Der Wau-Effekt
Immer mehr Unternehmen erlauben ihren Beschäftigten, dass ihr Hund sie ins Büro begleitet. Bei Assistenzhunden ist dieses Recht seit 2022 sogar gesetzlich verbrieft. Sicherheitsbeauftragte können viel zu einem stressfreien Miteinander von Zwei- und Vierbeinern beitragen.
Dass Hunde am Arbeitsplatz eine positive Wirkung haben können, haben wissenschaftliche Untersuchungen inden USA und in Schweden bereits vor zehn Jahren gezeigt. Demnach können Hunde am Arbeitsplatz das Betriebsklima verbessern und das Risiko der Beschäftigten senken, körperlich oder psychisch zu erkranken, etwa an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Burnout. Eine motiviertere Belegschaft, die effektiver arbeitet und geringere Fehlzeiten aufweist, ist ein greifbarer Vorteil für Unternehmen. Kein Wunder, dass die Anzahl der Betriebe, die sich mit der Einführung von Hunden am Arbeitsplatz auseinandersetzt, stetig wächst. Das zeigt auch die steigende Nachfrage nach Beratung und adäquaten Lösungen beim Bundesverband Bürohund (BVBH).
Beschleunigt wird diese Entwicklung zurzeit von den Umbrüchen durch die Corona-Pandemie. 2020 zogen etwa eine Million neue Tiere in deutsche Haushalte ein, und nach Angaben des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) wurden im Vergleich zu den Vorjahren 20 Prozent mehr Hunde gekauft. Dass viele Unternehmen von ihren Beschäftigten inzwischen wieder mehr Präsenz verlangen, wird nun für manche Herrchen und Frauchen organisatorisch wie finanziell zur Herausforderung – es sei denn, der gleichzeitig präsente Hund ist erlaubt.
Eins vorweg: Abgesehen von behinderten Menschen, die auf die Unterstützung eines Assistenzhundes angewiesen sind (siehe Kasten), haben Beschäftigte keinen Anspruch darauf, dass ihr Hund sie zur Arbeit begleitet. Bevor der Hund mit ins Büro oder in die Werkstatt darf, ist die Genehmigung der Unternehmensleitung einzuholen. Wird diese Erlaubnis nicht erteilt, müssen Hunde draußen bleiben – und eine einmal erteilte Genehmigung kann bei neu auftretenden Problemen jederzeit zurückgenommen werden, etwa wenn sich eine anfänglich freundliche Fellnase zu einer den Flur beherrschenden Terrortöle entwickelt.
Auch mit entspannten und gut erzogenen Hunden im Unternehmen ist es sinnvoll, das Miteinander zu regeln – mit einer Betriebsvereinbarung oder wie beispielweise bei der Fressnapf-Zentrale in Krefeld mit einer verbindlichen Richtlinie. Kerstin Krüger vom Company Health Management kann sich nicht daran erinnern, dass im Unternehmen Hunde einmal nicht erlaubt gewesen wären. „Eine aktuelle Befragung hat ergeben, dass die über 900 Beschäftigten auf dem Fressnapf-Campus von bis zu 200 Bürohunden begleitet werden – verteilt auf vier Bürogebäude. Insgesamt wird die Anwesenheit der Hunde überaus positiv wahrgenommen. 97 Prozent der Belegschaft gibt an, den Arbeitsalltag mit Bürohund besonders zu schätzen. Aber es wurde auch der Bedarf nach verbindlichen Spielregeln für die Vierbeiner geäußert, und diesem Wunsch tragen wir mit einer neuen Richtlinie Rechnung Rechnung. Diese löst unseren Hunde-Knigge ab, der bei einer deutlichen geringeren Anzahl von Hunden durchaus ausreichend war.“
Diese Richtlinie sieht beispielsweise vor, dass Hunde auf den Fluren angeleint und auf möglichst kurzen Wegen durch die Gebäude geführt werden. Am Arbeitsplatz sollen sie eine festen Aufenthalts- und Rückzugsort haben, etwa ein Kissen oder eine Box, und nicht als Stolperfalle mitten im Gang liegen. Dass der Hund gesund und geimpft ist und ein insgesamt bürotaugliches Verhalten an den Tag legt, erwartet Fressnapf ebenfalls. Und: „Die Verantwortung für den Hund bleibt immer beim Beschäftigten“, so Kerstin Krüger. „Die Menschen müssen dafür sorgen, dass sich die Hunde an die Regeln halten, und für eventuelle Schäden haften. Daher muss der Hund auch haftpflichtversichert sein. Zusätzlich unterstützen wir bei Fressnapf bei Bedarf durch Coachings.“ Alle Punkte der Richtlinie müssen Beschäftigte mit Hund übrigens für das individuelle Tier unterschreiben, die Vereinbarung gehört dann als Anhang zum Arbeitsvertrag.
