Rückenwind für Mobile Payment

Bei mobilen Bezahlverfahren gibt es im deutschen Einzelhandel weiterhin viel Luft nach oben. Kundenfreundlichere Lösungen und die EU-Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 könnten dem Thema Mobile Payment jedoch neue Dynamik verleihen…

Ohne Bargeld oder Plastikkarten können die Kunden der SB-Warenhäuser und Baumärkte von Globus im Saarland jetzt ihre Einkäufe bezahlen. Im Oktober hat das Unternehmen gemeinsam mit der Sparkassen-Finanzgruppe Saar und dem Zahlungsdienstleister BS Payone die Mobile-Payment-Lösung Blue Code eingeführt. Um Blue Code nutzen zu können, müssen Kunden auf ihrem Smartphone die entsprechende App installieren und mit ihrem Girokonto verknüpfen. Will der Kunde bezahlen, generiert die App einen einmal gültigen Barcode. Dieser wird an der Kasse eingescannt, woraufhin der Betrag in einem anonymisierten Zahlvorgang sofort vom Girokonto abgebucht wird. Und da in vielen Supermärkten wegen der Bauweise der Handyempfang schwierig sein kann, funktioniert Blue Code auch ohne Verbindung zum Mobilfunknetz – die App hält immer eine bestimmte Anzahl an Barcodes bereit, die automatisch aufgefüllt werden, sobald das Handy wieder im Netz ist.

„Der Bezahlvorgang ist sicher, einfach und anonym“, beschreibt Blue-Code-Gründer Christian Pirkner den größten Vorteil seiner Lösung. Bei Zahlungen wird lediglich ein sogenannter Token übermittelt, ein dynamisch generierter 20-stelliger Code, der den verschlüsselten Zugang zum Konto des Kunden erlaubt. So weiß am Ende nur die eigene Bank, wer die Transaktion angestoßen hat – und der Händler bekommt auch keine Kundendaten. In Österreich ist Blue Code bereits händlerübergreifend an über 18.000 Kassen im Einsatz und deckt dabei rund 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels ab. Und beim Oktoberfest in München nutzten in diesem Jahr mehr als 40 Schausteller und Wirte die mobile Bezahllösung, die sich auch in andere Apps integrieren lässt.

Eine solche Kompatibiliät und außerdem die medienbruchfreie, einfache und sichere Nutzung für die Kunden sind für Carsten Göbel vom Zahlungsabwicklungsanbieter Equenswordline wichtige Aspekte, wenn es um die Zukunftschancen von Mobile-Payment-Lösungen geht – insbesondere im Bereich Instant Payment. Bei solchen Echtzeittransaktionen werden Zahlungen innerhalb weniger Sekunden ausgeführt und dem Empfänger gutgeschrieben. Bislang gibt es Instant Payment vor allem im Bereich P2P, also bei eher privaten Geldtransfers zwischen zwei Personen. In diesem Bereich stellten beim Mobile in Retail Congress (MIRC) auch weitere Referenten wie Joschka Friedag von Cringle und Christopher Kampshoff von Lendstar Lösungen vor – aber immer mit dem Blick nach vorn, also auf eine mögliche Ausweitung zu einer umfassenden Zahlungslösung gerichtet. Auch Carsten Göbel sieht gerade wegen des Echtzeitaspekts viele weitere Anwendungen, die beispielsweise auch das Bezahlen von Handwerkern und Lieferdiensten oder am POS umfassen. Dass der Markt noch recht vielfältig ist und selbst große Anbieter wie Facebook, Paypal oder Apple eher zurückhaltend agieren, ist Göbel zufolge eher regulatorischen als technischen Hürden geschuldet.

Eine regulatorische Hürde ist jedoch im Januar gefallen, als die EU-Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 in Kraft trat. Seitdem müssen die Banken nach Zustimmung des Bankkunden sogenannten Third Party Providers – also Drittanbietern – Zugriff auf die Kontodaten ermöglichen und auch deren Zahlungen initiieren. Experten zufolge könnte PSD2 die Zahlweisen von Bankkunden von Grund auf verändern. Viele Kreditinstitute reagieren bereits auf die kommende Konkurrenz und integrieren mobile Bezahlverfahren in ihre eigenen Apps, allerdings vorwiegend über die sogenannte Host Card Emulation (HCE), die bislang nur auf Android-Smartphones läuft.

„PSD2 wird zur deutlich mehr Druck seitens der Tech-Giganten wie Facebook oder Apple führen“, ist Göbel überzeugt. Eine Einschätzung, die Christian Pirkner teilt: „Daher müssen Kreditwirtschaft und Handel den Kunden in Europa entwickelte, sichere und praktikable Lösungen für mobiles Bezahlen verfügbar machen – bevor es Drittanbieter aus Übersee tun.“ So könne die Wertschöpfung im Land bleiben – und Europa der sichere Hafen für kundenbezogene Daten.

Sportscheck: Konsequent aus Kundensicht denken

Bessere Beratung und mehr Service – darauf setzt Sportscheck beim Einsatz von Tablets in den Filialen. Seit 2015 sind Fachberater auf der Fläche mit einem iPad ausgestattet, das den Verkauf unterstützt – unter anderem mit Zusatzinfos zum Produkt, Verfügbarkeiten in der Filiale und im Gesamtsortiment, Warenkörben und Kaufhistorien der Kunden, personalisierbaren Services, Same Day Delivery von Filialprodukten oder Bestellmöglichkeiten im Online-Shop. Für eine optimale Nutzung erhielten die Beschäftigten nicht nur eine technische Schulung, sondern auch ein Verkaufstraining. Sportscheck-Geschäftsführer Jan Kegelberg zufolge lag das dank iPads zusätzlich generierte Bestellvolumen im Geschäftsjahr 2016/17 bei 7,8 Millionen Euro, im Geschäftsjahr 2017/18 sind 10 Millionen Euro das Ziel. Seit Projektstart sind laut Kegelberg über diese Anwendung rund 90.000 Kundenkarten vergeben, 120.000 neue Eintragungen in die Kundendatenbank vorgenommen und 60.000 Datensätze von Kunden aktualisiert worden. Zudem liege die Retourenquote bei vor Ort getätigten Bestellungen 40 bis 50 Prozent niedriger als bei den anderen Online-Bestellungen. „Sie müssen die Use Cases in der Filiale verstehen und dazu passende Lösungen entwickeln“, sagte Kegelberg bei seinem Vortrag auf der Mobile in Retail Conference in Berlin. „Aber denken Sie in Kundenmehrwert, nicht in Technologien.“