Unter Spannung

Im Brandfall sind Photovoltaikanlagen gefährlich, da Module schon bei wenig Licht unter Spannung stehen. Aber die Wehren verfügen über Strategien, um bei Feuer trotzdem eingreifen zu können. Im Ernstfall reduziert jedoch vor allem eines die Gefahr für die Einsatzkräfte: Information.

Für Dominic Furthner von der Rösrather Feuerwehr war es ein Routine-Einsatz: Kellerbrand in einem Einfamilienhaus. Was der Unterbrandmeister und seine Kameraden jedoch nicht wussten: Das Haus verfügte über eine Photovoltaikanlage. In dem verrauchten Keller trat Furthner auf ein blankes Kabel – und erlitt einen Stromschlag, wegen dem er mehrere Tage im Krankenhaus stationär behandelt werden musste. Erst Wochen später war er wieder richtig fit.

Unter Feuerwehrleuten wurde und wird der Fall, der immerhin schon ein gutes Jahr zurückliegt, intensiv diskutiert. Zwar ist Furthners Geschichte den zuständigen Unfallkassen zufolge das erste und bisher auch einzige Mal, dass in Deutschland ein Feuerwehrmann bei einem Einsatz durch die Elektrizität einer Photovoltaikanlage verletzt wurde – zumindest haben sie bei Feuerwehren keine weiteren Stromunfälle in Zusammenhang mit Photovoltaik erfasst. Aber die Verunsicherung bei vielen Feuerwehrleuten ist groß. Davon zeugen nicht zuletzt etliche Presseberichte von Bränden, bei denen Wehren Gebäude mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach nicht löschten, sondern aus Angst vor einem Stromunfall kontrolliert abbrennen ließen.
Klare Regeln für Einsatzkräfte

Ein Vorgehen, das Werner Kemker vom Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen in Münster nicht nachvollziehen kann, schließlich gibt es für das Löschen elektrischer Anlagen zur Sicherheit der Einsatzkräfte klare Regeln. Allerdings: „Die Verbreitung von Photovoltaikanlagen hat stark zugenommen. Leider erfährt man meistens erst vor Ort, ob so eine Anlage installiert ist“, sagt der Brandoberamtsrat. Neben einer Information der Feuerwehr verlangt Kemker eine bessere Kennzeichnung aller stromführenden Leitungen bei Photovoltaikanlagen – und setzt auf die Ausbildung der Feuerwehrleute. „So lange es kein wirksames Mittel gibt, den Strom abzuschalten, müssen wir die Feuerwehrleute entsprechend vorbereiten. Denn wenn ich die Gefahren kenne, kann ich besser damit umgehen.“

Die Gefahren, die im Brandfall tatsächlich von einer Photovoltaikanlage ausgehen, haben verschiedene Landesfeuerwehrschulen bereits vor Jahren in einer Matrix zusammengefasst. Eine Gefährdung durch Atemgifte beispielsweise taucht darin gar nicht erst auf, da die Anlagen zum einen in der Regel an der Gebäudeaußenseite angebracht sind und es zum anderen keine wesentlichen Unterschiede zu einem Zimmer- oder Wohnungsbrand ohne Photovoltaikbeteiligung gibt. Als erkannt und beherrschbar gilt das mechanische Versagen bei Modulen beziehungsweise ihren Befestigungen: Wenn die Haltekonstruktion nachgibt, können Module einzeln oder als Ganzes vom Dach abrutschen oder im Falle einer Indach-Montage durch die Unterkonstruktion ins Innere des Gebäudes einbrechen; außerdem kann die thermische Belastung beispielsweise bei einem Brand im Dachgeschoss die Verglasung der Solarmodule platzen lassen. Das größte Problem während eines Einsatzes ist jedoch nicht so augenfällig: die Elektrizität.

