Kollegin KI 

Die Einsatzgebiete für künstliche Intelligenz sind extrem vielfältig. Sie reichen von Produktempfehlungen beim Online-Shopping über Sprach- oder Gesichtserkennung bis hin zu selbstfahrenden Autos. Auch in immer mehr Unternehmen ziehen KI-basierte Systeme ein – und können eine tatkräftige Unterstützung für die Beschäftigten darstellen.

Pepper ist 1,20 Meter klein, hat große schwarze Kulleraugen und einen glänzend weißen Körper; er kann spielen und singen, sich Gesichter merken und in mehreren Sprachen einfache Gespräche führen. Pepper ist ein Pflege-Roboter und war in Pilotprojekten deutschlandweit in verschiedenen Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern im Einsatz. Seine Algorithmen sind darauf trainiert, Menschen und deren Mimik, Gestik und Sprache zu analysieren und darauf zu reagieren. Und als sogenannter humanoider Roboter entspricht Pepper wahrscheinlich am ehesten dem Bild, das die meisten Menschen zurzeit von künstlicher Intelligenz (KI) haben.

Mit der Realität von künstlicher Intelligenz im Alltag hat Pepper jedoch wenig zu tun. Denn KI hat in der Regel kein Gesicht – sie steckt etwa hinter der optimalen Routenplanung in Navigationssystemen, der Kommunikation mit digitalen Sprachassistenzen und Chatbots, der medizinischen Krebsdiagnostik und der Gesichtserkennung am Flughafen, dem automatisierten Sichten von Bewerbungen und der Bewilligung von Krediten, der Steuerung von Heizungs- und Lichtanlagen im Smarthome. Mit der Digitalisierung der Industrie ziehen auch in immer mehr Produktionsbereichen KI-basierte Systeme ein; im Jahr 2021 nutzte etwa jedes zehnte Unternehmen in Deutschland KI in irgendeiner Form.

Technisch ist KI nichts anderes als eine Fortschreibung der Automatisierung. Ein großer Einsatzbereich ist die vorausschauende Wartung beziehungsweise Predictive Maintenance. Dabei werden Echtzeit-Daten, die Sensoren von den Fertigungsmaschinen liefern, mit weiteren Daten etwa aus den Produktionsleitsystemen mit einem KI-System analysiert, um Probleme erkennen zu können, bevor sie auftreten. Das macht die Instandhaltung effizienter und verhindert Stillstände. Autobauer BMW beispielsweise erfasst in seinem Werk in München die Sensordaten von 600 Schweißzangen, mit denen Roboter im Karosseriebau arbeiten. Die Sensoren messen dreimal pro Schicht die Reibung und melden, wenn Abweichungen auftreten. Eine Software wertet die Daten mithilfe von KI kontinuierlich aus und kann so Vorhersagen treffen, wann ein Ausfall droht.

Die Qualitätssicherung ist ein weiterer wichtiger Bereich. Im Presswerk von Audi in Ingolstadt etwa überprüfen Kameras alle Bauteile direkt nach der Herstellung. Eine vom Unternehmen selbst entwickelte Machine-Learning-Software analysiert diese Bilder und markiert eventuelle feine Risse oder andere Fehler in den Blechteilen pixelgenau. Dank der Lernfähigkeit der KI müssen die Kameras nicht wie früher für jedes neue Bauteil konfiguriert werden, was die Prüfprozesse laut Audi deutlich beschleunigt. Zudem sorge das System für zuverlässigere Ergebnisse.

KI in Unternehmen konzentriert sich aber nicht nur auf Maschinen und Produkte, sondern auch auf die Beschäftigten. Die Firma Altendorf beispielsweise bietet eine Kreissäge an, die zum Schutz der Hände vor Verletzungen statt der üblichen kapazitiven Sensoren auf ein optisches System setzt. Zwei Kameras erfassen den Gefahrenbereich der Kreissäge, und eine spezielle Handerkennungssoftware gleicht die Bilder permanent mit rund einer halben Million Fotos in einer Bilddatenbank ab – dabei lernt die Software ständig dazu und lässt das Sägeblatt bei Gefahr innerhalb einer Viertelsekunde unter dem Bearbeitungstisch verschwinden.

