Schutzhandschuhe II: Länger in Gebrauch

Auch bei Schutzhandschuhen rückt das Thema Nachhaltigkeit immer stärker in den Fokus. Davon profitieren nicht zuletzt die Beschäftigten, die bei der Arbeit Handschuhe nutzen: Viele Modelle können nicht nur gewaschen und   so länger verwendet werden, sondern sind dank verschiedener Innovationen zudem angenehmer zu tragen.

Mehr Kreislaufwirtschaft, mehr wiederverwertete Kunststoffe, weniger Müll, weniger CO2, insgesamt geringere Belastungen für das Ökosystem – das sind die Ziele der neuen EU-Textilstrategie. Mit einer umweltfreundlicheren Produktion allein ist es künftig also nicht getan, schließlich gilt eine längere Lebensdauer von Textilerzeugnissen als die wirksamste Methode für die Reduzierung der Auswirkungen auf Klima und Umwelt. Das betrifft nicht nur schnelllebige Mode, die als Fast Fashion bekannt ist, sondern auch Schutzhandschuhe und andere PSA-Produkte. Viele Hersteller integrieren bereits Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Unternehmens- und Entwicklungsstrategien. Gleichzeitig optimieren sie mit vielfältigen Innovationen die Schutzfunktion und die Trageeigenschaften ihrer Handschuhe.

Waschzyklus verkürzen

„Nachhaltigkeit ist ein Trend, der zunehmend an Fahrt aufnimmt. Dabei müssen vier Felder betrachtet werden: ressourcenschonende Materialien, Produktionsverfahren, Rücknahme und Recycling“, sagt Christoph Hörmann, Director Personal Protective Equipment bei der Hoffmann Group. Als Hersteller könne die Hoffmann Group die Zusammensetzung der Materialien sowie die Fertigungsverfahren gut kontrollieren und mitbestimmen. Entsprechend habe das Unternehmen 2023 seine ersten Garant-Mehrzweck- und Schnittschutzhandschuhe der Serie GreenPlus mit bis zu 78 Prozent recyceltem Material in das Sortiment aufgenommen. „Angesichts der steigenden Nachfrage nach recyceltem Nylon rücken zudem die Themen Rücknahme und Recycling weiter in den Fokus“, so Hörmann weiter. „Letztendlich können auch die Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit beitragen, indem sie bei wiederverwendbaren Handschuhen den Waschzyklus verkürzen. Durch regelmäßiges Waschen bleiben die Fasern elastisch, die Handschuhe kommen wieder in Form und die Haltbarkeit steigt.“

Mehr Schutz für Allergiker

Ein weiterer Trend ist Hörmann zufolge die Verbesserung des Tragekomforts durch neue Stricktechnologien und eine neue Generation von Hightech-Materialien, die es erlauben, sehr dünne Handschuhe mit bis zu 21 Gauge und hohen Schnittschutzwerten bis Klasse F zu fertigen. „Hinzu kommen besonders atmungsaktive und kühlende Materialien, die zu jeder Jahreszeit für ein angenehmes Klima im Handschuh sorgen“, so Hörmann. Angesichts des Fachkräftemangels steige auf Arbeitgeberseite zudem verstärkt das Interesse an dermatologisch getesteten Spezialhandschuhen, beispielsweise für Beschäftigte, die eine Allergie entwickelt haben. Bei dermatologisch getesteten Handschuhen für extrem empfindliche Haut und für Allergiker sieht die Hoffmann Group auf dem Markt noch Nachholbedarf, ebenso beim Tragekomfort in den höheren Schutzklassen. Insgesamt seien die heutigen High-Tech-Handschuhe jedoch qualitativ schon sehr hochwertig und würden in der Regel sehr gut angenommen und konsequent benutzt.

Strapazierfähig und geschmeidig

„Branchenübergreifend wächst die Nachfrage nach Schutzhandschuhen mit hohem Schnittschutz. Gleichzeitig steigen die Anforderungen. Der Handschuh muss guten Grip haben, möglichst dünn sein für die Haptik und auch die nachhaltige Produktion spielt eine Rolle. Ebenso muss ein Tablet bedient werden können, ohne dass der Handschuh ausgezogen werden muss“, sagt Werner Schwarzberger, Regional Sales Director bei Ejendals. Das Unternehmen habe daher das Sortiment weiterentwickelt und aufgestockt, zum Beispiel mit dem Tegera 8846, dem aktuell dünnsten Schutzhandschuh Cut F auf dem Markt. „Der technologische Fortschritt ermöglicht die Herstellung von immer dünneren Handschuhen ohne Einbußen beim Schnittschutz. Während 18-Gauge-Handschuhe zu einer Revolutionierung bei der Fingerfertigkeit geführt haben, setzt unsere 21-Gauge-Innovation einen neuen Standard in Sachen Schnittschutz“, so Schwarzberger weiter. Mit dem Schnittschutzhandschuh der Klasse D/ANSI-Klasse A4 mit CRF Omni-Technologie habe Ejendals zum Beispiel einen Handschuh entwickelt, der gleichzeitig strapazierfähig und besonders geschmeidig sei. „Multifunktionalität, hohe Trageakzeptanz und Nachhaltigkeit sind die Trias, auf die es ankommt“, so Schwarzberger.

