Nachwachsende Tinte
Lebensmittel sollen unbelastet sein, ihre Verpackungen ökologisch. Die Tinte, mit der Haltbarkeitsdaten und Codierungen aufgedruckt werden, ist oft beides nicht – zumindest bisher...
„Sustainability“ heißt die Erlebnisfläche der Anuga FoodTec 2009. In Zusammenarbeit mit der Berliner Verpackungsagentur Berndt&Partner will die Fachmesse für Lebensmittel- und Getränketechnologie die Besucher für das Thema Nachhaltigkeit bei Verpackungen sensibilisieren. Parallel zur Messe veranstaltet das Hürther Nova-Institut eine eintägige „Conference on sustainable packaging“. Auch hier geht es um Glas und Metall, Kunststoffe und Kartonagen, ihre Zukunftsfähigkeit und Umweltverträglichkeit. Nicht diskutiert wird ein Stoff, der sich am Ende der Produktion auf fast jeder Verpackung befindet: die Tinte für Chargennummern, Mindesthaltbarkeitsdaten, Codierungen.
Eine Lücke, die die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) nicht verstehen kann. „Diese chemischen Mixturen können Stoffe enthalten, die bei der Produktion die Gesundheit der Beschäftigten und die Umwelt belasten“, sagt Pressesprecher Franz-Georg Elpers. Auch beim Verpackungsinhalt kann es böse Überraschungen geben. Ende 2005 beispielsweise musste Nestle in Europa flüssige Babynahrung zurückrufen, nachdem die Tinte der Tetra-Pak-Kartons chemisch mit dem Milchfett reagiert und so zu Verunreinigungen geführt hatte. Daher fördert die DBU jetzt die Firma Prometho aus dem Westerwaldort Bonefeld mit rund 78.000 Euro: Das Druckfarben-Unternehmen will eine Tinte entwickeln, deren Bestandteile sowohl unbedenklich sind als auch aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen – ein Vorhaben, das aus Sicht der DBU für die Lebensmittelbranche eine Lücke schließen könne.
In anderen Bereichen der Farbindustrie ist die Entwicklung hin zu mehr Ökologie weiter. Viele Anstriche für Fassaden und Wände tragen den Blauen Engel, und bei der drupa 2008, der Fachmesse für die Druck- und Medienindustrie, zog sich Grünes – ökologisch verträgliche Druckfarben, zertifiziertes Papier – wie ein roter Faden durch Ausstellung und Programm. Auch bei Verpackungen genießen Farben, die zum Design gehören und via Tief-, Flexo-, Konter-, Offset- oder Siebdruck verwendet werden, große Aufmerksamkeit. Anders ist es bei der Tinte, die für Codierungen aller Art berührungslos im Continuous-Inkjet-Verfahren (CIJ) aufgetragen wird: „Industriell verwendete Tinte ist ein Nischenprodukt, an das kaum jemand rangeht – nicht zuletzt wegen des großen Preisdrucks“, meint Prometho-Geschäftsführer Jens-Christoph Hoffmann. Prometho hat sich vorgenommen, bei allen Zutaten ranzugehen: Löse- und Bindemittel, Additive, Farbmittel. Ein komplexes Unterfangen, denn die Anforderungen der Industrie sind hoch. Die Tinte muss auf verschiedenen Materialien haften, diese können sehr glatt sein oder auch sehr rau, nass oder fettig. Zeit zum Trocknen bleibt wenig, wegen der schnellen Abläufe oft unter zwei Sekunden. Und das Druckbild muss kontrastreich, scharf und beständig sein.
Erstes Ziel von Prometho ist eine Tinte für nicht saugende Materialien. Als Lösemittel will Prometho Bioethanol verwenden. Hoffmann: „In konventionellen Industrietinten stecken oft leicht flüchtige Lösemittelsysteme aus Methanol, 2-Butanon, Methylethylketon (MEK) oder Aceton – aber Methanol ist als giftig eingestuft, die drei anderen als reizend.“ Herkömmliche Bindemittel sollen gegen Substanzen aus Pflanzenölen oder auf Basis von Harzen, Zellulose oder Zitronensäure ausgetauscht werden. An den Additiven wird noch gearbeitet: Die Tinte darf nicht schäumen, außerdem müssen die Tröpfchen für das CIJ-Verfahren eine bestimmte Oberflächenspannung haben. „Die härteste Nuss sind allerdings die Farbstoffe“, erklärt Hoffmann. Probleme machen demnach die Farbintensität, die Verträglichkeit in verschiedenen CIJ-Systemen und auch die Lichtechtheit. „Das Haltbarkeitsdatum darf schließlich nicht vorschnell ausbleichen.“ Eine Studentin des Fachbereichs Biochemie und Verfahrenstechnik der FH Lausitz widmet sich dem Thema jetzt bei Prometho im Rahmen ihrer Diplomarbeit – laut Hoffmann „sieht alles danach aus, dass es auf eine Pigmentpräparation hinausläuft“.
Zwischen 120.000 und 150.000 CIJ-Systeme mit einem Jahresbedarf von etwa 3 bis 3,75 Mio. Litern Tinte sind in Deutschland installiert, schätzt Hoffmann. „Bei einzelnen Bestandteilen wird bisher je nach Anwendung schon auf die Unbedenklichkeit geachtet, aber nicht bei der ganzen Rezeptur. Und der Kreislaufgedanke, wonach alle Zutaten aus nachwachsenden Rohstoffen sein sollen, fehlt oft ganz.“ Laut Sandra Büttner von Wolke Inks & Printers, einem Spezialisten für industrielle Kennzeichnungssysteme, ist eine solche Tinte bisher an der Umsetzbarkeit gescheitert. „Viel wird über das zu bedruckende Material bestimmt. Es gibt Tinte, mit der wir Lebensmittel direkt bedrucken können. Aber die ist dann wiederum für Verpackungen nicht geeignet.“ Diese Sicht teilt Franz Feuer von Domino Deutschland, einem weiteren Kennzeichnungsspezialisten. Auch sein Unternehmen forciert seit Jahren unbedenkliche Zutaten wie zum Beispiel Ethanol und verfügt über Tinten, die lebensmittelecht sind, nitrat- oder schwermetallfrei. „Aber es gibt technische Anforderungen, die man zumindest bisher so nicht lösen kann“, sagt Feuer, so dass der Einsatz von MEK- oder Acetontinten nicht ganz auszuschließen sei.
Prometho-Geschäftsführer Hoffmann ist optimistisch, dass die Rezeptur seiner neuen Tinte bis Ende des Jahres steht. Dann soll sie für saugende Materialien, andere Bereiche wie Bau- und Autoteile oder auch den Einsatz in Stempelkissen weiterentwickelt werden – wenn die Verwender bereit sind, für die Öko-Tinte teilweise höhere Preise zu zahlen. Hoffmann schätzt, dass seine Standardschwarztinte etwa 50 % teurer sein wird als die konventionellen Tinten. „Aber bei den diversen Spezialapplikationen werden wir gut mithalten können.“ Und einige große Hersteller von Lebensmitteln und Verpackungen hätten ihr Interesse schon signalisiert.