Auf KI-basierte Exoskelette setzt seit diesem Sommer das Logistikunternehmen Fiege. Am Standort Ibbenbüren unterstützen diese die Beschäftigten bei der Be- und Entladung und in der Kommissionierung beim schweren Heben und auf langen Wegen: mit bis zu 30 Kilogramm Unterstützung pro Hebevorgang an manuellen Arbeitsplätzen und einer aktiven Laufunterstützung. Über LTE oder Wifi sind die Exoskelette zudem an die Systemplattform des Herstellers German Bionic angebunden. Zum einen sollen so die Exoskelette durch die Einsatzdaten und das Feedback der Nutzenden ständig dazulernen. Zum anderen sollen die auflaufenden Daten für Fiege Verbesserungsmöglichkeiten erschließen – etwa beim Optimieren von Prozessen, weil die manuellen Arbeitsplätze in den digitalen Workflow des Unternehmens integriert werden, beim rechtzeitigen Erkennen von Engpässen oder auch beim Arbeitsschutz, weil das integrierte KI-basierte Ergonomie-Frühwarnsystem Ermüdungserscheinungen, Fehlhaltungen und falschen Hebetechniken vorbeugen soll.

Neben den diversen Reporting-Funktionen soll KI der Exoskelette auch dafür sorgen, dass Mensch und Gerät nahtlos und intuitiv miteinander interagieren. Das gilt ebenso für die KI, welche die sogenannte Mensch-Roboter-Kollaboration am Arbeitsplatz unterstützt, also den Wandel des Roboters vom Werkzeug zum Kollegen. Der weltweit erste Roboter, der für die Mensch-Roboter-Kollaboration zugelassen wurde, ist ein Cobot der Augsburger Firma Kuka, zu dessen ersten Arbeitsfeldern der Karosseriebau gehört. Bei BMW hilft er beispielsweise Beschäftigten, Ausgleichsgehäuse für die Vorderachsgetriebe millimetergenau einzupassen, indem er die schweren und schlecht zu greifenden Teile hebt. Bei Ford übernimmt er das anstrengende und unreine Anbringen der Dichtstoffnähte an Karosserien, so dass der Mensch sich bei dem Arbeitsschritt auf den flüssigen Ablauf konzentrieren kann. Die Cobots lernen dabei von den menschlichen Bewegungen und können auch darauf reagieren, etwa indem sie bei Bedarf Beschäftigten ausweichen.

Eine der größten Schwachpunkte von künstlichen Intelligenzen ist, dass Algorithmen nicht denken wie Menschen. KI greift auf Daten zurück, um darin Muster zu erkennen und basierend darauf zu handeln. Dass dieser Prozess fehleranfällig sein kann, zeigen die Entscheidungen eines neuronales Netzes, dem das IT-Team anhand von Fotos beigebracht hatte, zwischen Wölfen und Hunden zu unterscheiden. Bei genauer Analyse dieses Prozesses zeigte sich, dass bei den Fotos der Datenbasis die Wölfe auf Schnee standen und die Hunde auf Gras – und dass das neuronale Netz anhand des Untergrundes entschied, welches Tier abgebildet war. Dieser Fehler würde einem Menschen wahrscheinlich nicht passieren. Aber die Sorge davor, dass KI solche oder ähnliche Fehlentscheidungen trifft, begründet die grundsätzlichenVorbehalte, die viele Menschen gegenüber den Systemen haben.

