Tageslicht III: Kunstlicht – keine vollwertige Alternative
Nicht bei allen Räumen ist es möglich, Decken oder Wände mit Öffnungen nach außen zu versehen. Kunstlicht kann das fehlende Tageslicht jedoch nur teilweise kompensieren.
Jedes direkt oder indirekt in das Auge fallende Licht – natürlich und künstlich – führt zu nicht-visuellen Wirkungen. Da liegt der Gedanke nahe, bei fehlendem Tageslicht in Arbeitsstätten auf eine künstliche biologisch wirksame Beleuchtung zurückzugreifen. Diese Beleuchtungskonzepte ermöglichen es zwar, die innere Uhr des Menschen zu berücksichtigen und die Beleuchtungsstärke, die Lichtfarbe und die Lichtverteilung im Raum über den gesamten Tag hinweg daran anzupassen. Die volle Dynamik des Tageslichts lässt sich der Brancheninitiative licht.de zufolge jedoch bislang nicht mit künstlicher Beleuchtung erreichen. Machbar sei allerdings, den biologischen Rhythmus der Beschäftigten zu unterstützen, was sich positiv auf Wachheit, Stimmung und Konzentration auswirke.
In Büroräumen beispielsweise können laut licht.de großformatige Leuchten und aufgehellte Decken nach dem Vorbild des Himmels tagsüber für eine flächige Beleuchtung sorgen, die mit hohen Blauanteilen im Licht und Beleuchtungsstärken von mindestens 250 Lux am Auge belebend wirkt. In den Abendstunden dagegen sollte die Beleuchtung nicht mehr aktivierend wirken, besser seien dann gerichtetes, warmweißes Licht aus direkt strahlenden Leuchten und eine reduzierte Helligkeit. Auch in Industriehallen mit Schichtbetrieb könne man Beleuchtungsstärke und Blauanteile im Licht bis zur Mittagszeit kontinuierlich ansteigen und dann langsam bis zum Abend wieder abnehmen lassen; nachts sollte kein tageslichtweißes Licht eingesetzt werden. Weitere Informationen dazu gibt es in der DGUV-I 215-220 „Nichtvisuelle Wirkung von Licht auf den Menschen“ (https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3247).
Das bestätigt der Ausschuss für Arbeitsstätten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. „Tagsüber erscheint eine dynamische künstliche Beleuchtung, bei der Lichtfarbe, Beleuchtungsniveau oder Lichtverteilung verändert werden, unbedenklich, wenn sie sich am gleichzeitig unter freiem Himmel vorhandenen natürlichen Licht orientiert und sich dabei im Rahmen der für die Innenraumbeleuchtung mit künstlichem Licht empfohlenen Verhältnisse bewegt“, heißt es in einer ASTA-Empfehlung. Nachts seien jedoch hohe Beleuchtungsstärken am Auge kritisch, insbesondere in Verbindung mit kalten Lichtfarben. „Diese führen zu einer Aktivierung, die am späten Abend oder in der Nacht mit einer Störung der inneren Uhr mit möglichen negativen Folgen für die Gesundheit verbunden sein kann. Für das Sehen erforderliche Beleuchtungsstärken sollten in der Nacht eher mit warmen bis neutralweißen Lichtfarben gegeben werden.“
Ein Beispiel ist das im Sommer 2022 installierte Beleuchtungskonzept in der zentralen Messwarte der Hansen & Rosenthal GmbH & Co. KG im niedersächsischen Salzbergen. „Wir mussten die Neugestaltung dringend in Angriff nehmen, damit die Lichtverhältnisse zukünftig nicht nur den Arbeitsstättenregeln beziehungsweise DGUV-Vorschriften etc. genügen, sondern den Beschäftigten trotz des fehlenden Tageslichts ein Arbeitsumfeld schaffen, das ihnen eine möglichst angenehme Atmosphäre bereitet“, so Projektleiter Paul Seggering, der bei H&R für Elektrotechnik und Engineering zuständig ist. Vier bis fünf Personen besetzen demnach die Messwarte rund um die Uhr. Für die Beleuchtung hat die Firma Emslicht zum einen eine Lichtvoute installiert, welche die Decke wie ein Kranz umläuft, ein warmes Licht abstrahlt und bei Bedarf leicht zu dimmen ist. Zudem kommen Pendelleuchten für die Plätze an den Leitständen und Deckenstrahler für die seitlichen Arbeitskonsolen zum Einsatz.
Neues Highlight des Kontrollraums ist eine dreiteilige Wolkendecke, die den fensterlosen Raum mit gefühltem Tageslicht versehen soll. Dafür werden bedruckte Acrylglasplatten von LED-Platinen hinterleuchtet, deren Farbtemperatur das natürliche Licht nachempfinden sollen. Die Sonne wird dabei versetzt platziert, um den Effekt eines „Fensters in den Himmel“ zusätzlich zu verstärken. Während der Nachtschicht lässt sich die Wolkendecke einfach ausschalten, und auch alle anderen Beleuchtungselemente lassen sich unabhängig voneinander steuern und dimmen. Das gesamte Konzept schont Paul Seggering zufolge übrigens nicht nur die Augen, sondern auch den Stromverbrauch.