Schutzhandschuhe I: Sicher im Griff
Schutzhandschuhe können nur dann optimal schützen, wenn sie zur Tätigkeit und den Bedürfnissen der Beschäftigten passen. Sicherheitsbeauftragte können viel dazu beitragen, dass der jeweils richtige Handschuh ausgewählt und dann auch richtig angezogen, getragen und ausgezogen wird.
Wenn im Juni die Teams aus Deutschland und Schottland in München zum ersten Spiel der Fußball-EM 2024 aufeinander treffen, wird neben dem Ball noch ein weiteres wichtiges Tool auf dem Platz sein: der professionelle Torwarthandschuh. 50 Jahre zuvor, beim Finale der Fußball-WM 1974, stand Sepp Maier in München noch mit einer Eigenentwicklung zwischen den Pfosten. Zusammen mit der Firma Reusch hatte er 1973 die ersten in Serie gefertigten Softgrip-Torwarthandschuhe in den Handel gebracht. Bis dahin wurde der Ball mit bloßen Händen gehalten oder mit Handschuhen aus Leder oder Wolle, die gerade greifbar waren – und das bei Bällen, die gut und gerne 100 Kilometer pro Stunde schnell sind. Heute definiert die Europäische Norm DIN EN 16027 die notwendige Beschaffenheit von Fußball-Torwarthandschuhen. Die Handschuhe müssen die Hände schützen, gut passen, fest sitzen und beim Ballkontakt über den notwendigen Grip verfügen. Eine Pflicht zum Tragen von Torwarthandschuhen gibt es trotz des Verletzungsrisikos allerdings bis heute nicht – und das unterscheidet Fußball- und viele Arbeitsplätze.
Wie wichtig ein guter Handschutz ist, zeigt die DGUV-Statistik zum Arbeitsunfallgeschehen. Im Jahr 2022 machten Handverletzungen knapp ein Drittel aller Verletzungen aus. 20 Prozent dieser Verletzungen betrafen den Daumen, 17 Prozent den Zeigefinger, 11 Prozent den Mittelfinger. Die übrigen Unfälle betrafen weitere einzelne Finger oder die gesamte Hand.
Nach dem Arbeitsschutzgesetz und der darauf basierenden Betriebssicherheitsverordnung müssen Unternehmen die notwendigen Maßnahmen zum Schutz ihrer Beschäftigten treffen. Dazu gehört auch, dass die persönliche Schutzausrüstung wie zum Beispiel Handschuhe kostenlos bereitgestellt und instand gehalten wird und der Arbeitgeber für deren sachgerechte Benutzung sorgt. Die Beschäftigten wiederum müssen Handschuhe tragen, wenn es der Arbeitgeber vorschreibt beziehungsweise wenn es aufgrund der Art der Tätigkeit und der damit verbundenen Gefährdungen geboten ist.
Dabei ist Handschuh nicht gleich Handschuh. Für Orientierung sorgen neben der Norm EN ISO 21420, die allgemeine Anforderungen und Prüfverfahren für Schutzhandschuhe regelt, etliche weitere Normen, die sich auf die speziellen Anwendungen beziehen – etwa die DIN EN 388 bei mechanischen Risiken wie Abrieb, Schnitt, Weiterreißen, Durchstich oder Stoß, die EN 511 bei Kälte, die EN 407 bei Hitze, die EN 374 bei gefährlichen Chemikalien und Mikroorganismen oder die EN 1149 bei elektrostatischer Aufladung (siehe Kasten I). Neben der Art der Gefährdung kommen weitere wichtige Aspekte hinzu, etwa die Gebrauchsdauer und die jeweiligen Anforderungen etwa an die Greiffähigkeit, die Tastempfindlichkeit und die Passform.
