Profit per Öko-Pilot
In Einrichtungshäusern sind die Ausgaben für Energie pro Quadratmeter deutlich geringer als beispielsweise im LEH. Trotzdem sind sie ein wachsender Kostenblock. Gerade bei Neubauten setzen Möbelhändler daher auf ganzheitliche Konzepte für optimale Energieeffizienz...
Die aktuelle Frühjahrskonjunkturumfrage der deutschen Industrie- und Handelskammern sorgte für eine Überraschung. Während die befragten Einzelhändler in den vergangenen Jahren die Inlandsnachfrage als größtes Risiko für ihre Geschäfte einstuften, waren es in diesem Jahr die Energie- und Kraftstoffpreise. Denn zum einen zehren steigende Energiekosten stark am Budget der Verbraucher, zum anderen wird der laufende Geschäftsbetrieb durch Preiserhöhungen bei Öl, Gas und Strom immer teurer.
Zumindest mit Blick auf die Betriebskosten hat der Möbelhandel noch Glück. Der aktuellen EHI-Studie „Energiemanagement im Einzelhandel“ zufolge muss ein deutsches Nonfood-Handelsunternehmen jährlich im Durchscnitt über 32 Euro pro Quadratmeter Verkaufsfläche für Energiekosten aufwenden. Im Möbelhandel jedoch fallen, ähnlich wie in Baumärkten, für Energie nur gut 18 Euro pro Quadratmeter Verkaufsfläche an. Über die Hälfte dieser Kosten verursacht allein die Beleuchtung. Kein Wunder also, dass viele Händler in diesen Bereich investieren wollen, um Energiekosten zu senken: mit dem Einsatz energieeffizienter Leuchtmittel, der Berücksichtigung tagesaktueller Lichtverhältnisse und der Nutzung von Tageslicht.
Wieviel Potenzial zur Energieoptimierung darüber hinaus im Möbelhandel steckt, zeigen vor allem neu errichtete Einrichtungshäuser. Mehrere Unternehmen haben sozusagen auf Öko-Pilot umgestellt und Standorte errichtet, die so energieeffizient und ökologisch wie möglich geplant und gebaut wurden. Jüngstes Beispiel ist die am 26. Januar eröffnete Zurbrüggen-Filiale in Herne. Rund 42 Millionen Euro hat das Familienunternehmen in das nach eigenen Angaben „energieeffizienteste Möbelhaus Deutschlands“ investiert. „Optimales Energiemanagement schont nicht nur die Umwelt, sondern ist zudem eine Voraussetzung, um gut wirtschaften zu können“, begründet Geschäftsführer Christian Zurbrüggen die Entscheidung, ressourcenoptimiert zu bauen. „Mit unserem ‚grünen’ Standort in Herne sind wir als dynamisch wachsendes Unternehmen hervorragend aufgestellt für die Zukunft. Dabei setzen wir auch hinsichtlich der effizienten und umweltverträglichen Verwendung von Energie neue Maßstäbe.“
Das dreigeschossige Gebäude umfasst 29.000 qm Verkaufsfläche, gut 15.000 qm Lager sowie eine kleine Mitnahmefläche für Kleinmöbel. Neben einer LED-Beleuchtung setzt Zurbrüggen auch auf Dreifachverglasung, Wärmerückgewinnung und Spezialdämmungen. Hinzu kommt eine intelligente Haustechnik, die besonders energiefressende Belastungsspitzen elektronisch abfangen und so den Energieverbrauch deutlich senken kann – das Unternehmen geht davon aus, in Herne die maßgebliche Energiesparverordnung (EnEV 2009) um weit mehr als 20 Prozent unterschreiten zu können. Darüber hinaus sorgt Zurbrüggen für eine Regenwasserversickerung, die der Grundwasserneubildung dient. Und vor dem neuen Gebäude stehen den Kunden mehrere Tanksäulen für Elektroautos und -fahrräder zur Verfügung.
Auch bei der Ende August 2011 eröffneten Höffner-Filiale in Hamburg-Eidelstedt bleiben viele wesentliche Teile des ökologischen Gesamtkonzepts den Kunden verborgen. Sichtbar ist lediglich die 672-Kilowatt-Photovoltaikanlage, die zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme die größte Photovoltaik-Dachanlage Hamburgs war. Gut 100 Millionen Euro hat Höffner-Besitzer Kurt Krieger in den Neubau investiert – in 39.000 qm Verkaufsfläche, aber auch in ein Biomassekraftwerk, eine extensive Dämmung von Fundament, Fassade und Dach, eine energieoptimierte Lüftung, LED-Beleuchtung, eine intensive Dachbegrünung und eine begrünte Lärmschutzwand rund um den Parkplatz. „Ein ökologisches Highlight“, beschreibt der Bauherr das Objekt, das weder Öl- noch Gasanschluss benötigt und aus ökologischer Sicht den anderen Höffner-Standorten weit voraus ist. Im Vergleich zu den alten Filialen soll in Eidelstedt dank Abgaswärmetauscher die Feinstaubabsorbtion um 98 Prozent verbessert und 67 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden. Der gesamte Jahresenergieverbrauch soll um 45 Prozent sinken, der Energiebedarf für die Beleuchtung sogar um 80 Prozent.
