschrauben hat Fairphone erfolgreich gedreht, und weitere sollen folgen…

Als Bas van Abel vor drei Jahren die Initiative Fairphone ins Leben rief, wurde er von vielen belächelt. Denn der Niederländer hat sich etwas vorgenommen, was in der Elektronikindustrie als unmöglich gilt: die Produktion eines nachhaltigen Smartphones, hergestellt mit Rohstoffen aus zertifizierten Quellen und gerechten Löhnen auf allen Wertschöpfungsstufen, leicht zu reparieren, recyclingfähig. Inzwischen ist Fairphone ein Start-up-Unternehmen, und der Countdown für das erste faire Smartphone der Welt läuft – sobald 5.000 Vorbestellungen für das 325 Euro teure Gerät vorliegen, startet die Produktion. Ein Stück weit gescheitert ist van Abel trotzdem, wie er selbst einräumt: „Die Lieferketten in der Elektronikindustrie sind zu komplex. Wahrscheinlich wird es nie möglich sein, ein vollständig faires Smartphone zu produzieren.“ Sollte das Fairphone tatsächlich gebaut werden, dürfte es dennoch das fairste Gerät sein, das auf dem Markt zurzeit zu finden ist. Denn Bas van Abel und sein siebenköpfiges Team haben an einigen entscheidenden Stellen in den Produktionsprozess eingegriffen.

Die Rohstoffe: Bis zu 60 verschiedene Elemente stecken in jedem Handy, darunter 30 bis 40 Metalle. Hilfsorganisationen wie Germanwatch weisen seit Jahren auf Probleme hin, die vor allem in Afrika häufig mit dem Abbau verbunden sind, von der Zerstörung der Umwelt bis zur Finanzierung bewaffneter Konflikte. „Besonders für die kritischen Metalle wollen wir saubere und transparente Lieferketten aufbauen“, sagt van Abel. Bereits gelungen sei das für Tantal, Zinn, Gold, Silber und Platin. Für Tantal arbeitet Fairphone mit der Initiative Solutions for Hope zusammen, für Zinn mit der Conflict-Free Tin Initiative (CFTI). Beide Initiativen kontrollieren und zertifizieren Abbau und Weiterverarbeitung der Rohstoffe, in beiden Fällen stammen diese aus Minen in der Republik Kongo – für Fairphone-Technikchef Miquel Ballester ein wichtiger Aspekt. „Wir könnten diese Rohstoffe beispielsweise aus Australien beziehen, auch dann wären sie konfliktfrei. Aber wir wollen in Gebieten tätig werden, wo wir die Situation verbessern können; wir wollen Dinge verändern und nicht ihnen ausweichen.“ Die Quellen für Gold, Silber und Platin sind ebenfalls zertifiziert, beispielsweise von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Fairtrade International und der Alliance for Responsible Mining (ARM). Weitere Metalle sollen folgen: Für Wolfram hat Fairphone Kontakt mit Minen in Ruanda aufgenommen und sucht zurzeit einen Kooperationspartner, für Kobalt wird der Aufbau einer Fairtrade-Initiative unterstützt.

Die Produktion: „Die Zulieferer unserer Zulieferer können wir nicht kontrollieren“, gibt Bas van Abel zu. Aber die Zulieferer selbst sollen sich an von Fairphone festgelegte Standards halten, beispielsweise was Löhne und Arbeitsbedingungen betrifft; dafür arbeitet Fairphone mit der Organisation LaborVoices zusammen. Dass die Niederländer mit A’Hong ausgerechnet ein chinesisches Unternehmen mit dem Zusammensetzen ihres Smartphones beauftragen wollen, hat die Netzgemeinde nicht gerade erfreut zur Kenntnis genommen. Aber eine Produktion in Europa scheiterte Fairphone zufolge schlichtweg daran, dass es keine Produktionsstätten mehr gibt. A’Hong vereine etliche Fertigungsschritte unter einem Dach, was die Verarbeitung der konfliktfreien Rohstoffe garantiere, engagiere sich für gute Arbeitsbedingungen und stehe dem Fairphone-Konzept offen gegenüber. „Daher glauben wir“, so Miquel Ballester, „den richtigen Partner gefunden zu haben.“

Der Lebenszyklus: Ein faires Handy ist Bas van Abel zufolge kein Wegwerfprodukt, sondern kann sowohl repariert als auch recycelt werden. Daher lässt sich das Fairphone öffnen, einzelne Teile wie der Akku sind austauschbar. Für eine optimierte Nutzung setzen die Niederländer auf Dual-SIM: Da zwei SIM-Karten eingesetzt werden können, ist das Fairphone beispielsweise gleichzeitig als Privat- und als Diensthandy nutzbar und zudem fit für ein zweites Leben in Entwicklungsländern, wo wegen fehlender flächendeckender Netze häufig mehrere SIM-Karten verwendet werden. Und für das Recycling kooperiert Fairphone mit der britischen Initiative Closing the Loop.

Unter den Fairphone-Partnern finden sich allerdings nicht nur Nichtregierungsorganisationen. Einige Mobilfunkanbieter wie KPN und Vodafone unterstützen das Start-up bereits, mit weiteren laufen Gespräche. Und auch erste Käufer gibt es: Bereits wenige Tage nach Öffnung des Online-Shops verzeichnete Fairphone knapp 2.000 Bestellungen, obwohl es bislang nur technische Daten und keinen Prototypen gibt. „Unser Ansatz, eine Beziehung zwischen den Menschen und dem Produkt herzustellen, funktioniert“, sagt van Abel. „Das Fairphone ist zwar noch keine 100-prozentige Lösung, aber der Beginn einer Bewegung.“ Sein Ziel ist, dass nicht nur das Fairphone in Zukunft immer fairer wird. „Wir zeigen mit unserem Projekt, dass an vielen Stellen der Lieferkette und des Produktionsprozesses durchaus Einfluss möglich ist. Damit wollen wir die Industrie inspirieren und verändern.“