Worauf kommt es nun bei der Auswahl der richtigen Schutzhandschuhe an? Hauptkriterium sind natürlich der jeweilige Anwendungsbereich und die dafür notwendigen Schutzeigenschaften. Handschuhe gegen mechanische Gefährdungen beispielsweise sind mit einem Hammer-Piktogramm sowie vier Zahlen und ein oder zwei Buchstaben unterhalb oder in der Nähe des Piktogramms gekenzeichnet. Die erste Zahl ist das Ergebnis der Prüfung auf Abriebfestigkeit (X für „nicht durchgeführt“ oder 0 bis 4), die zweite Zahl das Ergebnis der Schnittfestigkeitsprüfung (X oder 0 bis 5), die dritte Zahl steht für die erreichte Stufe bei der Weiterreißfestigkeit (X oder 0 bis 4), die vierte Zahl erklärt die Durchstichfestigkeit (X oder 0 bis 4) – je höher die Ziffer, desto besser das Prüfergebnis. Der Buchstabe an der fünften Stelle zeigt das Ergebnis der Schnittfestigkeitsprüfung nach EN ISO 13997 an (KW für „kein Wert“ oder A bis F). Wenn dann an der sechsten Position noch ein „P“ steht, hat der Handschuh zusätzlich den Test auf Stoß bestanden. Bei diesen Kennzeichnungen müssen Unternehmen den Herstellern und den durchgeführten Materialprüfungen vertrauen.
Hinzu kommen weitere Faktoren, die oft entscheidend dafür sind, dass die Handschuhe auch wirklich getragen werden. Beispielsweise müssen die Handschuhe so geschnitten sein, dass sie eine gute Passform haben. Sie müssen eine möglichst große Fingerbeweglichkeit bieten sowie gute taktile Eigenschaften haben, damit sich alle Arbeitsgegenstände gut fassen und greifen lassen. Außerdem wichtig sind ein hoher Tragekomfort: Die Hände sollten möglichst wenig schwitzen, und die Handschuhe sollten leicht an- und auszuziehen sein. Hersteller und Händler von Schutzhandschuhen bieten in der Regel Beratungen vor Ort an, um sich ein umfassende Bild vom Einsatzbereich machen und in Zusammenarbeit unter anderem mit den Sicherheitsbeauftragten und den Beschäftigten optimale Produkte vorschlagen zu können. Parallel unterstützen sie bei der Erstellung eines Handschuhplans (siehe Kasten II), der neben der notwendigen Dokumentation der Schutzmaßnahmen auch für einen besseren Überblick sorgt.
Neben dem Kauf des richtigen Schutzhandschuh kommt es auch auf das richtige Tragen an. Die verschiedenen Berufsgenossenschaften geben online viele Tipps, und für einige Fragen hat die DGUV kurze Schulungsfilme erstellt (siehe Kasten III). Dabei wird vor allem eines klar: Die verschiedenen benötigten Schutzhandschuhe müssen den Beschäftigten immer in ausreichender Zahl und in individuellen Größen zur Verfügung stehen.
Bevor die Schutzhandschuhe angelegt werden, sollten die Hände sauber und trocken sein. Vor jedem Anziehen müssen die Beschäftigten zudem kurz prüfen, ob der Handschuh Risse, Löcher oder andere Beschädigungen hat – solche Exemplare dürfen nicht weiter benutzt werden, können aber in vielen Fällen vom Hersteller repariert werden. Wenn sich in Handschuhen Wärme oder Feuchtigkeit staut, sollten Handschuh-Pausen gemacht oder die Handschuhe gewechselt werden. Beflockte Innenseiten, gefütterte Handschuhe oder Baumwollhandschuhe unter den eigentlichen Schutzhandschuhen sind auch eine Möglichkeit, das Tragen angenehmer zu machen, da diese Materialien Schweiß gut aufsaugen können. Von der Benutzung spezieller Hautschutzmittel, die die Hauterweichung durch das Schwitzen in Handschuhen verringern sollen, wird nach heutigem Kenntnisstand abgeraten. Und damit keine Flüssigkeiten in die Schutzhandschuhe laufen können, sollte bei längeren Handschuhen der Stulpenrand immer nach außen umgeschlagen werden.
Beim Ausziehen der Handschuhe – speziell von Chemikalienschutzhandschuhen – darf die Außenseite der Handschuhe nicht mit der ungeschützten Hand berührt werden, um Kontakte mit Schadstoffen zu vermeiden. Die Handschuhe selbst sollten dann je nach Material ausgeklopft oder mit klarem Wasser abgespült und dann an einem gut belüfteten Ort aufbewahrt werden, damit der Schweiß in den Handschuhen verdunsten kann. Stark verschmutzte Handschuhe sollten wenn möglich gründlich gereinigt werden; auch diesen Service bieten inzwischen viele Hersteller an. Die Hände sollten nach dem Ausziehen erneut gewaschen und danach mit geeigneten Mitteln gepflegt werden.