Was Anlagenbesitzer freut, macht der Feuerwehr Probleme: Photovoltaikmodule stehen schon bei wenig Licht unter Spannung, selbst bei Mond- oder Scheinwerferlicht müssen die Einsatzkräfte damit rechnen. Ein einzelnes Modul kann je nach Hersteller bis zu 50 Volt Gleichspannung erzeugen. Da bei Photovoltaikanlagen mehrere Module in Reihe geschaltet werden, kann so problemlos eine Spannung von mehreren hundert Volt entstehen – bei Gleichstrom gilt jedoch bereits eine Berührungsspannung ab 120 Volt als lebensgefährlich.

Bei bislang montierten Anlagen lassen sich weder die Module spannungsfrei schalten noch die Kabel; lediglich Wechselrichter und Netzeinspeisung sind abschaltbar. Das ist besonders bei Anlagen ein Problem, die geerdet wurden, um einen möglichen Verschleiß der Zellen zu reduzieren, oder weil es – wie bei manchen Dünnschichtmodulen – schlicht Vorschrift ist. Bei solchen Anlagen kann schon der Kontakt zu einem spannungsführenden Leiter gegen Erde gefährliche Körperströme fließen lassen, bei anderen Anlagen hingegen ist dafür die gleichzeitige Berührung von Plus- und Minuspol notwendig.

Zwar ist bei seit dem Jahr 2006 errichteten Anlagen ein Trennlastschalter auf der Gleichspannungsseite vorgeschrieben, aber dieser sitzt meist direkt am Wechselrichter oder ist sogar in das Gerät integriert. Das bedeutet, er ändert nichts an der Spannung der vorgelagerten Module und Kabel. Während Module aber in den meisten Fällen wenigstens auf dem Gebäude erkennbar sind, verlaufen die Kabel in der Regel ohne Regel irgendwo quer durch das Gebäude – vielleicht auf Putz, vielleicht in alten Kami nen oder hinter Verblendungen. Denn wie Ministerialrat Wolfgang Schulz vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport im April bei einem Brandschutz-Symposium in Frankfurt erläuterte, fehlen bislang verbindliche bauliche Vorschriften. Es gibt zwar die VDE 0100, die gewisse Randbedingungen festlegt, es gibt einen Normenentwurf DIN VDE 0126-21 und eine VDI-Richtlinie. „Aber bis heute ist beispielsweise nicht festgelegt, wie weit der Wechselrichter von den Solarmodulen entfernt sein darf oder muss. So hat im Brandfall niemand konkrete Informationen, wie lang die unter Spannung stehenden Gleichstromleitungen sind und wo sie verlaufen.“ Kritisch wird es daher besonders dann, wenn die Feuerwehr zur Rettung oder Brandbekämpfung direkt ins Haus oder auf das Dach muss.

Riskant für die Feuerwehren ist übrigens nicht nur der Brandfall, sondern unter Umständen auch Hochwasser oder starke Unwetter: Die Wechselrichter und damit auch Leitungen und Trennlastschalter befinden sich oft im Keller und damit in einem überfluteten Bereich – wegen der Gefahr eines Stromschlags wird diesen dann kein Feuerwehrmann betreten. Ist der jeweilige Raum zudem noch schlecht belüftet, kann es wegen des Zusammenspiels von Gleichstrom und Wasser sogar zu einer Knallgasexplosion kommen. Und die entsprechende Leitung in Modulnähe einfach zu kappen, ist nicht die beste Idee – nicht nur angesichts des vorgeschriebenen Mindestabstands zu diesem spannungsführenden Anlagenteil: Werden Gleichspannungsleitungen oder -stecker unter Last getrennt, kann der Abreißfunken einen Lichtbogen erzeugen, der deutlich länger stehen bleibt als bei Wechselstrom. Unter Umständen stundenlang.