Durchgängige Fertigung

Bei ATG besteht der entscheidende Dreiklang aus Leistung, Haltbarkeit und Komfort. Und: „Das Thema Nachhaltigkeit bekommt auch bei Schutzhandschuhen einen immer höheren Stellenwert“, beobachtet Karl-Heinz Hobbelink, Country Manager bei ATG. Das Unternehmen besitzt mehrere Fertigungsanlagen in Sri Lanka und ist ein voll integrierter Hersteller. „Kein einziger Schritt in der Herstellung unserer Handschuhe ist ausgelagert: Wir kümmern uns selbst um alle Fertigungsschritte, vom Veredeln und Drehen des Garns über das Stricken des Futters bis zum Beschichten, abschließenden Bearbeiten und Verpacken der Produkte. Das ist ein wichtiger Vorteil für die Entwicklung von Produkten vom Laborkonzept bis zur Produktionsreife, aber auch für mehr Nachhaltigkeit von Anfang des Produktionsprozesses an“, so Hobbelink. Das Unternehmen nutzt unter anderem eigene PV-Anlagen, Prozesswasseraufbereitung und Abfallvermeidung, nicht vermeidbare CO2-Emissionen werden mit der Förderung von Aufforstungsprojekten, Mangrovenwäldern und zukünftig Seegraswiesen ausgeglichen.

Zum Waschen ausgelegt

Weiterer wichtiger Baustein ist Hobbelink zufolge, dass die Handschuhe selbst durch Waschen möglichst lange im Kreislauf gehalten werden können. „ATG-Handschuhe werden bereits vor der Auslieferung noch im Werk das erste Mal gewaschen, so kann es später kein Einlaufen geben – ein großer ATG-Kunde wäscht unsere Handschuhe bis zu zehn Mal.“ Die in die Handschuhe integrierte Sanitized-Hygienefunktion sei ein großer Vorteil, da Feuchtigkeit damit kein Problem mehr sei – weder beim längeren Tragen noch nach dem Waschen. Als Reaktion auf die wärmeren Sommer hat ATG zudem seine AD-APT-Technologie entwickelt. Diese macht Handschuhe nicht nur atmungsaktiv, sondern versieht sie zusätzlich mit einer Kühlfunktion gegen schwitzende Hände: Der Stoff enthält Mikrokapseln mit ätherischem Öl, die durch Bewegung sowie Wärme aktiviert werden. Das führt zu einem Kühleffekt sowie einem leichten Duft, der von den Beschäftigten als angenehm und hygienisch wahrgenommen wird.

Adaptive Anpassung an jede Hand

„Unsere Handschuhe stehen für eine optimale Verbindung von Schutz und Komfort. Daher gibt es heute für Beschäftigte keinen Grund mehr, auf Handschuhe zu verzichten – zumal, wenn dieser wirklich gut passt“, sagt Dennis List, Head of Product Group Management bei Uvex. Das Unternehmen hat dafür beispielsweise Handschuhe mit adaptiver Passform entwickelt, was bedeutet, dass sich der Handschuh innerhalb von drei bis fünf Minuten Tragedauer jeder individuellen Handform exakt anpasst. Die Strickleistung für die Handschuhe ist extern vergeben, die textilen Materialien hat Uvex aber selbst entwickelt. Seit 27 Jahren wird neben Kunststoff auch die schnell nachwachsende Naturfaser Bambus verstrickt – Ergebnis ist eine kühlende, feuchtigkeitsregulierende Fasermischung mit hohem Tragekomfort.

List rät Sicherheitsbeauftragten, sich bei der Suche nach dem perfekten Handschuh von Herstellern oder Händlern beraten zu lassen – sich gemeinsam die konkrete Anwendung im Betrieb anzuschauen und dann den optimalen Handschuh zu bestimmen, sei der beste Weg. Normen wie die EN 388 seien grundsätzlich hilfreich, wegen variierender Prüfergebnisse allein aber nur bedingt aussagekräftig. Beispielsweise könne ein Handschuh mit Abriebwert 3 länger halten als einer mit Abriebwert 4, da der Wert allein nichts über Standzeit und Haltbarkeit aussage.

