Über App und Web die Gesundheit fördern
Die digitale Vernetzung bringt nicht nur Vorteile für Verwaltung und Produktion. Auch für die Gesundheitsförderung ergeben sich für Unternehmen neue Chancen und Möglichkeiten...
Schon seit fast zwei Stunden arbeitet Silvia an der neuen Präsentation. Sie ist so konzentriert, dass sie gar nicht merkt, wie angestrengt ihre Augen sind und wie verspannt die rechte Schulter. Dass eine kurze Auszeit gut tun würde, kommt ihr daher gar nicht in den Sinn. Dass sie trotzdem eine Pause macht und dabei Augen und Muskulatur entspannt, liegt an Workrave: Die kostenlose Software lässt nach zwei Stunden PC-Arbeit zunächst ein kleines Erinnerungsfenster auf dem Bildschirm aufpoppen und animiert Silvia dann zu fünf kleinen aber effektiven Übungen – beide Parameter hatte Silvia bei der Installation des Tools so eingestellt. Nach der kurzen Entspannungszeit arbeitet sie dann mit neuem Schwung weiter.
So wie Silvia setzen viele Menschen auf digitale Helfer, wenn es darum geht, etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Das Internet dient dabei in erster Linie nicht mehr als Online-Bibliothek, sondern als Plattform für digitale Vernetzung und sozialen Austausch sowie als Quelle für nützliche Tools. Bei den Smartphone-Nutzern beispielsweise verwenden einer Studie des Digitalverbands Bitkom zufolge bereits 45 Prozent Gesundheits-Apps – mit steigender Tendenz. Für die Nutzer sind Apps demnach Ansporn zu mehr Bewegung, Unterstützung bei der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten oder Informationsquelle zu Gesundheits- und Präventionsthemen.
Dass technische Neuerungen wie Smartphones und Apps, Wikis, Foren und Blogs im privaten Bereich immer selbstverständlicher genutzt werden, befördert zugleich ihren Einsatz am Arbeitsplatz. Auch hier gehen die Möglichkeiten weit über ein virtuelles schwarzes Brett hinaus, vor allem bei betrieblichen Gesundheitsangeboten. Denn egal ob es um Yoga- oder Laufgruppen im Unternehmen geht, Kurse zu besserer Ernährung oder Stressprävention, Tipps zu Sicherheit oder Ergonomie: Alles lässt sich virtuell und interaktiv über Intra- oder Internet unterstützen, und die Beschäftigte können unabhängig von räumlichen und zeitlichen Einschränkungen darauf zugreifen.
Einer Untersuchung der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) zufolge nutzen zwei Drittel der Unternehmen bereits Web-2.0-Anwendungen oder planen deren Einsatz. Am stärksten verbreitet sind soziale Netzwerke wie Facebook oder Xing zum Beispiel für Terminabsprachen und das Informationsmanagement. Aber auch für die betriebliche Gesundheitsförderung setzen laut iga bereits zahlreiche Unternehmen auf digitale Wege, vor allem E-Learning-Tools und Gesundheits-Apps. Inhaltlich sind dabei die Themen Stressprävention, Sport und Fitness sowie Ernährung am weitesten verbreitet.
„Für viele Unternehmen ist die Digitalisierung erstmal eine willkommene Vereinfachung“, sagt Sören Brodersen vom Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung der AOK Rheinland/Hamburg in Köln. Er hat gemeinsam Patricia Lück, die als Referentin für betriebliche Gesundheitsförderung im AOK-Bundesverband arbeitet, den iga-Wegweiser „Apps, Blogs und Co. – Neue Wege in der betrieblichen Gesundheitsförderung?“ verfasst. Aus Brodersens Sicht kann die Digitalisierung neben der Vereinfachung auch eine Bereicherung für die betriebliche Gesundheitsförderung sein, unter anderem wenn immer wieder und anlassbezogen kleine Aktionen angestoßen werden – zum Beispiel indem im Sommer eine Trink-Erinnerungs-App vorgestellt wird und parallel dazu im Gesundheitsforum Tipps zum Umgang mit Hitze im Büro im veröffentlicht werden. Der BGF-Experte erwartet, dass die Selbstverständlichkeit solcher Angebote in den kommenden fünf Jahren zunimmt. Und: „In vielen Unternehmen wird digitale Prävention bestimmte analoge Angebote begleiten, ergänzen oder ersetzen können.“
Als größte Risiken für die Umsetzung von Web 2.0 auf Unternehmensebene hat die iga übrigens den Aufwand für Einrichtung und Pflege sowie den Datenschutz ermittelt. Brodersen empfiehlt, frühzeitig die Datenschutzbeauftragten und die Mitarbeitervertretung einbeziehen und ergebnisoffen über die Machbarkeit der angedachten Vorhaben zu diskutieren. Zunächst sollte man überlegen, welche Ziele mit dem Vorhaben verfolgt werden – und erst im zweiten Schritt prüfen, ob eine App oder ein Forum dabei unterstützen kann.
„Nicht alles ist besser, nur weil es digital ist“, so Brodersen: „Wenn man dann gezielt nach einer digitalen Lösung sucht, gelten die gleichen Regeln wie im Hausgebrauch: Wer ist der Anbieter, welcher Datenschutzstandard wird erfüllt, wie benutzerfreundlich ist die Lösung?“ Dabei dürfe nie vergessen werden, wie sensibel gesundheitsbezogene Daten sind – auch wenn Beschäftigte sie freiwillig offenlegen. Unternehmen müssten daher in Foren und Chatgroups aufpassen, welche Themen sie zulassen oder gar forcieren. „Als Arbeitgeber kann ich keine Gesundheitsberatung anbieten“, so Brodersen: „Und manchmal muss ich Beschäftigte auch davor schützen, zu viel von sich preiszugeben.“
Wegweiser zu Apps, Blogs und Co.
Wie verbreitet sind Web 2.0-Anwendungen in deutschen Unternehmen aktuell und wofür werden diese Anwendungen eingesetzt? Der Wegweiser „Apps, Blogs und Co. – Neue Wege in der betrieblichen Gesundheitsförderung?“ der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) gibt einen Überblick über die aktuelle Nutzung, die Vor- und Nachteile verschiedener Lösungen sowie die Fallstricke und Risiken. Zudem enthält der Wegweiser Tipps und Empfehlungen für Unternehmen, die Web 2.0 in die betrieblichen Strategien zur Gesundheitsförderung integrieren möchten.