Neu ist das Spannungsproblem übrigens nicht; der TÜV Rheinland wies schon 1997 im Rahmen einer Studie darauf hin. Denn die auf den ersten Blick naheliegendste Lösung ist keine: Module mit Modulwechselrichtern oder paarweise mit Wechselrichtern zu versehen, würde zwar das Spannungsproblem lösen, aber andere Schwierigkeiten machen. Zum einen sind diese kleinen Geräte pro Watt Modulleistung vergleichsweise teuer, da sie einen Teil der Leistung für die eigene Regelung benötigen, was natürlich umso mehr ins Gewicht fällt, je kleiner die Geräte sind. Gleichzeitig führen niedrige Eingangsspannungen zu einem schlechteren Wirkungsgrad. Außerdem gelten viele kleine Wechselrichter als wartungsanfällig, weil viel Elektronik verteilt wird. Und auch Versuche, die Module schlicht mit Schaum oder Planen abzudecken, führten nicht zum Erfolg: Schaum rutscht innerhalb von Sekunden von den glatten Oberflächen ab, Planen flattern schon bei sanften Brisen davon.

Unternehmen, Institute und einzelne Tüftler denken daher seit Jahren über andere Möglichkeiten nach, Photovoltaikanlagen möglichst dicht am Modul spannungsfrei schalten zu können. Eine mechanische Lösung hat der selbstständige Ingenieur Bernd Willer aus Moosburg entwickelt: ein Sicherheitselement, das sich wie eine Kupplung in jede Standard-Steckverbindung zwischen Modul und Leitung einfügen lässt. Das Element besteht im Wesentlichen aus einem Keramikzylinder, innen liegen eine gespannte Feder und ringförmige Schmelzkleber. Durch die Hitze bei einem Brand schmelzen diese Ringe und die sich entspannende Feder trennt die Steckverbindung ruckartig auf, so sollen Lichtbögen vermieden werden. Alternativ kann der Keramikzylinder von den Einsatzkräften mechanisch mit einem Hammer oder einer Axt zerstört werden, auch dann trennt die Feder die Steckverbindung mit einem schnellen Ruck.

„Wenn man alle zwei oder drei Module ein solches Element einfügt, hat man eine vergleichsweise günstige Lösung“, sagt der Ingenieur. „Außerdem ist die Trennung der Leitung deutlich sichtbar, Sie müssen sich nicht auf einen unsichtbaren Schaltprozess verlassen.“ Zwar muss ein Feuerwehrmann ziemlich nah ran, um diese Trennung auch wirklich sehen zu können. Aber bei vielen Löscheinsätzen – zum Beispiel wenn es um das Retten von Personen geht oder um Feuer und Glutnester im Dachstuhl – muss die Feuerwehr ohnehin auf das Dach, eventuell muss sie sogar die Dachhaut öffnen. Willer hat sein Sicherheitselement inzwischen zum Patent angemeldet, Gespräche mit Investoren laufen.

Auch auf der diesjährigen Intersolar war die Sicherheit für Einsatzkräfte ein großes Thema. Eaton Moeller beispielsweise hatte bereits auf der Intersolar 2009 das Modell eines feuerfesten Notausschalters für Photovoltaikanlagen gezeigt, was allerdings weitgehend unbemerkt blieb. Der 2010 in serienreifer Ausführung präsentierte sogenannte Feuerwehrschalter Sol30-Safety bekam deutlich mehr Aufmerksamkeit. Dabei handelt es sich um einen DC-Lasttrennschalter, der in unmittelbarer Nähe der Solarmodule in die Gleichstromleitung zum Wechselrichter eingefügt wird. Ein integrierter Unterspannungsauslöser soll dafür sorgen, dass die Leitung mit Hilfe eines Not-Aus-Tasters spannungsfrei geschaltet werden kann. Auch wenn die Feuerwehr – wie im Brandfall üblich – das komplette Haus vom Stromnetz trennt, soll dies automatisch den Feuerwehrschalter auslösen und somit die Gleichstromleitungen spannungsfrei machen.

