Den Kosten trotzen
Die Preise für Strom und Brennstoffe steigen unaufhaltsam – ein Problem für die Betriebe des Einzelhandels, die viel Geld für Wärme und Kälte, Lüftung und Licht aufwenden müssen...
Hohe Energiepreise sind für den Handel ein zweifaches Problem. Zum einen belasten sie die Geldbörsen der Kunden und damit Umsatz und Gewinn, zum anderen treiben sie die Kosten in die Höhe. Eine Thema mit Brisanz, wie eine aktuelle Studie des EHI Retail Institute Köln zeigt: Die Ausgaben für Energie im Einzelhandel steigen nicht nur beharrlich, zudem fällt der Anstieg mit bis zu zehn Prozent stärker aus, als von vielen Händlern erwartet. Und für den Zeitraum bis 2013 rechnen etwa 85 Prozent der Unternehmen mit einem weiteren Anstieg der Kosten um rund zehn Prozent. „Es verwundert daher nicht, dass die Bereitschaft für Investitionen in Energiesparmodelle ebenfalls gewachsen ist“, sagt Ljiljana Rakita, Projektleiterin im EHI-Forschungsbereich Energiemanagement. Sie stellte die Studie „Energiemanagement im Einzelhandel 2010“ den gut 200 Teilnehmern des gleichnamigen EHI-Energiekongresses in Köln vor.
Handelsunternehmen sind Energie-Großverbraucher – für Beleuchtung und Klimatisierung, Plus- und Minuskühlung, Informationstechnik, automatische Türen, Rolltreppen. Die Höhe der Energiekosten hängt zwar von der Branche ab. Aber zwei Bereiche indentifiziert die Studie als klare Kostentreiber: Kühlung und Licht. Im Food-Handel fallen für Energie über 55 Euro pro Quadratmeter Verkaufsfläche an, wobei die Kühlung mit 44,9 Prozent der größte Stromverbraucher ist. Im Nonfood-Handel müssen im Schnitt 31 Euro pro Quadratmeter Verkaufsfläche für Energie aufgebracht werden, der mit 65,1 Prozent größte Anteil entfällt hier auf die Kosten für Beleuchtung.
Diese Kostenstruktur spiegelt sich bei der Investitionsbereitschaft wider. Das zeigt nicht nur die Energiestudie, sondern auch der aktuelle EHI-Ladenmonitor: Investitionen in Umwelttechnik mit energiesparender Wirkung stehen im Mittelpunkt, vor allem in energieeffiziente Beleuchtung sowie im Lebensmittelhandel in energetisch verbesserte Kälteanlagen und Kühlmöbel. Besonders stark ist die Investitionsbereitschaft im Bereich Gebäudetechnik/Bau gestiegen: Knapp 53 Prozent der befragten Händler sind bereit, ihr Geld in ein energetisch optimiertes Gebäude, innovative Versorgungstechnik oder den Einsatz regenerativer Energien zu stecken. Im Nonfood-Handel werden dafür auch längere Amortisationszeiten von fünf Jahren und auch mehr akzeptiert.
