Interaktiv und flexibel

Regelmäßige Unterweisungen sind ein wichtiges Instrument des betrieblichen Arbeitsschutzes und für Unternehmen Pflicht. Digitale Varianten werden immer attraktiver, da sie Zeit und Geld sparen können. Um wirksam und rechtssicher zu sein, müssen sie jedoch mehrere Bedingungen erfüllen.

Eins vorweg: „Unterweisungen sind originäre Arbeitgeberpflicht und nicht Aufgabe der Sicherheitsbeauftragten!“ Das stellt der vom Land Nordrhein-Westfalen initiierte und finanzierte Beratungsservice KomNet klar, der in den Themenbereichen Arbeitsschutz und Gesunde Arbeit eingesetzt wird. Aber natürlich können Sicherheitsbeauftragte wichtige Beiträge für und Hinweise auf aktuelle Themen einbringen und zu Unterweisungen mit herangezogen werden. „Alle Beschäftigten, also auch der oder die Sibe, können bei Unterweisungen unterstützen, wenn sie sich mit dem Thema ausreichend gut auskennen und in der Lage sind, den Beschäftigten die nötigen Inhalte zu erläutern“, sagt Gerhard Kuntzemann von der BGHM, der das DGUV-Sachgebiet Sicherheitsbeauftragte leitet. Da Sicherheitsbeauftragte nur beratend tätig sind und nicht weisungsbefugt sind, sollte die Unterweisung jedoch von einer Führungskraft durchgeführt werden. Die Gesamtverantwortung bleibt angesichts der Rechtslage ohnehin beim Unternehmer.

In der Praxis setzen allerdings – spätestens seit der Corona-Pandemie – immer mehr Unternehmen bei Unterweisungen nicht mehr auf Präsenzveranstaltungen, sondern auf digitale Formate. Der Vorteil solcher E-Learning-Programme ist, dass sie weitgehend zeit- und ortsunabhängig durchgeführt und alle Vorgänge und Nachweise zentral erfasst werden können, was den Aufwand reduzieren soll. Außerdem lassen sich die Inhalte für eine bessere Verständlichkeit je nach Zielgruppe multimedial und mehrsprachig aufbereiten. Aber sind solche E-Learning-Programme als Unterweisung ausreichend? Isoliert betrachtet nicht. Im Detail ist zwar nicht festgelegt, wie Unterweisungen durchgeführt werden müssen. Laut DGUV-Regel 100-001 „Grundsätze der Prävention“ sind jedoch grundsätzlich persönliche Unterweisungen durchzuführen und elektronische Medien lediglich als Hilfsmittel einsetzbar.

Zu den Gründen für diese Vorgabe gehört, dass in einigen Fällen eine persönliche Unterweisung rechtlich zwingend erforderlich ist – zum Beispiel im Bereich der Gefahrstoffe wegen der Gefahrstoffverordnung und der TRGS 555 oder für den Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen und beim Betreten von Gefahrenbereichen wegen der ASR A2.1. Auch Unterweisungen zur persönlichen Schutzausrüstung der Kategorie 3 müssen wegen der PSA-Benutzungsverordnung immer mit einer Übung verbunden sein.

Ausführlich äußert sich die DGUV zum elektronischen Unterweisen in ihrer Information 211-005 „Unterweisung – Bestandteil des betrieblichen Arbeitsschutzes“. Digitale Unterweisungen müssen demnach arbeitsplatzspezifische Inhalte behandeln, da sie auf der individuellen Gefährdungsbeurteilung des Unternehmens beruhen – standardisierte Unterweisungsmodule müssen also unter Umständen um unternehmensspezifische Regelungen und Besonderheiten ergänzt werden. Darüber hinaus müssen die Beschäftigten jederzeit die Möglichkeit haben, Führungskräften Fragen zum Thema zu stellen oder mit ihnen darüber ein Gespräch zu führen. „Es geht bei E-Learning-Programmen zur Unterweisung also darum, dass sie in einem Blended-Learning-Szenario umgesetzt werden“, so die DGUV: „Die Grundlagen werden elektronisch im Lernprogramm vermittelt. In einem anschließenden mündlichen Gespräch werden bei Bedarf der Bezug zu den konkreten, arbeitsplatzbezogenen Gefährdungen hergestellt und offene Fragen geklärt.“

Zu den weiteren Vorgaben gehört, dass elektronische Unterweisungen von Verständnisprüfungen begleitet und rechtssicher dokumentiert werden müssen. Verständnisprüfungen sollen sicherstellen, dass die Beschäftigten die vermittelten Inhalte verstanden haben und im Idealfall richtig im Arbeitsalltag umsetzen können – inwiefern sie tatsächlich verinnerlicht wurden, zeigt sich eigentlich aber erst, wenn Beschäftigte die betreffenden Handlungsabläufe vorführen oder einfach bei der Arbeit beobachtet werden.

Die Dokumentation der Unterweisung inklusive Datum, Unterweisungsinhalten und den Daten des Beschäftigten übernimmt bei digitalen Formaten in der Regel das System selbst. Dass damit eine absolute Rechtssicherheit verbunden ist, ist in der Branche allerdings bislang umstritten – nicht zuletzt wegen der DGUV-Regelungen, wonach Online-Unterweisungen lediglich als Ergänzungen zu klassischen Unterweisungen zu sehen sind. Rechtssicher werden digitale Formate neben den notwendigen Inhalten und der Dokumentation also erst durch die Einbindung in den konkreten Arbeitsprozess und die persönliche Kommunikation.

Fazit: Online-Unterweisungen können und dürfen mündliche Präsenzunterweisungen nicht ersetzen. Sie können aber eine wertvolle Hilfe sein, um den theoretischen Anteil der jeweiligen Inhalte zu vermitteln.

BGW-Broschüre

Die BGW hat im Mai eine aktuelle Broschüre zum Thema Unterweisung veröffentlicht. Sie befasst sich mit allen Aspekten von der Themenfindung über geeignete Methoden und Medien bis hin zu Dokumentation und Erfolgskontrolle.
https://www.bgw-online.de/resource/blob/18080/ec0cfcd3e6d049b29774072d9e117e59/bgw04-07-004-unterweisen-im-betrieb-ein-leitfaden-data.pdf

DGUV-Publikationen

Die DGUV überarbeitet zurzeit die Regel 100-001 „Grundlagen der Prävention“. Dabei soll auch das Thema Unterweisung in einigen Aspekten neu beziehungsweise anders geregelt werden. Die Neufassung soll Ende 2024 oder Anfang 2025 veröffentlicht werden. Danach wird die DGUV Information 211-005 „Unterweisung – Bestandteil des betrieblichen Arbeitsschutzes“ entsprechend angepasst. Deren überarbeitete Fassung will die DGUV in der zweiten Jahreshälfte 2025 veröffentlichen. Bis zur Neuveröffentlichung behalten die derzeitigen Fassungen ihre Gültigkeit.
https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/2942
https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/292