Diese Vorbehalte nehmen zwar etlichen Umfragen zufolge seit einigen Jahren – also seit schwache KI-Systeme immer öfter im Alltag anzutreffen sind – stetig ab. Statt dessen rücken konkretere Fragen in den Vordergrund, etwa wie gut die Daten bei KI-Anwendungen geschützt sind, welche Regeln für den Einsatz von KI gelten und ob die neue Technik Arbeitsplätze bedroht. Viele dieser Fragen sind weiterhin noch offen, nicht zuletzt weil KI-Anwendungen sich so dynamisch entwickeln.

Den weltweit ersten Entwurf für einen Rechtsrahmen für KI hat die EU-Kommission im April 2021 vorgelegt. Dieser sieht unter anderem eine Risikoeinstufung für KI-Systeme unter Berücksichtigung von Grundrechten, Sicherheit und Privatsphäre vor und wird gerade in den Mitgliedstaaten diskutiert. Bis dieser Rechtsrahmen zumindest ergänzend greift, gelten die je nach Produkt oder Einsatzbereich sektorspezifischen Regeln – wie etwa das Datenschutzgesetz, das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz, die Maschinenrichtlinie und die grundsätzliche Pflicht des Arbeitgebers, die Sicherheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

Mit Blick auf die Sicherheit des Arbeitsplatzes selbst äußert sich die beim Bundesarbeitsministerium angesiedelte Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft optimistisch. Zwar wird demnach – wie schon bei früheren Innovationen – die neue Technik bestimmte bislang von Menschen ausgeführte Tätigkeiten übernehmen. An die menschliche Intelligenz reiche KI jedoch noch nicht heran, vor allem nicht wenn zwischenmenschliche und soziale Kompetenzen, Kreativität oder die Fähigkeit zur Problemlösung gefragt seien. Gleichzeitig könne KI jedoch menschliche Arbeit unterstützen, ohne sie zu ersetzen, sowie völlig neue Berufe und Geschäftsideen hervorbringen. „Welche Entwicklung eintreten wird, ist noch nicht ausgemacht, sondern hängt davon ab, wie wir selbst den Einsatz von KI-Technologien heute schon und zukünftig gestalten“, so die Denkfabrik.

Pflegeroboter Pepper muss übrigens gerade lernen, mit einem harten Karrierebruch umzugehen. Nachdem Peppers Funktionen und Fähigkeiten nicht mit seinen ambitionierten Zielen Schritt halten konnten, hat Hersteller Softbank dem maschinellen Helfer wegen fehlender Einsatzmöglichkeiten den Stecker gezogen.

Die Plattform Lernende Systeme stellt laufend neue Beispiele für die Anwendung Künstlicher Intelligenz in der Praxis vor. Dabei geht es um den Einsatz von KI in kleinen, mittleren und großen Unternehmen sowie in Forschungsinstitutionen und um den konkreten Nutzen, der damit verbunden ist.
https://www.plattform-lernende-systeme.de/ki-praxis.html

Charta für gute Arbeit

Der europäische Maschinenbau-Verband EUnited hat eine Charta für die künftige Zusammenarbeit von Robotern und Menschen enzwickelt, die möglichst viele Unternehmen unterzeichnen sollen. Die „Good Work Charter“ unterstützt die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen und definiert zehn Fokusbereiche, um den Arbeitsplatz der Zukunft zu gestalten. Dabei stellt die Charta eindeutig den Menschen in den Mittelpunkt. Die zehn Schwerpunkte sind:
1. Wie Menschen arbeiten, nicht wie Maschinen 
2. Menschen müssen die Kontrolle behalten
3. Qualifizierungslücken schließen
4. Junge Menschen für MINT-Fächer begeistern
5. Inklusion und Teilhabe stärken
6. Nutzungsbarrieren senken
7. Stärken von Menschen und Maschinen nutzen
8. Bedienbarkeit vereinfachen
9. Auf Nachhaltigkeit setzen
10. Den demografischen Wandel gestalten
www.eu-nited.net/goodworkcharter