Grundlage ist eine Kettenreaktion: Zu Beginn des Löscheinsatzes trennt die Feuerwehr das Haus vom Stromnetz. Daraufhin schaltet sich – das ist Vorschrift bei Unterbrechung des Stroms – der Wechselrichter ab. Und darauf reagiert wiederum der Unterspannungsauslöser des Feuerwehrschalters. Ähnliche Produkte gibt es unter anderem von Santon oder der Aixcon Elektrotechnik GmbH. Und ABB erhielt für den fernsteuerbaren Lasttrennschalter S800-RSU, der in Modulnähe in jeden Strang eingebaut werden kann, sogar den diesjährigen Intersolar-Award. Problem dieser Varianten: Da lediglich der Generator von der restlichen Anlage getrennt wird, bleibt die Gefahr auf dem Dach – je nach Verschaltung der Module zumindest teilweise – bestehen.

Eine andere Lösung präsentierte die Solteq GmbH: Das System SMS01 soll auf Knopfdruck für Wartungsarbeiten oder im Brandfall die Photovoltaikanlage automatisch herunterfahren. Dabei wird jedes einzelne Modul redundant – also sowohl durch einen Halbleiter als auch mechanisch durch einen Relaiskontakt – kurzgeschlossen. Das System lässt sich in die Modulanschlussdosen integrieren oder als externe Box nachrüsten. Problematisch könnte hier der Preis sein: Das Unternehmen schätzt, dass sein Sicherheitssystem die Anlage um etwa acht bis 15 Prozent verteuert.

Übrigens können auch viele Optimizer und Maximizer für mehr Sicherheit im Brandfall sorgen, beispielsweise Geräte von Storm Energy, Solaredge, National Semiconductor und Tigo. Wirklich neu daran ist weniger die Fähigkeit, sondern vielmehr, dass diese jetzt auch aktiv vermarktet wird. Grundidee solch chipgestützter Systeme ist, dass sich die Solarmodule bei einer Netzabschaltung oder auch bei Überschreiten einer bestimmten Temperatur sofort komplett abschalten oder zumindest ihre Spannung drastisch reduzieren. Laut Solaredge hat sich die Feuerwehr der kalifornischen Stadt San José bereits positiv über ihr System geäußert.

Heribert Schmidt vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) beobachtet die Ideen der Industrie mit Interesse, aber auch mit einer gewissen Skepsis – besonders die elektronischen Varianten. Dabei ist auch Schmidt maßgeblich an einer ISE-Entwicklung beteiligt, die elektronisch die Brandbekämpfung von Photovoltaikanlagen erleichtern könnte: die sogenannte aktive Bypass-Diode. Die Technologie wurde ursprünglich für Anschlussdosen von Modulen mit Acht-Zoll-Zellen entwickelt, die für die gängigen Schottky-Dioden zu hohe Stromstärken aufweisen, ist aber auch für andere Module geeignet und steht kurz vor der Marktreife. Ein Nebeneffekt der ISE-Entwicklung ist die Möglichkeit, dank einer kleinen zusätzlichen Modifikation das jeweilige Modul bei Bedarf kurzzuschließen.

„Solaranlagen sollen Jahrzehnte halten. Daher ist bei jeder Weiterentwicklung entscheidend, dass sie ebenfalls jahrzehntelang zuverlässig arbeiten wird – 25 Jahre sind für Elektronik aber schon eine kritische Zeitspanne“, sagt Schmidt. Seine Konsequenz: Wenn man viel Elektronik in die Anschlussdosen packt, nimmt die Zuverlässigkeit von Modulen ab. Auch die zusätzlichen Kosten könnten bei den renditebewussten deutschen Anlagenbetreibern ein Problem sein. Schmidt schlägt vor, im Falle einer gesetzlichen Regelung zu differenzieren. „Eine Anlage auf einem Kindergarten ist etwas anderes als eine Anlage auf einer Scheune.“

