Sicher die Sonne nutzen

Für die Installation von Photovoltaikanlagen müssen Unternehmen keine spezielle Qualifikation vorweisen. Aber wenn beispielsweise Heizungsbauer auf Dächern tätig werden und Zimmerleute elektrische Bauteile montieren, sind ihnen dabei oft nicht alle Gefährdungen klar. Umso wichtiger für ihre Sicherheit ist daher ein Blick über den Tellerrand der Gewerke.

Glück im Unglück hatte im vergangenen Sommer ein Handwerker bei der Installation einer Solaranlage auf einem Einfamilienhaus: Nach einem Fehltritt rutschte er vom Dach und musste mit schweren, aber nicht lebensgefährlichen Verletzungen in eine Klinik geflogen werden – Ursache des Ausrutschers war ein fühlbarer elektrischer Schlag wegen einer gebrochenen Steckverbindung. Andere Polizeimeldungen aus dieser Zeit schildern weniger glimpfliche Verläufe. In Ulm verlor ein Monteur bei der Monate einer Photovoltaikanlage auf dem Flachdach eines Gebäudes den Halt am Dachrand, er konnte trotz Wiederbelebungsversuchen nicht gerettet werden. Und auch Wartung und Reinigung sind gefährliche Arbeiten: Im niedersächsischen Landkreis Cuxhaven kam ein 54-Jähriger ums Leben, als er beim Säubern von Modulen durch eine Dachplatte brach und etwa sechs Meter tief auf den Boden eines Boxenlaufstalles stürzte.

Genaue Zahlen, wie häufig Unfälle bei der Installation von Photovoltaikanlagen sind, gibt es zwar keine: Die Statistiken von Unfallversicherungen und Berufsgenossenschaften schlüsseln Stürze und Abstürze, Handverletzungen und Stromunfälle nicht detailliert genug auf. „Entsprechende Merkmale sind zwar inzwischen in der Statistik eingerichtet worden. Aber es dauert noch bis aussagekräftige Zahlen vorliegen werden“, so die DGUV mit Blick auf das Unfallgeschehen bei Photovoltaik-Montagen.

Dass es immer wieder zu Unfällen kommt, ist allerdings ein Erfahrungswert gleich mehrerer Berufsgenossenschaften. Einer der Gründe dafür ist, dass der Bau von Solaranlagen keinem konkreten Gewerk zugeordnet ist. Häufig sind Elektriker- und Dachdeckerfirmen tätig, was speziell bei Photovoltaik-Dachanlagen nahe liegt. Aber Elektriker kennen sich nicht unbedingt mit Schutzmaßnahmen gegen Absturz aus und Dachdecker nicht zwingend mit der Sicherheit bei Arbeiten an elektrischen Anlagen; zudem wollen auch andere gelernte und ungelernte Handwerker am Solarboom teilhaben. Immerhin wurden in Deutschland allein 2021 etwa 240.000 PV-Anlagen neu installiert, davon 75 Prozent auf Dächern verschiedenster Immobilien. Und die neue Bundesregierung will noch vor Ostern ein Solar-Beschleunigungspaket beschließen und bis 2030 die installierte PV-Leistung massiv ausbauen. Umso wichtiger wird da die Rolle der Sicherheitsbeauftragten, denn sie können die Kollegen im Alltag immer wieder für Gefährdungen und vorbeugende Maßnahmen sensibilisieren – bekannte wie neue, mit denen bislang im betrieblichen Alltag vielleicht noch wenig Erfahrung gesammelt wurden.

Das größte Risiko bei der Installation von PV-Anlagen ist das Arbeiten in der Höhe. Grundsätzlich ist für die Rangfolge von Schutzmaßnahmen auch hier das STOP-Prinzip maßgeblich. Also Gerüst statt Leiter, Brüstungen oder Fangnetze statt Anseilschutz. Eine PSAgA darf als alleinige Sicherung nur dann verwendet werden, wenn die Erstellung eines Gerüstes oder Fangnetzes länger dauert als die durchzuführenden Arbeiten oder wenn beides aus technischen Gründen nicht möglich ist. Und: Wenn ein Anseilschutz eingesetzt wird, muss auch klar sein, wie die Person im Falle eines Absturzes innerhalb von maximal 20 Minuten wieder sicheren Boden erreicht; die Rettungsausrüstung dafür muss bereit stehen. Denn beim Hängen im Auffanggurt droht schon nach wenigen Minuten ein Kreislaufzusammenbruch bis hin zu Bewusstlosigkeit und Tod, ein sogenannter orthostatischer Schock.

Am sichersten ist die Montage einer Photovoltaik-Dachanlage mit Hilfe eines Gerüsts oder einer Arbeitsbühne. Inzwischen sind mehrere Gerüste auf dem Markt, die sich flexibel an unterschiedliche Dächer anpassen und schnell auf- und abbauen lassen. Speziell für Solarteure hat beispielsweise die Firma Mauderer das Bavaria-Blitzgerüst entwickelt, eine Kombination aus Gerüst und Absturzsicherung. Das Unternehmen sieht darin eine kostengünstige und flexible Alternative zu Sekuranten, Fassaden- und Rollgerüsten oder Hub-Arbeitsbühnen und verspricht, dass bereits nach 20 Minuten Montagezeit mit der Installation der Solaranlage begonnen werden kann.

Wenn das Aufstellen eines Gerüsts nicht möglich ist, können Monteure auch eine Konsole auf die Sparren unter den Ziegeln schrauben, allerdings kann die Photovoltaikanlage dann nicht bis zur Dachrinne gebaut werden. Eine mobile Hebebühne ist ebenfalls eine Option. Und nicht vergessen: Das Dach sollte vor den Arbeiten unbedingt auf instabile Bauteile wie Lichtkuppen oder morsche Balken geprüft werden.