Künstliche Intelligenz – die zentralen Begriffe

• KI: Für den Begriff Künstliche Intelligenz – oder auch Artificial Intelligence (AI) – gibt es bislang keine allgemeingültige Definition. Der Branchenverband Bitkom definiert KI als „die Eigenschaft eines IT-Systems, menschenähnliche, intelligente Verhaltensweisen zu zeigen“. Unter schwacher KI versteht man Maschinen, die eine einzelne, menschliche kognitive Fähigkeit ersetzen können – etwa Bilderkennung. Eine starke KI wäre eine Maschine, die im Ganzen dieselben Fähigkeiten wie ein Mensch besitzt oder die menschlichen Fähigkeiten sogar übersteigt. Momentan sind solche starken KI-Systeme, die auch Singularitäten genannt werden, noch eine Vision. 
• Algorithmus: Algorithmen sind detaillierte und systematische Handlungsanweisungen, die Schritt für Schritt definieren, wie ein Problem gelöst werden kann. Dafür werden sie implementiert, also in Programmiersprache übersetzt, sodass der Computer oder die Maschine aus gegebenen Informationen die gewünschte Lösung erzeugen kann.
• Machine Learning: Maschinelles Lernen beschreibt Systeme, die entweder überwacht (supervised) oder nicht überwacht (unsupervised) lernen. Beim überwachten Lernen gibt der Mensch der Maschine sowohl eine Datenmenge als Input vor als auch die Kategorien des Outputs. Beim nicht überwachten Lernen legt das System selbst die Output-Kategorien fest, indem sie die Daten anhand von gleichen Eigenschaften gruppiert. Die verwendeten Algorithmen können aus einer großen Zahl an Beispielfällen lernen, allgemeine Regeln ableiten und diese Erkenntnisse dann auf reale Fälle anwenden. 
• Deep Learning: Diese Algorithmen werden zur Analyse und Verarbeitung von besonders großen Datenmengen genutzt, dabei werden die Daten strukturiert und ihre Merkmale bestimmt. Das System bildet ein künstliches neuronales Netz, das selbstständig lernen und Entscheidungen treffen kann – warum dabei bestimmte Einordnungen getroffen werden, ist allerdings häufig gar nicht so einfach zu sagen. Solche neuronalen Netzen kommen Fachleuten zufolge einer menschenähnlichen künstlichen Intelligenz im Moment am Nächsten.
• NLP: Natural Language Processing wird sowohl im Machine Learning als auch im Deep Learning angewandt. Bei diesem Prozess wird gesprochene Sprache – wie etwa von Siri oder Alexa – mit Hilfe von Algorithmen codiert und verarbeitet. Dabei wird auf den Satzbau, die semantische Ebene der Information und den allgemeinen Kontext eines Satzes geachtet.
• Digitaler Zwilling: Ein Digitaler Zwilling steht für die Verbindung von analoger und digitaler Welt. Er ist ein digitales Abbild realer Maschinen, Produkte oder Fabriken mit deren Eigenschaften, Zustand und Verhalten. Ein Digitaler Zwilling kann zur schnelleren Erfassung von Systemzuständen, zur Prognose von zukünftigem Verhalten und zu einer effizienteren Planung genutzt werden. 
• Cobot: Der Einsatz von Robotern in der Fertigung ist weit verbreitet. Die neueste Generation von Robotersystemen ist in der Lage, neben dem Menschen zu arbeiten oder auch nahtlos und sicher mit der menschlichen Belegschaft zu interagieren. Daraus haben sich die Begriffe Mensch-Roboter-Kollaboration sowie kollaborativer Roboter beziehungsweise Cobot entwickelt.
Weitere Begriffe unter https://www.ki.nrw/ki-schluesselbegriffe/#1 und https://www.wissenschaftsjahr.de/2019/uebergreifende-informationen/glossar/