Horst Thiem, Brandamtsrat der Berufsfeuerwehr München und seit Jahren ausgewiesener Photovoltaik-Spezialist, begrüßt grundsätzlich den Ideenreichtum der Industrie. „Aus meiner Sicht ist jede Möglichkeit, Spannungsfreiheit zu erreichen, erst mal positiv. Welches Produkt dafür am besten geeignet ist, wird letztlich der Markt entscheiden.“ Thiem setzt sich seit 2004 mit den Gefahren auseinander, die Photovoltaikanlagen für Einsatzkräfte mit sich bringen; sein Grundanliegen ist es, die Sicherheit für die Feuerwehrleute zu erhöhen. Aus seiner Sicht gibt es mehrere Wege zu diesem Ziel: Bauliche Maßnahmen gehören dazu, eine Spannungsfreiheit per Schalter oder aber – der Königsweg – eine in das Modul integrierte Lösung. Dabei steht für Thiem eines fest. „Ohne die Möglichkeit, eine Photovoltaikanlage abzuschalten, also spannungsfrei zu machen, gibt es bei der Brandbekämpfung keine Sicherheit. Daher ist die Abschaltbarkeit die zentrale Forderung. Außerdem entspricht das auch meinem persönlichen Verständnis von Technik: Eine technische Anlage sollte einfach stillzulegen sein.“

Horst Thiem ist übrigens nicht nur in München aktiv, sondern auch in mehreren wichtigen Gremien, unter anderem in der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF) und der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechniken (DKE), die für die Erarbeitung von Standards, Normen und Sicherheitsbestimmungen zuständig ist. Gute Kontakte hat er auch in den Ausschuss Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung (AFKzV) der Innenministerkonferenz. Dieser Ausschuss bereitet gerade einen Antrag vor, der zum Ziel hat, eine Möglichkeit zur Abschaltung bei Photovoltaikanlagen rechtlich bindend vorzuschreiben. Zumindest bei Neuinstallationen, denn für Altanlagen gilt Bestandsschutz – ähnlich wie bei der Vorschrift zum Einbau von DC-Lasttrennschaltern, die am 1. Juni 2006 in Kraft trat und bestehende Anlagen nicht berührte. „Wir setzen in diesem ganzen Prozess auch auf die Versicherungsbranche, besonders die Gebäudeversicherer“, sagt Thiem. „Wenn sich die Photovoltaikanlage abschalten lässt, kann ein Feuerwehreinsatz schneller und umfassender erfolgen. Der Schaden am Gebäude dürfte dann in den meisten Fällen geringer ausfallen.“

Viele Feuerwehrleute hoffen darauf, dass sich diese Überlegung irgendwann auch mal im Prämiensystem der Versicherer widerspiegeln wird, damit sich die Anlagenbesitzer mit dem Thema Spannungsfreiheit im Notfall auseinandersetzen müssen. Noch ist davon aber nichts zu spüren, auch nicht in anderen Bereichen der Erneuerbaren. Die sich beispielsweise in vielen Medienberichten findende Information, wonach bei Windkraftanlagen auf Druck der Versicherer automatische Löschvorrichtungen inzwischen obligatorisch sind, ist dem Bundesverband Windenergie neu. Zwar muss in der Gondel eine Löscheinrichtung vorhanden sein, „aber damit ist ein Feuerlöscher gemeint“, so Sprecher Ulf Gerder.

Mit Blick auf die Photovoltaik hat laut Thomas Lübke, Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, die Frage der Abschaltbarkeit „keinerlei Auswirkungen auf das Prämienniveau.“ Er verweist auf Aussagen der Feuerwehren, wonach Häuser mit Solarstromanlagen gelöscht werden können – andererseits sind die Feuerwehrleute bei ihrem Einsatz durch Photovoltaikanlagen deutlich eingeschränkt. Ähnlich steht die Versicherungskammer Bayern (VKB) zur Prämienfrage. „Die Beiträge zur Wohngebäudeversicherung steigen nicht, wenn der Kunde auf den Einbau einer Technik zur Spannungsunterbrechung verzichtet“, sagt ihr Sprecher Thomas Bundschuh.