Auf Photovoltaik setzt ebenfalls Ikea, unter anderem auch beim bislang umweltfreundlichsten Ikea-Haus in Berlin-Lichtenberg, das Ende 2010 eröffnet wurde. Aber zum Beheizen und Kühlen des Gebäudes, das über 21.000 qm Verkaufsfläche und weitere 22.000 qm Lagerfläche verfügt, nutzt das Unternehmen zum ersten Mal die Wärme des kommunalen Abwassers. Über eine 200 Meter lange Abwasserdruckleitung, die an das kommunale Abwassernetz angeschlossen ist, strömen 500.000 bis 1,4 Millionen Litern pro Stunde. Im Winter wird dem Abwasser mit Hilfe von Wärmepumpen die Wärme für die Gebäudebeheizung entzogen, im Sommer wird zur Kühlung die Wärme des Einrichtungshauses wiederum ins Abwasser geleitet. Aus der Gebäudeabluft wird mit Wärme- und Kälterückgewinnungsanlagen Energie für die Temperierung der Zuluft gewonnen, für warmes Leitungswassers sorgen eine Solarthermieanlage sowie die Abwärme aus den Kältemaschinen der Kühlzellen aus der Küche. Darüber hinaus wird ein Teil des auf dem Dach aufgefangenen Regenwassers in einer unterirdischen, 450 Kubikmeter fassenden Zisterne gesammelt und für die Toilettenspülungen im Gebäude verwendet – eine volle Zisterne reicht aus, um drei Wochen lang alle Toilettenanlagen des Einrichtungshauses funktionstüchtig zu halten. Insgesamt soll die Ikea-Filiale Berlin-Lichtenberg mit diesen Maßnahmen nicht nur bis zu 1.270 Tonnen CO2-Emissionen vermeiden, sondern auch der bislang energieeffizienteste Standort des Einrichtungsriesen sein.
Aber die Technik entwickelt sich weiter, und damit nehmen auch die Möglichkeiten zu, Einrichtungshäuser energieeffizient zu betreiben. Das weiß niemand besser als Peter Kohler, Inhaber von „Kohler – natürlich einrichten“ im oberschwäbischen Erolzheim. 2007 begann Kohler mit dem des ersten Möbelhauses in Europa mit Passiv-Energiestandard. Dank einer 46,8-Kilowatt-Photovoltaikanlage ist das Gebäude inzwischen ein Plus-Energie-Haus, das mehr Strom erzeugt, als es insgesamt verbraucht. Zu dem mehrfach ausgezeichneten Gesamtkonzept gehören unter anderem ein energetisch optimales Hüllflächen-Volumen-Verhültnis, eine ebenso ökologische wie starke Dämmung, eine optimierte Beleuchtung, eine kontrollierte Be- und Entlüftung mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung sowie Heizung und Kühlung mit Hilfe des Grundwassers und über eine Betonkernaktivierung der Galeriedecke über dem Erdgeschoss. Investitionen, die sich rechnen, so Peter Kohler: „Durch unsere vielfachen Maßnahmen haben wir heute einen Energieverbrauch für die Haustechnik, der nicht mehr zu unterbieten ist: rund 113 Euro pro Monat im Drei-Jahres-Durchschnitt für ca. 1.300 qm Nutzfläche.“
Trotzdem hat Peter Kohler viele Ideen, wie er noch effizienter und ökologischer mit der notwendigen Energie umgehen kann. Ein Ansatz betrifft das Sortiment: „Manche Wohnleuchten können leider nur mit bestimmten Lampen bestückt werden, zum Beispiel Halogen. Hier hoffen wir auf Verbesserung seitens der Leuchtenhersteller, die zu diesem Thema noch kreativere Designlösungen finden müssen.“ Kohler ist bereits dabei, die LED-Technik bei Wohnleuchten umzusetzen und auch LED-Strahler zu testen. Außerdem soll künftig ein Teil des benötigten Stroms nicht mehr aus dem Netz kommen, obwohl der Unternehmer bereits ausschließlich Ökostrom einkauft: „2012 werden wir zwei Solar-Carports mit 28,8 Kilowatt Nennleistung bauen, also Stellflächen, die Schatten und Wetterschutz für die Autos unserer Kunden spenden und gleichzeitig durch Solarzellen auf dem Dach Strom liefern. Diesen Strom werden wir weitgehend selbst verbrauchen, also unser eigenes Elektroauto laden und diesen Service kostenlos auch unseren Kunden anbieten.“ Der Grund für sein Engagement liegt für Kohler auf der Hand. „Schließlich sind Kreativität und neue Wege gefragt, wenn es um eine lebenswerte Zukunft geht.“ Und um ein Mittel gegen die steigenden Energiekosten.