Erste Hilfe mit QR-Code

Statt Verbandbücher aus Papier nutzt die Carglass GmbH ein Online-Tool, das sich von jedem Standort aus über das Scannen eines QR-Codes erreichen lässt. Das vereinfacht nicht nur die Meldungen, sondern ermöglicht auch eine zielgenauere Prävention. Dafür erhielt das Unternehmen den VBG-Präventionspreis in der Kategorie 'Technische Produkte und Dienstleistungen'.

Heftpflaster und Verbände, Kompressen und Einweghandschuhe – welche Materialien ein Erste-Hilfe-Kasten umfassen muss, geben die betrieblichen Arbeitsschutzbestimmungen vor. Bei Carglass kommt auf einem Plakat direkt daneben noch eine weitere Komponente hinzu: ein QR-Code. Denn das Unternehmen hat eine elektronische Lösung entwickelt, welche die bisherigen handschriftlich geführten Verbandbücher aus Papier ersetzt. Damit niemand eine lange Internet-Adresse eintippen muss, um das Online-Formular zu erreichen, führt ein simples Scannen des QR-Codes direkt auf die virtuelle Eingabemaske. Diese ist wie das gewohnte Verbandbuch aufgebaut, hinzu kommt lediglich eine Kostenstelle, um dem Kölner Autoglas-Spezialisten die Zuordnung zu einer der bundesweit 350 Niederlassungen zu ermöglichen. „Und auch grafisch haben wir das Online-Formular ein bisschen ansprechender gestaltet“, sagt Safety Manager Martin Gedenk.

Carglass hat rund 2000 Beschäftigte, die 350 Niederlassungen sind im gesamten Bundesgebiet verteilt. Dort lagen bislang die rund 400 Verbandbücher, was den insgesamt drei Fachkräften für Arbeitssicherheit die Auswertung der darin gesammelten wertvollen Daten erschwerte – Grund genug, über eine andere Lösung für die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Erste-Hilfe-Aufzeichnungen nachzudenken. Hinzu kam das Thema Datenschutz, denn die erhobenen personenbezogenen Gesundheitsdaten sind in klassischen Verbandbüchern nicht unbedingt sicher aufgehoben.

Dass die neue Lösung elektronisch und damit papierlos und zeitgemäß sein musste, war Martin Gedenk von Anfang an klar. Die Idee für die Umsetzung kam ihm auf der Autobahn: Auf der Plane eines vor ihm fahrenden Lkw prangte ein QR-Code für eine ebenso einfache wie schnelle Kontaktaufnahme. QR steht für Quick Response, der Code setzt sich aus schwarzen und weißen Quadraten zusammen und enthält bestimmte Informationen – etwa wie bei Carglass der Online-Zugang zum Verbandbuch.

Gemeinsam mit technikaffinen Kollegen hat der Sicherheitsingenieur die neue Lösung innerhalb von zwei Monaten entwickelt. Der im QR-Code verborgene Link führt zu einem externen Befragungstool, das einfach und intuitiv zu bedienen ist und analog zum Verbandbuch alle notwendigen Daten abfragt. Die Kommunikation der neuen Lösung war angesichts der vielen Standorte zwar sehr aufwändig, aber die Akzeptanz seitens der Beschäftigten beschreibt Gedenk quer durch alle Altersgruppen als problemlos. „Die meisten Mitarbeiter verwenden ohnehin ein elektronisches Device für ihre Aufträge, bei diesen Geräten haben wir einfach die Funktion zum Einlesen von QR-Codes freigeschaltet. Aber auch jedes andere dienstliche oder private Smartphone kann verwendet werden – und wenn das eigene Gerät den Code nicht verarbeiten kann, lässt sich für den Zugriff auf das virtuelle Verbandbuch auch das Handy eines Kollegen verwenden.“ Auch über die Computer der Niederlassung, wo die Mitarbeiter auf ein umfangreiches Portal zum Thema Sicherheit und Gesundheit zugreifen können, ist eine Erfassung möglich.

Die eingegebene Meldung erscheint dann als Just-in-time-Nachricht auf den Bildschirmen der Arbeitsschutzverantwortlichen, zudem fließen die Daten in eine Excel-Datei ein. Das erlaubt unternehmensweite monatliche Auswertungen nach unterschiedlichen Parametern, aber auch die Analyse von Regionen oder einzelnen Standorten – natürlich datenschutzkonform. „Wir nutzen die Ergebnisse beispielsweise für unsere quartalsweisen Safety Calls mit den Gebietsverantwortlichen und den Technical Coaches“, so Gedenk: „Dank der umfassenden Daten können wir zeigen, wo es besonders gut läuft – und auch, wo es vermehrt zu welchen Problemen kommt. Das erleichtert es uns enorm, die Ursachen herauszufinden und abzustellen.“

