Die Marken-Architekten
360º haben die Gründer und Macher der Berliner Kreativagentur dan pearlman ihren Ansatz getauft. Ihr Leistungsspektrum vereint alle Aspekte einer ganzheitlichen Markenführung unter einem Dach – von der strategischen Positionierung über die Entwicklung kreativer Leitideen bis hin zur detaillierten Umsetzung in Architektur, Design und Medien...
Die Leitidee der Berliner Kreativagentur dan pearlman ist heute noch die gleiche wie bei der Gründung im Jahr 1999: „Unser Anspruch ist es, Marken und Erlebnisse nachhaltig in den Köpfen und Herzen der Menschen zu verankern“, sagt Geschäftsführerin Nicole Srock.Stanley. „Dafür machen wir die Marke zum Erlebnis und das Erlebnis zur Marke.“ Auch der 360º-Ansatz gehört von Anfang an zum Konzept. „Wir wollen Marken gestalten, strukturieren und im Raum führen“, beschreibt das die Innenarchitektin. „Dafür verschmelzen wir die Disziplinen Architektur, Design und Kommunikation und bieten von der Planung bis zur fertigen Gestaltung alle Abwicklungen aus einer Hand.“
Ein internationales Team von 80 Mitarbeitern aus unterschiedlichen Fachrichtungen hat sich dem Leitbild und dem Konzept inzwischen verschrieben. Wer das ambitionierte Unternehmen jedoch in einem der angesagten Berlin-Bezirke vermutet, liegt falsch. Bereits seit der Gründungsphase ist dan pearlman in Treptow im früheren Ostteil der Stadt ansässig, der Blick aus den Räumen in einer ehemaligen Metallwarenfabrik geht über den Görlitzer Park in Richtung Kreuzberg. „Ein Blick ins Grüne ist gut für die Kreativität“, findet Nicole Srock.Stanley. „Die hipen Berliner Gegenden sind einfach zu anstrengend. Außerdem ist dan pearlman selbst ziemlich cool, dafür brauchen wir keine Anleihe von unserer Umgebung.“ Das inzwischen denkmalgeschütze Fabrikgebäude hat noch einen weiteren Vorteil: dan pearlman kann sich darin ausdehnen, das stetig wachsende Unternehmen hat gerade wieder zusätzliche Flächen angemietet. Denn die Gründer – die vier befreundeten Architekten und Innenarchitekten Nicole Srock, Kieran Stanley, Volker Katschinski und Marcus Fischer – bauen die Agentur ihren persönlichen Leidenschaften entsprechend – Markenarchitektur, Erlebnisarchitektur, Retail und Brand Experience – immer weiter aus.
Für Handelsunternehmen ist dan pearlmans Ansatz, aus der Marke heraus Konzepte zu entwickeln, besonders attraktiv. Das zeigen die Erfahrungen der Gründer, die den Retail-Bereich als großen und wichtigen Zweig ihrer Agentur beschreiben. „Die Marke anfassbar und erlebbar zu machen und nachhaltig im Gedächtnis der Kunden zu verankern, kommt Retailern entgegen, ebenso der Ansatz, die Stärken einer Marke zu stärken und sie authentisch auf die Fläche zu bringen“, sagt Nicole Srock.Stanley. Dabei gehe es nicht nur um die Optik, sondern auch um das Erlebnis. In Hannover beispielsweise hat dan pearlman für die Gesamtanlage des Zoos und dessen Souvenirshop ein ganzheitliches Konzept entwickelt, wobei der Shop in einem traditionell errichteten und ausgestatteten Blockhaus das authentische Kanadafeeling der gesamten Yukon-Bay-Themenwelt aufgreift und den Besuchern ein Stück Yukon Bay zum Mitnehmen offeriert.
„Aber auch guter Service kann, speziell in Deutschland, eine Stärke sein und den Erlebnisaspekt ausmachen – nicht nur ein schöner Store“, heißt es bei dan pearlman. Ein Beispiel für Service als Erlebnisaspekt ist das gerade eröffnete Runners-Point-Flagship „World of Running“ in der Dortmunder Thier-Galerie: Herzstück des Storekonzepts von dan pearlman ist eine 15 Meter lange Analyselaufbahn, deren Highspeed-Kameras den Lauf der Kunden aus verschiedenen Perspektiven aufnehmen, um eine optimale Laufschuhberatung ermöglichen. Für die passende Laufatmosphäre sorgt dabei parallel zur Tartanbahn eine 18 Meter lange und zwei Meter hohe Videowand mit wechselnden Panoramen und integriertem Klang- und Duftkonzept. Weiteres Novum des neuen Flagships ist ein gläsernes Lauflabor, in dem ein Team aus ausgebildeten Sport- und Ernährungswissenschaftlern Ganzkörper-Bewegungsanalysen und Leistungsdiagnostiken anbietet.
