Wo das Mobiliar tanzt
In einem Laden für Tanzbekleidung darf die Inneneinrichtung nicht steif und statisch anmuten. Daher hat Produktdesigner Holger Jahns für das Berliner Fachgeschäft „Hacke & Spitze“ das Mobiliar optisch von der Schwerkraft befreit...
Das Sortiment des Kreuzberger Ladens „Hacke & Spitze“ steht für beschwingte Leichtigkeit: Profi- und Hobbytänzer decken sich hier mit Tango-, Swing- oder Spitzenschuhen ein, mit Trikots und Tutus, Kleidern und Röcken. Diese Leichtigkeit hat der Berliner Produktdesigner Holger Jahns auf die Ausstattung des Fachgeschäfts übertragen. Auf der etwa 180qm großen Verkaufsfläche gerät selbst Beton in Bewegung: Die Spitzenschuhe für Ballett-Tänzerinnen – die es nicht nur in halben Größen, sondern zudem in bis zu sechs unterschiedlichen Breiten, vier unterschiedlichen Sohlenstärken und etlichen Blattlängen gibt – werden bei „Hacke & Spitze“ zwischen gewelltem Faserzement präsentiert.
Herzstück des Geschäfts jedoch sind Boxen aus Aluminium, wie sie normalerweise von Industrieunternehmen oder Krankenhäusern verwendet werden. Jahns setzt sie in verschiedenen Größen als Wandvitrinen oder Schuhcontainer ein und befreit sie dabei optisch von der Schwerkraft: Für die Vitrinen wurde ein Teil der Aluminiumbleche durch Glas ersetzt, sie scheinen förmlich an den Wänden zu schweben. Und die Schuhcontainer hebt er dank dreibeiniger Stative nicht nur vom Boden ab, sondern kippt sie wie tanzende Figuren leicht aus der Senkrechten. Die Rohre dieser Stative sind untereinander mit gegossenen massiven Aluminium-Beschlägen verbunden, wie sie bei der Innenausstattung von Straßenbahnen und Bussen zum Einsatz kommen. Jahns war es wichtig, diese Verbindungen zu montieren und nicht fest zu verschweißen: Sichtbare Gelenke wirken viel beweglicher.
Der Weg zu dieser Leichtigkeit war allerdings schwer, denn speziell die Schuhcontainer müssen nicht nur schön, sondern auch funktional sein. Sie dürfen weder klein gewachsene Kundinnen überragen noch die Standfestigkeit der auf den Oberkanten präsentierten Schuhe gefährden, gleichzeitig muss der mit Schuhkartons gefüllte Stauraum ungehindert zugänglich sein und den Nachschub rutschfest beherbergen. „Entscheidend ist zudem, dass das dynamische Arrangement auch bei voller Beladung sicher steht, zumal der Holzboden des Ladens leicht schwingt“, erklärt Jahns. Statt mit Prototypen hat er die tanzenden Container mit der Software Grasshopper 3d entwickelt. „Ich habe eine inverse Kinematik programmiert, die per Schieberegler das Posen der Figuren und in jeder Lage das Auslesen des Schwerpunkts erlaubte. Dann ließen sich die eigenlichen Bauteile mit Schablonen markieren und anschließend in Serie fertigen.“
Auch die Farbe der Vitrinen und Schuhcontainer ist eine Sonderentwicklung für „Hacke & Spitze“. Die Aluminiumboxen sind nicht ganz sortenrein, daher war Eloxieren keine Option. Statt dessen entwickelte Jahns eine lasierende Beschichtung auf Basis eines glasharten Nano-Lackes. Da der Lack sehr dünn ist, bleiben der Glanz des geschliffenen Blechs ebenso erhalten wie der kühle Griff. Gleichzeitig sorgt der dunkle, zwischen braun und rot changierende Ton für die notwendige optische Ruhe in dem sonst so bewegten Raum.