Leuchtfeuer im Laden
Mit Hilfe von Beacons können stationäre Händler ihre Kunden über das Smartphone ansprechen und lotsen, informieren und beraten, locken und belohnen. Sie können ihnen damit aber auch auf die Nerven gehen...
Auf den ersten Blick klingen Beacons wie ein geniales Instrument für den stationären Handel, um die Kunden aus den Weiten der digitalen Shoppingwelten wieder in Fußgängerzonen und Läden zurückzuholen. Die kleinen Sender auf Bluetooth-Basis ermöglichen am POS viele Services, die sich beispielsweise über eine App auf dem Smartphone einfach nutzen lassen: Sie lotsen Kunden im Geschäft zu den gesuchten Produkten, schlagen aufgrund der bisherigen Kaufhistorie Produkte vor, informieren über besondere Angebote, verteilen schon beim Überschreiten der Schwelle Bonuspunkte – und günstig ist die Technologie auch noch. Kein Wunder, dass die Mobile in Retail Conference in Berlin diesem Thema ein eigenes Fachforum widmete. „Mobile Anwendungen haben ein enormes Potenzial“, sagt Peter Thulson von Shopkick. Er ist sicher, dass Mobile Commerce den Handel mehr verändern wird als das Online-Shopping; der digital beeinflusste Absatz im stationären Handel wachse auch schneller als das Online-Geschäft.
Ein Selbstläufer ist der Einsatz von Beacons Thulson zufolge allerdings nicht. Neben technischen Problemen – Reichweiten der Apps, Funkinterferenzen, Batterielaufzeiten, nicht aktivierte Bluetooth-Sender der Kunden-Smartphones – müsse sich der Handel vor allem mit dem Thema Relevanz auseinandersetzen. „Die über die Beacons übermittelten Push-Messages können die Kunden verschrecken, wenn man es falsch macht, also wenn sie mehr stören als nutzen.“ Aus Angst vor Fehlern auf neue digitale Anwendungen zu verzichten, ist Thulson zufolge jedoch ein größerer Fehler. „Strategien ändern sich heute laufend. Daher wird es Sie nicht weit bringen, an einer perfekten Strategie zu arbeiten: Verkomplizieren Sie nichts, probieren Sie ein paar Sachen aus, und bleiben Sie pragmatisch.“
Die Welt nicht neu erfinden, sondern ergänzen – das empfiehlt Oliver Bohl von Payback. Er schätzt, dass in Deutschland zurzeit etwa fünf Prozent des Einzelhandelsumsatzes durch relevante Angebote in allen Kanälen incentiviert wird. Mobile Anwendungen könnten weitere Potenziale erschließen, allerdings dürfe man die Kunden nicht überfrachten. „Einer US-Umfrage zufolge finden 79 Prozent mobile Push-Werbung störend, und 77 Prozent wollen am POS nicht getrackt werden“, so Bohl. Aus seiner Sicht ist es daher besser, Kunden über Vorteile zur Nutzung von Services über Beacons zu motivieren. „Kunden erwarten dabei relevante Informationen und Angebote“, bestätigt Kai Thornagel von Mondelez. Nur so lasse sich erreichen, dass der Kunde inmitten der Informationsflut am POS diese Services nicht überfordert ausblende, sondern aktiv nutze. Thornagel schätzt, dass inzwischen etwa ein Drittel des Absatzes von Fast Moving Consumer Goods im stationären Handel digital beeinflusst ist.
„Ziel ist es, den POS nahtlos in die Customer Journey zu integrieren“, sagt René Hentschel von Beaconinside. Das lasse sich durch die Kombination von Online- und Offline-Daten erreichen. Als Beispiel nennt er den türkischen Babyartikel-Anbieter Ebebek, der einen Multichannel-Ansatz verfolgt. Mit Hilfe von in den stationären Läden installierten Beacons lassen sich beispielsweise nicht nur Laufwege nachvollziehen, sondern auch die Verweildauer in den einzelnen Zonen. Da eine längere Verweildauer auf besonderes Kundeninteresse schließen lasse, könne Ebebek dann kontextbezogene Inhalte wie beispielsweise erweiterte Produktinformationen anbieten. Als weitere Variante kann Ebebek Hentschel zufolge über Beacons erkennen, ob im Online-Warenkorb des Kunden ein Produkt liegt, wenn dieser den Laden betritt – und dem Kunden anbieten, dass Mitarbeiter ihm dieses Produkt vor Ort zeigen.
Beacons lassen sich jedoch auch händlerübergreifend einsetzen. Beispielsweise bei der Loyalty-Lösung Yoints, die bislang vor allem im Hamburger Einzelhandel zum Einsatz kommt: Nutzer der gleichnamigen App erhalten Bonuspunkte, wenn sie einen Partnershop betreten oder Barcodes ausgewählter Produkte über die App einscannen. Diese Bonuspunkte können sie wiederum gegen Prämien oder Gutscheine in Partnershops einlösen. „Unsere Partner kaufen regelmäßig Punkte nach“, so Sarik Weber von Yoints. „Das würden sie nicht machen, wenn das Bonus-System von Yoints nicht funktionieren würde.“
„Beacons können Daten und Aufmerksamkeit generieren“, sagt Sensorberg-Chef Alexander Oelling, der die Technik als Handshake zwischen der Online- und der Offline-Welt versteht. „Händler und Kunden bekommen außerdem eine Chance, in kleinem Radius zu interagieren.“ Einen besonderen Vorteil sieht Oelling darin, dass der Kunde nichts Neues lernen muss, um Services über Beacons zu nutzen, da die Technik in bestehende Apps und Devices bereits integriert ist. Ein Beacon sei letztlich nur ein Kanal, Service und Mehrwert liefere die App. Für einen solchen Kanal müsse der Handel aber keine Beacons verwenden, wendet Benjamin Burghardt von der Metro AG ein. „Zumindest in Teilen ist die Technologie austauschbar. Statt Beacons sind auch Geofence-, Wi-Fi- oder Audio-Lösungen denkbar.“
Interaktive Werbeträger
Außenwerber Ströer will in Deutschland ein flächendeckendes Beacon-Netzwerk aufzubauen. Dazu haben das Unternehmen die Erfahrungen mit dem Pilotptrojekt im Düsseldorfer Hauptbahnhof (DUS Open Playground) bewogen. Jetzt sollen in einer ersten Phase bis Ende März 2016 rund 20.000 Werbeträger an hochfrequentierten Verkehrsknotenpunkten in Deutschland mit den Sendern ausgestattet werden, der Ausbau auf insgesamt 50.000 Werbeträger ist bis Ende 2016 geplant. Ströer zufolge hat das Pilotprojekt gezeigt, dass das Interesse bei Agenturen und Werbungtreibenden groß und die Technologie vielversprechend sei. Angesichts neuer Wearables werde außerdem das Potenzial für Beacon-Anwendungen noch einmal stark zunehmen. Mit Beacons sei es möglich, die Übergänge zwischen realer und digitaler Welt zu glätten und eine Customer Journey ohne Medienbrüche zu gestalten. „Insbesondere Handelskunden werden von der Entwicklung profitieren, weil sich über die Beacon-Technolgie die Mechaniken des E-Commerce in den stationären Handel integrieren lassen“, heißt es bei Ströer.