Neben dem Wohlergehen der Menschen hat Fressnapf übrigens auch das der Hunde im Blick. In einigen Unternehmensbereichen wie etwa auf Logistikflächen sind Hunde nicht erlaubt – es wäre zu gefährlich. In hundetauglichen Abteilungen hat das Unternehmen unterstützt von einer Hundetrainerin beispielsweise potenziell giftige Büropflanzen entfernt und den Fußraum unter den Schreibtischen mit Sichtschutzblenden versehen, damit die Hunde weniger von dem regen Kommen und Gehen auf den Etagen mitbekommen. Zudem sollen Videos und weitere Informationen zur Körpersprache von Hunden und zum richtigen Umgang mit Vierbeinern im Büro bereitgestellt werden – das hatten sich bei der Befragung vor allem die Beschäftigten ohne eigenen Hund gewünscht. Und an den Bürotüren weisen Schilder darauf hin, wie viele Tiere sich in dem jeweiligen Raum aufhalten. „Zum einen treffen Menschen und Hunde so nicht unverhofft aufeinander, zum anderen isf die Beschäftigten eingerichtet, die keinen Kontakt zu Hunden haben möchten oder gesundheitlich bedingt keine haben dürfen. Denn: „Alle Beschäftigten sollen sich sicher fühlen.“
Fressnapf ist mit seiner hundefreundlichen Unternehmenspolitik nicht allein. Beim BVBH haben sich mehrere hundert Betriebe in Deutschland auf einer Bürohundekarte eingetragen, obwohl die Listung kostenpflichtig ist. Und auch bei Weltkonzernen wie Google oder Amazon sind Hunde fester Bestandteil der Unternehmenskultur – intern sollen sie zur Work-Life-Balance der Beschäftigten beitragen und die abteilungsübergreifende Kommunikation fördern, extern das Image verbessern und Sympathiepunkte bei der Personalsuche bringen. All das ist auch das Ziel der Funke-Mediengruppe, die sei August Hunde am Standort Essen erlaubt. Dort hat die Abteilung für Unternehmenskommunikation das Onboarding der Vierbeiner zusammen mit den Fachabteilungen für Gebäudemanagement und für Arbeitssicherheit geplant. Ähnlich wie bei Fressnapf gibt es ein eigenes Regelwerk für die „Funky Dogs“, und für Fragen und Anliegen stehen zwei „Chief Dog Officers“ bereit. Diese beraten zudem jeden Beschäftigten, bevor die Fellnase zum ersten Mal mit ins Büro darf.
Eine Ablenkung ist ein Bürohund zwar auf jeden Fall. Aber in den Unternehmen überwiegt die Einschätzung, dass diese Ablenkung mehr positiv und förderlich ist als störend. Denn die Beschäftigten werden in regelmäßigen Abständen daran erinnert, eine kurze Pause einzulegen, sich die Beine zu vertreten oder frische Luft zu schnappen – und eine Hunderunde ist deutlich gesünder als die regelmäßige Raucherpause.
Sonderfall Assistenzhund
Seit 2022 haben Beschäftigte mit Behinderung ein Recht darauf, dass ihr Assistenzhund sie zur Arbeit begleitet – auch wenn eigentlich im Unternehmen Vierbeiner verboten sind. Das regelt eine Neufassung des Teilhabestärkungsgesetzes. Darin werden zudem die Bedingungen formuliert, die ein Hund erfüllen muss, um als Assistenzhund zu gelten; allerdings steht die dafür notwendige Rechtsverordnung noch aus.
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen fünf Assistenzhund-Typen:
- Blindenführhunde, die blinden oder sehbeeinträchtigen Personen bei der Orientierung helfen
- Signal-/Gehörlosenhunde, die tauben oder gehörbeeinträchtigten Menschen akustisch Signale über Berührungen weitergeben
- Medizinische Signalhunde, die chronisch erkrankte Personen etwa mit Diabetes, Epilepsie oder Angststörungen vor gefährlichen Veränderungen beim Stoffwechsel oder der Psyche warnen
- Servicehunde, die beispielsweise Menschen im Rollstuhl bei der Mobilität unterstützen
- Kombinationshunde, die als Begleiung mehrfachbehinderter Menschen Eigenschaften verschiedener Assistenzbereiche kombinieren
Lobby für Bürohunde
Seit 2014 gibt es in Berlin des bundesweit aktiven Bundesverband Bürohund e.V. Als gemeinnützig anerkannter Verein hat sich der BVBH das Ziel gesetzt, die Vorteile von Bürohunden für und in Unternehmen bekannt zu machen und Lösungen aufzuzeigen, wie sich Bürohunde gewinnbringend für alle Seiten in den Unternehmensalltag integrieren lassen.
https://bv-bürohund.de/