Mit KI auf die Baustelle

Der Bau gilt bislang als vergleichsweise wenig digitalisierte Branche. Aktuelle praxisorientierte Forschungsvorhaben sollen Baustellen nun mit Hilfe Künstlicher Intelligenz sicherer und umweltfreundlicher machen.

Wenn mit Blick auf die Bauwirtschaft von Künstlicher Intelligenz die Rede ist, geht es meistens um das sogenannte Building Information Modeling (BIM). Bei dieser Methode bekommen Gebäude einen digitalen Zwilling, um ihren gesamten Lebenszyklus vom Entwurf bis zur Betriebs- und Wartungsphase über alle beteiligten Gewerke hinweg zu optimieren. Die Beschäftigten vor Ort auf den jeweiligen Baustellen begegnen diesem digitalen Zwilling in der Regel nie. Dass immer mehr Daten erfasst und aufbereitet werden, ebnet jedoch dem Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) den Weg – auch in Baugruben und auf Gerüsten.

An dem deutschen Projekt „Smart Design and Construction“ (SdaC) sind 40 Partner aus der Bauwirtschaft beteiligt, darunter die BG Bau. Zentrales Forschungsfeld ist die Interaktion von Mensch und Technik in verschiedenen Anwendungsfällen, unter anderem soll die Sicherheit auf Baustellen mithilfe von KI optimiert werden. Dabei liegt der Fokus zum einen auf der teilautomatisierten Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen vor Baustart und zum anderen auf der datenbasierten Aufdeckung von Gefahren während der Bauphase.

Für die Gefährdungsbeurteilungen beispielsweise stellt das Unternehmen die vorhandenen Daten des Bauvorhabens auf der SDaC-Plattform zur Verfügung. Die KI-Algorithmen der Plattform analysieren diese Daten und leiten daraus einen Vorschlag für die projektspezifische Gefährdungsbeurteilung ab. Das Unternehmen kann diesen Vorschlag dann bearbeiten oder ergänzen und das Ergebnis in einem gängigen Format ausgeben lassen – etwa als PDF.

Für das teilautomatisierte Erkennen von Gefahren während der Bauphase nutzt die SDaC-Plattform die eingehenden realen Ist-Daten – beispielsweise Drohnenaufnahmen oder andere Fotos – von der Hülle sowie vom Innenausbau. Ein Algorithmus, der auch auf CAD- oder BIM-Daten des Projekts zugreifen kann, wird darauf trainiert, Probleme in den Ist-Daten zu erkennen. Mögliche Gefahrenstellen werden dann beispielsweise in einem Plan markiert und an die zuständige Person weitergeleitet, damit diese die Gefahr prüfen und gegebenenfalls beseitigen kann. „Je häufiger dieser Prozess durchlaufen wird, umso besser wird die Unterstützung durch den digitalen Assistenten“, so die BG Bau. Die letzte Bewertung der Situation nehme jedoch der Mensch vor, denn die Aussage der digitalen Assistenz sei immer nur so gut wie die verwendeten Daten. „Der größte Mehrwert entsteht in der Kombination aus menschlicher Erfahrung und datenbasierter Entscheidungsunterstützung.“

Auf noch mehr Unterstützung durch KI zielt das europäische Projekt HumanTech (Human Centered Technologies for a Safer and Greener European Construction Industry). Dabei geht es beispielsweise darum, Mensch und Maschine bei der Arbeit auf der Baustelle besser miteinander zu vernetzen. Dazu sollen etwa digitale Zwillinge zum Einsatz kommen, mit denen die Fachkräfte Roboter steuern können – sowohl die menschlichen Arbeitskräfte als auch die kooperierenden Roboter werden dabei in Echtzeit lokalisiert und navigiert, damit sie ihre Aufgaben effizient und präzise im Team erfüllen können. Aber auch intelligente Schutz- und Unterstützungsausrüstungen sollen in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, etwa tragbare Körperpositions- und Belastungssensoren sowie Exoskelette. Zudem sollen Bilderkennungssoftware, Kameras und XR-Brillen für Extended-Reality-Anwendungen und Baustellenbegehungen sowie autonome Baustellenfahrzeuge zum Einsatz kommen.

Solche Lösungen könnten künftig Baustellen- und Unternehmensverantwortliche dabei unterstützen, den Arbeitsschutz der zusammenarbeitenden Unternehmen und ihrer Beschäftigten zu überblicken, präventive Maßnahmen umzusetzen und Gefährdungen am Arbeitsplatz zu reduzieren. Auf mehreren Baustellen in Europa und Japan werden die Techniken zurzeit in der Praxis erprobt.

https://sdac.tech/ 
https://humantech-horizon.eu/