Wenn die im Unternemen verwendeten Schutzhandschuhe nicht nur für die Tätigkeit geeignet sind, sondern zudem gut passen und komfortabel sind, werden sie auch getragen und können ihre Aufgaben zum Schutz der Beschäftigten erfüllen. Bei Torwarthandschuhen gibt es da übrigens noch Nachholbedarf: Viele Modelle verfügen über Protektionsstäbe in der Oberhand, um die Finger zu stabilisieren und ein Umknicken nach hinten zu verhindern. Allerdings schränkt das die Beweglichkeit der Finger ein, was sich beim Fangen und Fausten des Balles negativ auswirken kann, weshalb viele Torhüter die Protektoren zumindest zeitweise entfernen. Hier haben Fußball und Unternehmen etwas gemeinsam: Die Wahrheit is auf'm Platz.
Kasten I: Leitfaden für den Gebrauch und die Auswahl von Schutzhandschuhen
Insgesamt mehr als 30 Normen beschreiben die gängigsten Schutzeigenschaften von Handschuhen für verschiedene Anwendungsbereiche. Daher hat der DIN-Normenausschuss „Handschutz“ einen unterstützenden Leitfaden (ISO/TR 8546) für die Auswahl der richtigen Schutzhandschuhe entwickelt, den es seit Mitte 2023 auch auf deutsch gibt. Der allgemeine Teil des Leitfadens beschreibt gesetzliche Anforderungen und geht auf grundsätzliche Themen zur Benutzung von Schutzhandschuhen ein. Abschnitt 4 beschreibt allgemeine Grundsätze der Auswahl – unter anderem die systematische Durchführung von Trageversuchen. In Abschnitt 5 geht es um die richtige Benutzung von Schutzhandschuhen, in Abschnitt 6 um die richtige Unterweisung. Die Anhänge behandeln spezifische Gefährdungen im Detail sowie welche Leistungsmerkmale, Leistungsstufen und Schutzklassen es bei den Schutzhandschuhen gibt.
https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/nps/veroeffentlichungen/wdc-beuth:din21:366543450 Einen ersten Überblick bietet auch die DGUV Regel 112-995 zur Benutzung von Schutzhandschuhen. Diese wird jedoch gerade überarbeitet.
https://publikationen.dguv.de/regelwerk/dguv-regeln/1356/benutzung-von-schutzhandschuhen
Kasten II: Handschuhplan
Ein Handschuhplan legt genau fest, welcher Handschuh zu welcher Tätigkeit verwendet werden soll. In manchen Betrieben gibt es eigene Handschuhpläne, in anderen ist das Thema Handschuhe Teil eines umfassenden Hand- und Hautschutzplans, der neben den Schutzhandschuhen auch die richtigen Hautschutz-, Hautreinigungs- und Hautpflegemittel für den jeweiligen Arbeitsplatz umfasst. Solche Pläne hängen am besten an zentralen Stellen wie den Waschplätzen, dem Arbeitsplatz oder im Aufenthaltsraum. Die jeweils für die Tätigkeit passenden Handschuhe können entweder als Foto abgebildet oder als Beispielexemplar dazu gehängt werden.
Vorlagen für solche Pläne gibt es unter anderem bei der DGUV (https://www.dguv.de/fb-psa/sachgebiete/sachgebiet-hautschutz/hautschutzplan/index.jsp) aber auch bei den Berufsgenossenschaften wie etwa der BG RCI (https://downloadcenter.bgrci.de/shop/mba/haut).
Kasten III: Kurzfilme der DGUV
Die DGUV hat mehrere kurze Filme zur Verwendung von Schutzhandschuhen gedreht. Unter anderem geht es darum, wie Chemikalienschutzhandschuhe ausgezogen und wieder eingesetzt werden, wie Schutzhandschuhe zum Entsorgen ausgezogen werden und wie man Stulpen umklappt. Jeder Film zeigt zunächst eine Aufgabenstellung aus der Praxis und dann eine mögliche Lösung.
https://www.dguv.de/fb-psa/sachgebiete/sachgebiet-schutzkleidung/kurzfilme/index.jsp
Kasten IV: Keine Regel ohne Ausnahme
Wenn die Gefahr besteht, von rotierenden Maschinenteilen erfasst zu werden, dürfen keine Schutzhandschuhe getragen werden! Das gilt beispielsweise für Tätigkeiten an Bohr-, Fräs- oder Drehmaschinen.