Dieser größere Langmut bei den Amortisationszeiten ist für Jörg Probst ein entscheidender Punkt. Er ist Geschäftsführer des Ingenieurbüros Gertec, das unter anderem die Drogeriemarktkette dm in den Bereichen Energie und Technische Gebäudeausrüstung berät und begleitet. Zu den Maßnahmen gehören auch Investitionen in erneuerbare Energien wie die Photovoltaik. „Eine gut geplante Photovoltaikanlage rechnet sich über die Laufzeit“, so Probst. „Wenn der Return of Investment jedoch schon nach spätestens zwei Jahren erreicht sein soll, ist ein Photovoltaikprojekt tot.“ Zumindest als unternehmenseigenes Projekt: Schließlich besteht auch die Möglichkeit, die Dachfläche an einen anderen Investor für eine solche Anlage zu vermieten. Aber Probst stellt bei vielen Unternehmen ein Umdenken fest, das auch eigene Investitionen möglich macht. „Wir wissen alle, dass es eine CO2-Problematik gibt und dass der Anteil der Erneuerbaren steigen wird und muss. Der Umgang mit Energie wird sich daher drastisch verändern – und auch der Blick der Controller auf entsprechende Projekte.“
Aus Sicht von Andrea Bodenhagen, Marketingchefin der auf Solarlösungen spezialisierten Firma Solar Integrated, fällt die Entscheidung für eine Photovoltaikanlage ohnehin auf Grundlage wirtschaftlicher Interessen. „Der Imagegewinn, der oft mit einer Solaranlage auf dem Dach einhergeht, ist ja ganz nett. Aber was sich nicht rechnet, wird nicht gebaut.“ Andrea Bodenhagen ärgert sich darüber, dass die Diskussion um die Photovoltaik in erster Linie politisch geführt wird. „Im Vordergrund steht immer der Punkt Subventionen. Dabei fließen seit Jahrzehnten Milliarden in Kernenergie, Steinkohle und Braunkohle. Aber im Gegensatz zur EEG-Umlage sind diese Steuergelder auf den Stromrechnungen nicht sichtbar.“ Sie wünscht sich eine Diskussion, die technisch geprägt ist und sich auf die vielen Einsatzmöglichkeiten für Solaranlagen konzentriert. „Photovoltaikanlagen sind für viele Gebäude geeignet, moderne Lösungen funktionieren schließlich inzwischen ohne statische Probleme oder Löcher in der Dachhaut.“ Und etliche Anwendungen sind zwar noch Zukunftsmusik, für Bodenhagen aber interessante Ideen: „Händler könnten ihre Parkplätze mir Solar-Carports überdachen – damit Kunden im Schatten parken und während des Einkaufs ihre Elektrofahrzeuge aufladen können. Und am Wochenende kann der Unternehmer die eigene Flotte zunächst mit Solarstrom betanken und dann als Stromspeicher nutzen.“
Auch Michael Fuhs ist überzeugt, dass der Einzelhandel das Potenzial, das die Photovoltaik bietet, noch bei weitem nicht ausschöpft. „Besonders der Eigenverbrauch von Solarstrom müsste sich für etliche Händler rechnen – und wenn noch nicht jetzt, dann in naher Zukunft, wenn die Strompreise weiter steigen“, sagt der Chefredakteur des Fachmagazins photovoltaik. Wer seinen Solarstrom selbst verbraucht, senkt nicht nur seine Stromrechnung um den Wert dieser Kilowattstunden, sondern bekommt zusätzlich eine Vergütung auf Grundlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). „Für Privathaushalte rechnet sich dieses Modell oft nicht, da es noch keine guten Speicherlösungen gibt. Und tagsüber, wenn die Sonne scheint, ist oft niemand zuhause und der Strombedarf entsprechend gering“, erklärt Fuhs. „Im Einzelhandel ist das anders, da wird auch tagsüber, also während die Anlage viel Strom produziert, viel Strom verbraucht.“
Die Globus SB-Warenhaus Holding hat sich mit dem Thema Eigenverbrauch schon beschäftigt. „Wenn die Marktgröße passt, würde der Strom einer Photovoltaikanlage mit 400 Kilowatt Nennleistung komplett selbst verbraucht“, sagt Klaus-Peter Schuch, der Verantwortliche für das Bauwesen im Bereich Technisches Gebäudemanagement. Angesichts der für viele Gewerbekunden im Vergleich zu Privathaushalten niedrigen Strompreise rechne sich das aber noch nicht, auch Globus habe sich daher bei den derzeit vier Anlagen für die Netzeinspeisung entschieden. Die immer weiter sinkende Einspeisevergütung ist für Schuch kein Grund, nicht in Photovoltaik zu investieren. „Immerhin sinken auch die Anlagenpreise. Wenn der Betrieb der Anlage gut kalkuliert ist und die Erträge sich mit den Prognosen decken, ist ein Investment trotzdem interessant.“
Gertec prüft übrigens zurzeit für dm, ob es sich lohnt, den auf dm-Dächern erzeugten Strom aus Photovoltaikanlagen nicht ins Netz einzuspeisen, sondern direkt in den Märkten zu nutzen „Ich bin überzeugt, dass sich der Eigenverbrauch von Solarstrom bald rechnen wird“, sagt Jörg Probst mit Blick auf die steigenden Strompreise, die aktuellen Einspeisevergütungen und die für den Eigenverbrauch günstigen Lastprofile im Einzelhandel. „Und spätestens dann wird selbst produzierter Photovoltaikstrom eine konkrete Rolle im Energiemix von Handelsunternehmen spielen.“