PET-Flaschen werden knapp

„Der Trend geht zu immer dünneren Handschuhen“, so List weiter. Der Strick allein habe dabei wenig Aussagekraft, entscheidend sei die Beschichtung – und auch diese werde dank neuer Entwicklungen immer leistungsfähiger, atmungsaktiver und nachhaltiger. Produkte, die von der Entwicklung über die Fertigung bis hin zu Verpackung oder Vertrieb als besonders nachhaltig eingestuft werden können, kennzeichnet Uvex mit dem Label „protecting planet“. Dazu gehört beispielsweise ein hoher Anteil Polyamidrecyklat. „Unser Ansatz ist es, Abfälle aus Garnproduktion wieder für die Garnproduktion zu verwenden. Hier als Basis PET-Flaschen zu nutzen, ist eher kritisch zu sehen. Denn aktuell gibt es nicht genügend gebrauchte PET-Flaschen auf dem Markt für alle Hersteller, die sie für die Produktion verwenden wollen“, erklärt List.

Damit Verwender die Ökobilanz genau nachvollziehen können, hat das Unternehmen den CO2-Abdruck der Herstellung für verschiedene Modelle analysiert und die Werte veröffentlicht. Und auch für hohe Standzeiten, also eine lange Nutzungsdauer bis zum Erreichen der Verschleißgrenze, setzt sich Uvex ein. „Wir wollen mit verschiedenen Ansätzen dafür sorgen, dass unsere Handschuhe möglichst lange getragen werden können, beispielsweise indem wir sehr langlebige und robuste Beschichtungen entwickeln“, so List. „Zudem bietet unser Kompetenzzentrum Handschutz in Lüneburg eine hohe Flexibilität in der Entwicklung innovativer Textil-Beschichtungs-Kombinationen.“

Forschungsprojekt zum Recycling

Bei dieser Verbindung von Textil und Beschichtung setzt das aktuelle Forschungsprojekt SepCoTex der Unternehmensgruppe Seiz an. Kern ist die Entwicklung eines Verfahrens, um Textilien und Beschichtungen nach der Nutzung trennen und die Basisrohstoffe wiederverwerten zu können. Dafür kooperiert das Unternehmen mit dem Institut für Materialwissenschaften der Hochschule Hof. Ein weiterer Schwerpunkt des Unternehmens in Sachen Nachhaltigkeit ist die Serie Diptex Green, deren Produkte unter Berücksichtigung von umweltfreundlichen Materialien, Produktionsprozessen und Verpackungslösungen hergestellt werden. Zudem leistet Seiz für jeden verkauften Handschuh der Modelle Diptex 120 Green und Diptex 180 Green einen freiwilligen Beitrag zu einem Umweltschutzprojekt in der Größenordnung des vorher errechneten CO2-Fußabdrucks.

Bei der Produktentwicklung sieht Seiz einen wichtigen Trend: Schnittschutzhandschuhe beispielsweise müssen nicht nur zuverlässig schützen, sondern gleichzeitig auch bequem, flexibel und feinfühlig sein, um filigrane Tätigkeiten ausführen zu können. „In unserer Diptex Cut-Serie finden sich für die Schnittschutzklassen C bis F Modelle, die diesen Anforderungen entsprechen. Zudem sind die Modelle allesamt touchscreenfähig, um die Arbeit nicht unterbrechen zu müssen, wenn Displays zu bedienen sind“, teilt Seiz mit. Mittlerweile sind Schnittschutzhandschuhe gefragt, die genauso dünn sind wie Montagehandschuhe, also 18 Gauge und mehr.

EU-Textilstrategie

Die EU-Textilstrategie verfolgt eine klare Vision: Bis 2030 sollen alle Textilerzeugnisse, die in der EU auf den Markt kommen, langlebig, reparierbar und recyclingfähig sein. Ein zentraler Bestandteil dieser Strategie ist die Einführung verbindlicher Regelungen zur erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) für Textilien, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich gelten sollen. Unter anderem werden Hersteller dazu verpflichtet, die Kosten für die Bewirtschaftung von Textilabfällen zu tragen, um Anreize für die Entwicklung abfallreduzierender Produkte zu schaffen. Die Höhe dieser Kosten ist an die Umweltauswirkungen der Textilien gekoppelt, was als „Ökomodulation“ bekannt ist. Ab 2025 sollen die EU-Mitgliedstaaten systematisch Textilien getrennt sammeln, wobei die finanziellen Beiträge der Hersteller in die Schaffung von Kapazitäten für Sammlung, Sortierung, Wiederverwendung und Recycling fließen sollen. 
https://environment.ec.europa.eu/strategy/textiles-strategy_en