Drohnen: Hilfe von oben
Wenn es brennt, Chemikalien austreten oder Unbefugte ein Betriebsgelände betreten, ist zielgerichtetes Handeln gefragt. Das Unternehmen Securitas Fire Control + Service hat eine Drohne entwickelt, die beim Überflug schnell alle dafür relevanten Daten liefern kann und damit gleichzeitig die Risiken für die Kollegen am Boden deutlich reduziert...
Dichter Rauch dringt aus dem Kesselwagen mit hochexplosiver Ladung. Daneben liegt ein bewusstloser Mann, der wegen Qualms kaum zu sehen ist. Jederzeit kann es eine Explosion geben, zudem ist noch unklar, welche Chemikalie genau der Kesselwagen geladen hat. Trotzdem muss sich die Feuerwehr der Unglücksstelle nähern – um sich einen Überblick zu verschaffen, die Gefahrstoffnummer am Fahrzeug abzulesen und an die Leitstelle durchzugeben, nach verletzten Personen zu suchen und alle weiteren Einsatzschritte festzulegen und einzuleiten.
„Diese ersten Minuten eines Einsatzes sind besonders wichtig und besonders gefährlich“, sagt Ronny Schwarz, Area Manager und Prokurist des Bitterfelder Stützpunktes der Firma Securitas. Die Securitas Fire Control + Service GmbH & Co. KG stellt im Industriepark Bitterfeld die Werkfeuerwehr und erbringt weitere Sicherungsdienstleistungen. Wegen dieser Brisanz hat ein Tüftler aus den eigenen Reihen einen elektronischen Helfer für die entscheidenden ersten Minuten entwickelt: Feuerwehrmann Yorck Rackow, ein Maschinenbauingenieur, hat eine Drohne gebaut, die als fliegendes Auge dank ausgefeilter Technik in Havariesituationen wichtige Entscheidungshilfen geben und die Gefährdungen für die Einsatzkräfte reduzieren kann. Für diese Entwicklung wurde das Unternehmen mit dem Präventionspreis 2018 der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) in der Kategorie Betriebliche Sicherheitstechnik ausgezeichnet.
„Das Potenzial für Drohnen im Sicherheitsbereich haben wir schon früh erkannt“, erläutert Ronny Schwarz. „Aber wir haben auf dem Markt nur Schönwetterdrohnen gefunden – die können bei Sonne fliegen, bekommen aber Probleme bei Wind oder Regen und haben außerdem keinerlei Sensorik an Bord.“ Im Vergleich dazu ist die je nach Ausstattung bis zu 60.000 Euro teure Securitas-Drohne ein Multitalent. Das System ist modular aufgebaut und kann so an die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Einsatzzweckes angepasst werden. Verschiedene Kameras liefern per Funk oder Internet Fotos, Filme und Wärmebilder, Laser messen Höhen und Abstände, spezielle Sensoren analysieren die Luft. Die Drohne selbst ist beständig gegen aggressive Stoffe, explosionsgeschützt und kann dank acht koaxial angeordneter Rotoren auch bei Regen, Schnee und Wind oder durch Wasserwände fliegen – und das bis zu 20 Minuten lang.
„Wir wollen mit der Drohne vorrangig die Sicherheit verbessern“, so Schwarz. „Zum einen hilft sie uns, wichtige Arbeitsschritte vorzubereiten. Zum anderen kann sie da fliegen und arbeiten, wo es für Einsatzkräfte extrem gefährlich ist.“ Im Fall des verunglückten Kesselwagens beispielsweise kann die Drohne als erste am Einsatzort sein. Von dort kann sie Überblicksbilder in die Leitstelle oder direkt in die Einsatzwagen schicken, dank eines Wärmebilds die verletzte Person im dichten Qualm lokalisieren, die austretenden Gase analysieren und ein Foto vom Gefahrstoffschild übermitteln. So können sich die Einsatzkräfte bereits vor ihrem Eintreffen am Unglücksort auf die Lage und das Ausmaß der Schäden einstellen – sie wissen beispielsweise bereits, wo der Verletzte liegt und mit welchem Löschmittel sie den brennenden Kesselwagen bekämpfen dürfen. Das reduziert nicht nur die körperlichen Gefährdungen, sondern auch psychische Belastungen.
Zurzeit wird in Bitterfeld weiter an technischen Verbesserungen der Drohne gefeilt. Eins der Ziele ist, dass das Gerät im Industriepark bei Alarm autark zum Einsatzort fliegen, ein Lagebild liefern und wieder zurückfliegen kann. Da jede Brandmeldeanlage über GPS-Koordinaten verfügt, ist das laut Ronny Schwarz im Prinzip jetzt schon möglich – wenn das Wetter gut ist und von der Funkzelle bis zum Satellit alle unterstützenden Systeme funktionieren. Die notwendige Software hat das Unternehmen gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut bereits entwickelt. Am letzten Schritt – der Landung in einem beheizten Hangar samt Ladestation auf dem Dach der Feuerwehrwache – wird noch gearbeitet. „Zurzeit landet die Drohne auf einer Wiese vor dem Gebäude, da die Navigationsdaten, auf die wir zugreifen können, für ein punktgenaues Ansteuern des Hangars nicht detailliert genug sind“, erklärt Schwarz. Aber er ist optimistisch, dass die Tüftler auch für dieses Problem eine Lösung finden werden.
Weitere Einsatzbereiche
Neben Bränden eignet sich die von Securitas entwickelte Drohne auch für diverse weitere Einsatzfelder. Dank der Wärmebildkamera ist es beispielsweise möglich, die Polizei bei der Suche nach Vermissten zu unterstützen oder landwirtschaftlichen Betrieben bei der Ernte zu hefen, indem die Drohne vorab im Feld versteckte Rehe oder andere Tiere aufspürt. In Sachsen-Anhalt bietet das Unternehmen anderen Feuerwehren bei Großeinsatzlagen seine Drohne samt Pilot zur Unterstützung an. Auch im betrieblichen Umfeld sieht Securitas Potenzial jenseits von Havarien, Bränden und Unfällen – beispielsweise bei Begehungen von Betriebsgeländen, wenn Unbefugte auf dem Areal vermutet werden. Dank der modularen Sensorik der Dröhne könnten zudem Reparaturen ohne das Aufstellen von aufwändigen und teuren Rüstungen vorbereitet oder Vermessungen bei der Planung von Bauten durchgeführt werden. Und im Zuge der Kontrolle technischer Anlagen könnte die Drohne das Personal bei Inspektionen sowie bei Messungen von Gasen und industriellen Schadstoffen unterstützen. Schwarz ist überzeugt: „In all diesen Fällen kann Hilfe von oben die Belastungen deutlich verringern, Arbeitsunfällen vorbeugen und so die Sicherheit aller Beschäftigten erhöhen.“