Ein Anseilschutz kann in manchen Phasen der Montage zusätzlich sinnvoll sein, etwa an kritischen Stellen wie bei der Entgegennahme von Modulen am Dachrand. Die ABS Safety GmbH beispielsweise hat unterschiedlichste Sicherungssysteme entwickelt, die auch mehrere Personen gleichzeitig auf flachen und geneigten Dächern sichern können. Außerdem gibt es inzwischen Photovoltaik-Montagegestelle mit integriertem Anschlagpunkt, etwa von Schletter oder Secureco. Diese Vorrichtungen sind vor allem angesichts der regelmäßig fälligen Wartungs- und Reinigungsarbeiten rund um die Module sinnvoll. Für diese Fälle können auch Sekuranten genutzt werden, die um die Träger der PV-Module geklemmt werden – als Einzelanschlagpunkt oder erweitert als Seilsicherungssystem.

Praktiker befürworten übrigens häufig auch dann das Tragen eines Auffanggurts, wenn ein Anseilen nicht notwendig ist, vor allem wenn dieser Gurt viele Taschenringe und Halteösen hat. Denn wenn sich Getränkeflaschen, Werkzeuge oder Befestigungsmaterial am Gurt unterbringen lassen, fallen sie nicht mehr so schnell vom Dach und die Hände sind für die eigentliche Arbeit frei. Das verbessert – zusätzlich zum Helm – auch die Sicherheit der Kollegen, die unterhalb des eigentlichen Baustellenniveaus arbeiten, weil sie auf dem Boden Vorarbeiten leisten oder von unten Module oder Werkzeug anreichen.

Noch eins sollten Monteure von Photovoltaik-Anlagen bedenken: das Thema Strom, auch wenn Stromunfälle bei Solarinstallationen keine so große Rolle spielen wie die Unfälle durch Absturz. Denn die Spannungen, die bei einer Photovoltaikanlage unter Lichteinfall entstehen, sind nicht unerheblich: Bei einer einzelnen Siliziumzelle liegt sie etwa bei 0,6 Volt, bei einem klassischen Modul mit 60 oder 72 Zellen ist es entsprechend mehr, und erst recht bei größeren Modulen oder mehreren in Reihe. Zwar entscheidet nicht die Spannung, sondern der den Körper durchfließende Strom, ob es zu gesundheitlichen Schäden kommt. Dessen konkreter Wert ergibt sich aus der Spannung und dem elektrischen Widerstand, den der menschliche Körper bildet. Schon eine Spannung von 60 Volt kann zu einem Stromfluss von zwölf Milliampère und damit zu Krämpfen führen, zu einem Sturz oder einem Schock. Während der Photovoltaik-Montage kann es daher sinnvoll sein, díe Frontseiten der Module mit lichtundurchlässigem Material abzudecken. Die Werkzeuge sollten nicht nur isoliert sein, sondern auch trocken. Und Vorsicht: Ein Auseinanderziehen der Kontakte unter Last kann einen Lichtbogen erzeugen.

Wegen des Stroms ist übrigens auch der Keller ein Gefahrenpunkt bei der Installation von Photovoltaik-Dachanlagen. Dort steht in der Regel der Wechselrichter, der aus dem Gleichstrom der Anlage den im Netz benötigten Wechselstrom macht. Bei der Installation der Gleichspannungsseite besteht die Gefahr einer Durchströmung, warnt Hans-Peter Steimel vom Fachkompetenzcenter „Elektrische Gefährdungen“ der BG ETEM. „Die Leitungen liegen oft unisoliert auf dem Boden, der kann feucht sein. Hat dann der Monteur eine blanke Ader oder unzureichend isoliertes Werkzeug in der Hand und tritt in die Pfütze, schließt er den Stromkreis und bekommt einen Stromstoß.“ Steimel empfiehlt daher, den Arbeitsplatz am Wechselrichter zu trocknen und gegebenenfalls zu isolieren, zum Beispiel mit entsprechenden Isoliermatten. Und wie für die gesamte Photovoltaik-Montage gilt auch hier: „Bei all diesen Arbeitsschritten zahlt sich eine gute Organisation im Voraus aus“, so Steimel. „Sie ist das A und O für die Arbeitssicherheit.“

Umfassende Informationen zu „Montage und Instandhaltung von Photovoltaik-Anlagen“ stellt die DGUV in ihrer Information 203-080 zur Verfügung.
https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/2896

Einen kompakten Überblick bietet die BG Holz und Metall (BGHM) mit dem Arbeitsschutz Kompakt Nr. 069 „Montage von Solar- und Photovoltaikanlagen auf Dächern“ sowie der Flyer „Montage von Photovoltaikanlagen – aber sicher“ der BG Bau.
https://www.bghm.de/fileadmin/user_upload/Arbeitsschuetzer/Praxishilfen/Arbeitsschutz_Kompakt/PDF/069-Ask-Photovoltaik.pdf  
https://www.bgbau.de/fileadmin/Medien-Objekte/Medien/Broschuere_Flyer/photovoltaik.pdf

Für eine schnelle und unkomplizierte Gefährdungsbeurteilung hat die BG Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) speziell für die Montage von Photovoltaik- und Solaranlagen eine praxisgerechte Software entwickelt. Themen sind Absturz, Sturz durch Dachöffnungen, Tragfähigkeit des Dachs, Aufstiege sowie mechanische und elektrische Gefährdungen.
https://www.bgetem.de/medien-service/arbeitssicherheit-gesundheitsschutz/copy_of_photovoltaikanlagen-solaranlagen-ergaenzende-gefaehrdungsbeurteilung