Als Beispiel nennt Gedenk das Thema Schnittverletzungen. Das Risiko für solche Verletzungen entsteht bei Carglass eher nicht durch Glas, sondern durch Blech, weil die Beschäftigten es beim Austausch von Fahrzeugscheiben oft mit nicht entgrateten, scharfen Karosserieteilen zu tun haben. Daher macht das Unternehmen strikte Vorgaben für das Tragen von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA). „Dank des elektronischen Verbandbuchs fällt es schnell auf, wenn sich an einem Standort Schnittverletzungen häufen. Ebenso schnell können wir das Problem analysieren und lösen – wenn es die Handschuhe selbst sind, wird die PSA verbessert, ist ein zu laxer Umgang die Ursache, können wir die Kollegen entsprechend schulen.“ Denn, sagt Gedenk: „Im Fokus steht nicht das Reporting als Selbstzweck, sondern das Lernen aus den Daten.“

Ideen für die Weiterentwicklung der Anwendung gibt es auch schon. Zum einen will Carglass künftig für das virtuelle Verbandbuch statt des externen Befragungstools, dessen Nutzung pro Jahr etwa 6000 Euro kostet, die im Unternehmen ohnehin vorhandene Microsoft-Anwendung Forms verwenden. Außerdem soll der QR-Code zu einer zentralen Schnittstelle zwischen den Beschäftigten und dem Safety-Bereich weiterentwickelt werden. Sie soll nicht nur den Zugang zum Verbandbuch ermöglichen, sondern auch das Melden von Unfällen und Beinahe-Unfällen sowie von Anregungen im Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.

Die Berufsgenossenschaft VBG ist übrigens schon jetzt überzeugt von dem Carglass-Konzept und verlieh dem Unternehmen daher den Präventionspreis in der Kategorie 'Technische Produkte und Dienstleistungen'. „Das Verfahren, das die Carglass GmbH hier entwickelt hat, ist ein leicht anwendbares, innovatives Meldeverfahren mit sehr hoher Akzeptanz“, sagte Jury-Mitglied Regina Ruppert in ihrer Laudatio. „Es macht die Auswertung der Unfälle leicht und sicher. Und es ist ein Verfahren, das leicht zu transferieren ist – auch für große Unternehmen.“

Verbandbuch

Jede Verletzung und jede Erste-Hilfe-Leistung im Betrieb müssen schriftlich festgehalten werden – zum Beispiel in einer Kartei, als Computerdatei oder in einem Verbandbuch. Das sieht Paragraf 24 der DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ vor. Notwendige Angaben sind der Name der verletzten Person, Zeit und Ort, Unfallhergang, Art und Schwere der Verletzung oder des Gesundheitsschadens, zudem die ergriffenen Erste-Hilfe-Maßnahmen sowie die Namen der Ersthelfer und eventueller Zeugen. Die Aufzeichnungen müssen vertraulich behandelt und mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden.
Diese Angaben dienen als Nachweis dafür, dass eine Verletzung oder Erkrankung bei einer versicherten Tätigkeit eingetreten ist, und können sehr wichtig sein, beispielsweise wenn Spätfolgen auftreten. Die Aufzeichnungen sind eine Voraussetzung dafür, dass ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt werden kann. Außerdem bilden sie eine Informationsquelle für die Erfassung, Untersuchung und Auswertung von nicht meldepflichtigen Arbeitsunfällen.
https://www.dguv.de/fb-erstehilfe/themenfelder/dokumentation-von-erste-hilfe-leistungen/index.jsp 

Preiswürdiger Arbeitsschutz

Bereits 2016 gehörte die Carglass GmbH zu den Gewinnern des VBG-Präventionspreises. In der Kategorie ‚Betriebliche Sicherheitstechnik‘ erhielt das Unternehmen damals den ‚Arbeitsschutzpreis Gold‘ für die Entwicklung von vibrationsmindernden Handgriffen an oszillierenden Messern. Hintergrund ist die in gewissen Zeitabständen notwendige Sanierung der Klebefugen von Scheiben bei Straßenbahnen, Bussen und Zügen. Um das alte Fugenmaterial zu entfernen, werden oszillierende Messer eingesetzt. Die dabei entstehenden Hand-Arm-Vibrationen können gesundheitsschädlich sein. Carglass hatte daher die Idee, einen Griff mit vibrationsdämpfenden Materialien zu entwickeln. An einem Musterarbeitsplatz wurden – wissenschaftlich begleitet von der Bergischen Universität Wuppertal – verschiedene Ansätze getestet. Die Lösung waren schließlich Pufferringe mit weichem Polyurethan-Dämpfungsmaterial, die zwischen Messer und Griff einen großen Teil der Vibrationen abfangen. Auch ergonomische Erkenntnisse hinsichtlich der Greifweise und Krafteinleitung sind in den neuen Griff eingeflossen.