dan pearlman zufolge ist die Möglichkeit, bei einem ganzheitlichen Projekt alle wesentlichen Bereiche wie Design, Architektur und Kommunikation gemeinsam anzugehen, für den Handel ebenfalls interessant und wird verstärkt nachgefragt. Anlass sei unter anderem, dass Kunden kaum noch zwischen Online- und Offline-Angeboten unterscheiden und ihre Informations- und Einkaufsmöglichkeiten zunehmend als ein Ganzes wahrnehmen. Dieser No-Line-Commerce mache Informations- und Kaufprozesse ohne Medienbrüche notwendig. Kunden der „World of Running“ beispielsweise haben mittels Touchscreen-Terminals direkten Zugriff auf andere Angebote der Runners Point Group. Und den speziellen Kommunikationsbedarf jüngerer Zielgruppen hatte dan pearlman bei Youtopia im Blick, einem neuen Young Fashion Concept Store des Modehauses Bredl in Ravensburg: In einer Photopia-Fotobox kann man das neue Lieblingsoutfit fotografieren und direkt auf Facebook teilen.
„Wenn man das ganze Rad neu dreht und alles mitgedacht und mitgemacht werden muss, ist zwar der Prozess sehr aufwändig“, sagt Nicole Srock.Stanley. „Der Wirkungsgrad ist jedoch viel größer, als wenn man sich darauf beschränkt, einzelne Bereiche nur zu tunen. Außerdem liefert ein ganzheitliches Projekt mehr Kommunikationsanlässe.“ Ein Beispiel für ein solches 360º-Projekt von dan pearlman ist der Marken-Relaunch von Calamar zum Saisonstart der Frühjahrs-/Sommerkollektion 2013, der zum Ziel hatte, die Marke über alle Ebenen des Markenauftritts hinweg mit einem einheitlichen und stimmigen Gesamterscheinungsbild auszustatten. Das umfasst weit mehr als das Storedesign. Insbesondere die Kommunikationsdesigner waren gefragt, der Marke ein neues visuelles Gesicht zu geben – von der Überarbeitung des Logos und der Corporate Identitity über den digitalen Markenauftritt bis hin zu neuen Look-Books sowie Hangtags, Knöpfen und Aufnähern für die künftigen Kollektionsteile.
Dass es im Handel bei allen Prozessen nicht nur um Markenpositionierung geht, sondern auch um Flächeneffizienz, sorgt bei dan pearlman für keinerlei Berührungsängste: Ziel ist vielmehr eine Win-Win-Situation für beide Aspekte. Um ein besseres Gefühl für die Logistik und andere wichtige Abläufe und Prozesse im Laden zu bekommen, gehen die Architekten auch mal mit in den Verkauf. Denn die Handhabbarkeit für das Personal gilt als ein wichtiger Schlüssel – Knotenpunkte auf der Fläche wie Umkleiden oder der Kassenbereich, zu laufende Wege, Höhen und Griffe des Mobiliars, eben alle haptischen und praktischen Details. „Schönes Design allein reicht nicht“, sagt Nicole Srock.Stanley. „Wenn ein Regalboden zu schwer ist, wird eine Verkäuferin, die eventuell lange Fingernägel hat, ihn nicht versetzen.“
„Wir kommen nicht mit erhobenem Zeigefinder, sondern stellen Fragen“, ergänzt Volker Katschinski, Mitgründer von dan pearlman und Creative Director Retail. Das Vorgehen bei jedem Projekt sei nicht linear, sondern ein ineinander greifendes System: die Analyse des Umfeldes wie Markenpositionierung und Zielgruppen, die Definition der Markenwerte, die Architektur, die Kommunikation. Die Kunden seien in diese Prozesse sehr stark einbezogen. Co-Creativity nennt er die Strategie, im Dialog mit dem Auftraggeber aus dem jeweiligen Unternehmen heraus ein neues Konzept zu entwickeln – bei Interviews, Brand-Akademien oder der Diskussion darüber, welche der möglichen Design-Routen der Kunde einschlagen will. „Jedes unserer Projekte ist eine Maßanfertigung, da jede Marke ein eigenes Gesicht hat. Daher arbeiten wir auch nicht mit einer einheitlichen Designsprache: Die Auftraggeber stehen im Mittelpunkt, nicht dan pearlman.“
Wer am Empfang der alten Metallwarenfabrik in Treptow nach Dan Pearlman fragt, wird sich übrigens keinem einzelnen Mitarbeiter gegenüber sehen, sondern dem gesamten Team – auch wenn der Name anderes vermuten lässt. „Unser Name sollte vom ersten Tag an so klingen, wie wir unser Unternehmen als Marke positionieren und führen wollten“, erklärt Nicole Srock.Stanley, „groß, international, zeitlos.“