Hitzeprävention II: Schatten und Siesta
Sonnenschutz ist Arbeitsschutz – und schlägt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn wer im Freien ein Zuviel an Sonne vermeidet, senkt oft auch die Belastung durch Hitze.
Das Jahr 2022 war extrem warm. Sowohl in Europa als auch weltweit wurden gleich mehrere Hitze-Rekorde gebrochen. Im Juli 2022, der in Deutschland deutlich zu warm und sehr sonnig verlief, meldete sich die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) medienwirksam mit der Forderung nach einer verlängerten Mittagspause beziehungsweise Siesta zu Wort. „Die Gesundheitsrisiken sind unter den aktuellen Bedingungen viel zu hoch: Es drohen Hitzschläge, Hautkrebs, Ozonbelastungen. Es wäre unverantwortlich, hier nichts zu tun. Von den steigenden Gesundheitskosten will ich gar nicht reden“, so Vorstand Carsten Burckhardt. Das gelte allerdings auch für alle anderen Branchen, in denen unter freiem Himmel gearbeitet werden muss.
Viele Unternehmen haben die Gefahren, die von intensiver Sonnenstrahlung ausgehen, stärker im Blick, seit 2015 der weiße Hautkrebs erstmals als Berufskrankheit anerkannt wird. Etliche Maßnahmen, die vor solarer UV-Strahlung schützen, sind auch hilfreich bei Hitze – etwa wenn Beschäftigte unnötige Sonnenstrahlung auf Haut und Augen vermeiden, möglichst im Schatten arbeiten, vor Sonne schützende Kleidung tragen und sich speziell zwischen 11 Uhr und 15 Uhr nicht der Sonne aussetzen.
Bei Arbeit im Freien kommt noch dazu, dass es sich häufig um intensive körperliche Tätigkeiten handelt – im Hoch-, Tief- und Gartenbau, bei der Müllabfuhr, in der Außengastronomie oder der Zustelllogistik. Dabei wird sehr viel Wärme vom Körper selbst produziert. Passiert das bei Hitze, kommt es zu einer hohen Belastung des Herz-Kreislauf-Systems. Außerdem kann als Folge des Schwitzens ein Elektrolytverlust eintreten, der innere Organe wie Herz und Nieren oder auch das Gehirn beeinträchtigt und damit die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit reduziert. Schafft es der Körper nicht mehr, seine Kerntemperatur stabil zu halten, kann das zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie zum Beispiel Hitzschlag führen.
Eine absolute Temperaturobergrenze, bei der die Arbeit im Freien eingestellt werden darf, gibt es zwar nicht. Aber Unternehmen müssen sich an die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes halten, also die Arbeit so gestalten, „dass eine Gefährdung für das Leben (…) möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten“ wird. Grundsätzlich besteht bei Hitze also Handlungsbedarf, die Handlung selbst hängt jedoch von den betrieblichen Gegebenheiten ab.
Zu den Vorschlägen der BG Bau gehört unter anderem, Arbeitszeit und Arbeitsrhythmus sowie Arbeitsintensität der Witterung anpassen. Unternehmen könnten demnach die Verschiebbarkeit von Arbeiten prüfen, Arbeitszeiten in kühlere Morgenstunden verlegen und Pausenzeiten der Belastung entsprechend gestalten, je nach Spielraum der geltenden Tarif- und Arbeitsverträge. Auf Baustellen sind demnach Beschattungselemente wie Sonnensegel oder Schirme einzurichten, außerdem Anlagen zur Belüftung oder Besprühung mit Wasser. Auch spezielle Hitzeschutz-PSA wie kühlende Westen, T-Shirts und Halstücher, Kappen und Helm-Inlays könnten sinnvoll sein; mit den Arbeitsschutzprämien der BG Bau können Unternehmen diese Investitionen sogar fördern lassen. Und: Die ständige Verfügbarkeit von geeigneten Getränken ist zu gewährleisten – nicht im Bauwagen, sondern im direkten Arbeitsumfeld.
