Kälte und Wärme aus dem Speicher

Energiespeicher können Strom bevorraten, aber auch Kälte und Wärme. Für den Lebensmitteleinzelhandel bietet sich eine Kombination von Eisspeicher und Wärmepumpen an…

Die Kältetechnik ist der größte Stromfresser im Lebensmitteleinzelhandel. Kein Wunder also, dass für viele Unternehmen die Optimierung dieses Bereichs oberste Priorität hat, wie die EHI-Studie „Energiemanagement im Einzelhandel 2017“ zeigt. Gleichzeitig wird der Studie zufolge das Thema Energiespeicher im deutschen Handel zunehmend wichtiger: Fast die Hälfte der Befragten misst dem Thema eine hohe bis sehr hohe Bedeutung für die Zukunft bei. Es lohnt sich, diese beiden Themen in Kombination zu denken. Denn neben Batteriespeichern, die beispielsweise überschüssigen Fotovoltaikstrom vom Filialdach aufnehmen können, gibt es auch Speicher, die thermische Energie zur Verfügung stellen. Eine Möglichkeit besonders für den Lebensmitteleinzelhandel ist die Kombination von Wärmepumpe und Eisspeicher.

Streng genommen ist ein Eisspeicher nicht mehr als eine unterirdische, mit Wasser gefüllte Zisterne. Im Inneren der Zisterne befinden sich zwei Wärmetauscher. Der Entzugswärmetauscher entzieht dem flüssigen Wasser im Speicher Wärmeenergie, damit eine Wärmepumpe diese für Heizzwecke oder für die Warmwasserbereitung nutzbar machen kann. Denn der am Entzugswärmetauscher stattfindende Phasenwechsel des Wassers von flüssig auf fest – also das Frieren des Wassers – stellt große Energiemengen in Form von Kristallisationswärme zur Verfügung (siehe Kasten). Der Regenerationswärmetauscher hingegen sorgt im Eisspeicher für die Zuführung von Wärme, um das gefrorene Wasser wieder aufzutauen. Technisch sind Eisspeicher so aufgebaut, dass das Wasser von unten nach oben und von innen nach außen gefriert. So werden Beschädigungen der Speicherkonstruktion verhindert.

In Kombination mit einer Wärmepumpe lassen sich Eisspeicher nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen nutzen. „Im Grunde gibt es keinen Unterschied zwischen einer Wärmepumpe und einer Kältemaschine“, sagt Bernd Schwarzfeld: „Beide produzieren Kälte und Wärme, nur mit gegensätzlichen Nutz- und Abfall-Seiten.“ Der Chef des Ingenieurbüros BZW-Ökoplan kritisiert, dass DIN-Normen und Baugesetzen heute mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als physikalischen Gesetzen, obwohl diese für funktionierende und nachhaltige Energiekonzepte für Gebäude entscheidend sind. „Es gilt der erste Hauptsatz der Thermodynamik“, so Schwarzfeld: „Danach kann Energie nicht erzeugt, sondern nur unter Verlusten umgewandelt werden. Energie kostet nichts, Energie ist einfach da. Die Kosten entstehen aus den Umwandlungsketten – Wärme aus Strom, Kälte aus Wärme, Strom aus Wärme etc. Diese Umwandlungsketten muss man erkennen, optimieren, substituieren.“ Er rät, bei jedem Planungsvorhaben nach freier ungenutzter Energie suchen, mit der man heizen oder kühlen kann, und dann die Quellen und Senken dieser Wärmeenergie zu verbinden und zu managen. Eisspeicher sind in seinen Augen daher ein Energiemanagementsystem.

Der Edeka-Markt Gebauer’s im baden-württembergischen Salach setzt bereits auf diese Technik. Zum Energiekonzept gehören nicht nur eine Fotovoltaikanlage und ein intelligentes Wärmerückgewinnungssystem, das die Abwärme der Kühlgeräte für die Fußbodenheizung nutzt, sondern auch ein Eisspeicher. Dem unterirdischen Wasserbassin mit 230.000 Liter Fassungsvermögen wird je nach Bedarf Wärme zugeführt oder entzogen, sodass der Markt das ganze Jahr über mit 22 Grad temperiert ist. Auch das E-center Gaimersheim, das als erster Supermarkt Bayerns von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit dem Platin-Status ausgezeichnet wurde, nutzt für das Heizen und Kühlen einen Eisspeicher.

Aldi Nord hat gemeinsam mit Viessmann ebenfalls ein Energieprojekt gestartet, das Wärmepumpen und Eisspeicher miteinander verbindet. Bei dem System namens ESyCool green versorgen Wärmepumpen über einen Kaltsole-Kreislauf die Kühlstellen im Markt. Das notwendige Kältemittel, in diesem Fall Propan, befindet sich laut Viessmann ausschließlich in geringer Menge in den Kreisläufen der kaskadierten Wärmepumpen. Die Abwärme der Kühlregale nutzen die Wärmepumpen bei Bedarf zum Heizen des Gebäudes. An besonders kalten Tagen kann zusätzlich dem angeschlossenen Eisspeicher Wärme entzogen werden – und im Sommer Eiswasser für eine natürliche Kühlung des Gebäudes über die Betonkernaktivierung.

Besonders außerhalb der Öffnungszeiten soll der Eisspeicher bei Aldi Nord helfen, das Energiemanagement zu optimieren. Zu diesen Zeiten sind die Kühlregale mit Nachtrollos verschlossen. Wegen des geringeren Kühlbedarfs entsteht kaum Abwärme. Um den Markt trotzdem auf Temperatur zu halten, soll die Wärmepumpe die Energie des Eisspeichers nutzen. Der zu diesen Zeiten geringere Kältebedarf führt außerdem zu einer höheren Vorlauftemperatur des Solekreislaufs. Das macht den Unternehmen zufolge eine natürliche Kühlung der Kühlregale undKühlzellen möglich. Denn ein Wärmetauscher kann der Sole diese Wärme entziehen und an das Eiswasser zur Regeneration des Eisspeichers abgeben – zur Kühlung der geschlossenen Kühlregale ist dann nur noch eine Umwälzpumpe in Betrieb.

Stichwort Kristallisationsenergie

Kristallisationsenergie wird im Phasenübergang von null Grad Celsius kaltem Wasser zu null Grad Celsius kaltem Eis freigesetzt. Darin steckt so viel Energie, wie beispielsweise benötigt wird, um Wasser von null auf 80 Grad Celsius zu erwärmen. Hersteller wie Viessmann geben an, dass die Vereisung von zehn Kubikmeter Wasser so viel Wärmeenergie freisetzen kann, wie in 100 Litern Heizöl enthalten ist. Die gleiche Energiemenge, die beim Gefrieren entsteht, wird beim Schmelzen des Eises wieder eingelagert. Das macht das System regenerativ: Im Gegensatz zum Verbrauch fossiler Brennstoffe für das Heizen und Kühlen ist das Wechselspiel aus Vereisen und Schmelzen des Wassers wiederholbar.