Vorausschauend planen
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ein Informationsportal erstellt, das für verschiedene Lebenswelten Tipps rund um die Themen „Hitze und Hitzeschutz“ sowie „UV und UV-Schutz“ enthält.
https://www.klima-mensch-gesundheit.de/
Im Rahmen eines EU-Projekts wurde die Plattform Heat-Shield entwickelt. Sie gilt als praxistaugliches und auch für die Arbeitsplanung nutzbares Werkzeug für die Beurteilung von Hitzebelastungen an Außenarbeitsplätzen. Die Plattform liefert ohne Registrierung und frei zugänglich in Form von Karten eine allgemeine Hitzestressprognose für die kommenden vier Wochen. Mit Registrierung sind auch individuellere Informationen möglich.
https://heatshield.zonalab.it/index.php?lang=de
Wenn die Umweltbehörden Überschreitungen der Ozonwerte beziehungsweise Sommersmog melden, sind deren Empfehlungen zu befolgen, insbesondere sind schwere Arbeiten einzugrenzen oder ganz zu vermeiden. Aktuelle Messdaten und Verhaltenshinweise sind beim Umweltbundesamt abrufbar.
https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe-im-ueberblick/ozon
Die „ClimApp“ ermittelt das aktuelle Hitzestressrisiko und gibt eine Vorhersage für die kommenden 24 Stunden. Dafür nutzt die Wetterfaktoren des Standortes und individuell von den Nutzenden einzugebende Faktoren wie Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Arbeitsschwere, Bekleidung und Akklimatisierungszustand. Daraus leitet die App auch Verhaltenshinweise ab.
https://www.lth.se/climapp/
Mit kühlem Kopf unterwegs
An heißen Tagen steigt die Unfallgefahr, das gilt besonders für den Straßenverkehr. Nach Zahlen des ADAC tragen dazu hohe Temperaturen in den Fahrerkabinen sowie hitzebedingte Reifenschäden am Fahrzeug und Blow-ups auf der Fahrbahn bei. Aber es lässt sich gegensteuern.
In Fahrerkabinen lassen sich Sonneneinstrahlung und Hitze mit Rollos, Sonnenblenden und Klimaanlagen reduzieren. Diese sollten jedoch maximal auf sechs Grad unter Außentemperatur eingestellt werden, um Infekte oder Kreislaufprobleme beim Aussteigen zu vermeiden. Zudem empfielt der ADAC, ausreichend zu trinken, lieber leichte Kost als Schnitzel und Pommes zu essen, kühlende Körpersprays auf Wasserbasis für zusätzliche Erfrischung zu nutzen und beim Abladen die Kopfbedeckung nicht zu vergessen.
Wenn an heißen Tagen die Temperatur des Asphalts bis zu 60 Grad Celsius erreicht, lässt das Reifen weicher werden und schneller verschleißen. Stimmt dann der Druck nicht, können sie überhitzen, platzen oder sogar Feuer fangen. Der ADAC empfiehlt, in Hitzephasen mindestens einmal innerhalb von 14 Tagen den Reifendruck vor Fahrantritt zu kontrollieren und die Pneus gründlich auf Beschädigungen zu untersuchen.
Blow-ups entstehen, wenn in Hitzeperioden der Fahrbahnbelag aufplatzt und sich der Asphalt wölbt. Diese plötzlich auftretenden Unebenheiten können dazu führen, dass Fahrende das Lenkrad verreißen und auf die Nachbarspur oder in den Gegenverkehr geraten. Noch mehr als sonst ist es laut ADAC daher bei Hitze notwendig, vorausschauend zu fahren, genügend Abstand halten und den Verkehrsfunk im Radio zu hören, wo regelmäßig vor Blow-ups gewarnt wird.
Die Arbeitsstättenverordnung greift bei Hitze in der Fahrerkabine übrigens nicht. Denn „Transportmittel, die im öffentlichen Verkehr eingesetzt werden“, fallen abgesehen vom Nichtraucherschutz und der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung nicht in ihren Geltungsbereich.
Hinweise unter anderem zu Beheizung, Belüftung und Klimatisierung gibt die DGUV Information „Klima im Fahrzeug“.
https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/457
Die BG Verkehr stellt online ein „Faktenblatt Außendienst – Unterwegs bei Hitze“ zur Verfügung.
https://www.bg-verkehr.de/medien/medienkatalog/infoblaetter/faktenblatt-aussendienst-unterwegs-bei-hitze/at_download/file