Aber die VKB unterstützt die Feuerwehren in einem anderen, nicht weniger wichtigen Punkt: Sie druckt auf Wunsch der Berufsfeuerwehr München ein von der DKE entwickeltes Info-Schild, das in Gebäuden mit Photovoltaikanlage beispielsweise auf dem Hausanschlusskasten angebracht wird und so die Feuerwehr auf die Anlage aufmerksam macht. Seit 2009 wurden etwa 8.000 Stück bei der Versicherungskammer Bayern bestellt und von den Feuerwehren, dem VKB-Agenturvertrieb und Solarfirmen verteilt.

Es gibt laut VKB keine Verpflichtung zur Anbringung des Schildes, es gibt auch keinen Beitragsnachlass. Aber der Nürnberger Energieversorger N-Ergie beispielsweise hat im März 2010 – der Pressestelle zufolge als erstes Versorgungsunternehmen in Deutschland – damit begonnen, im Rahmen von Turnusprüfungen oder bei Neuanschlüssen diesen Info-Aufkleber an Hausanschlusskästen anzubringen. Außerdem informiert N-Ergie seit 2009 die Feuerwehren der Region über die Anlagentechnik, Gefahren und Vorgehensweisen im Einsatz sowie einsatzvorbereitende Maßnahmen. Zusätzlich können die Feuerwehren auf eine Datenbank mit Photovoltaik-Standorten zugreifen.

Andernorts gibt es in Sachen Sicherheit Eigeninitiative: Jürgen Schmidt, beim Wiesbadener Energieversorger ESWE zuständig für die Arbeitssicherheit und selbst aktiver Feuerwehrmann, hat die mit Photovoltaikanlagen ausgestatteten ESWE-Gebäude mit deutlich sichtbaren Einsatzhinweisen versehen: Die genormten Feuerwehrzeichen machen nicht nur auf die Anlagen selbst aufmerksam, sondern informieren auch über die Standorte der Wechselrichter.

Das DKE-Schild wird derzeit überarbeitet und ist auf dem Weg zu einer europäischen Norm. „Die Sache mit dem Aufkleber klingt extrem simpel, ist aber ein wichtiger erster Schritt“, sagt Horst Thiem. Denn der Aufkleber beinhaltet eine Information, die für den Feuerwehreinsatz sehr wichtig ist. „Das Wissen, dass eine Photovoltaikanlage vorhanden ist, nimmt für den Einsatzleiter zunächst einmal sehr viel Unsicherheit und damit Druck aus der Situation.“ Eine entsprechende Ausbildung der Feuerwehrleute unter anderem auf Grundlage der diversen berufsgenossenschaftlichen Informationen sei ein weiterer wesentlicher Schritt; zurzeit werden umfassende neue Schulungsunterlagen entwickelt, die noch in diesem Jahr zur Verfügung stehen sollen.

Denn so wichtig die Abschaltbarkeit von Photovoltaikanlagen auch ist: Die Feuerwehren können es sich nicht leisten, angesichts von rund zehn Gigawatt installierter Photovoltaikleistung in Deutschland eventuell langwierige Entscheidungen des Gesetzgebers abzuwarten, die dann sehr wahrscheinlich auch nur für Neuinstallationen gelten. Thiem: „Die steigende Zahl von Installationen macht es immer wahrscheinlicher, dass die Feuerwehr bei einem Gebäudebrand mit einer Photovoltaikanlage konfrontiert wird. Umfassende Informationen über die Standorte und fundiertes Know-how über die möglichen Einsatzszenarien sind daher, zumindest im Moment, der beste Schutz: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.“

Klare Regeln

Laut Unfallverhütungsvorschrift „Feuerwehren“ (GUV-V C53) sind bei Einsätzen in elektrischen Anlagen und in deren Nähe Maßnahmen zu treffen, die verhindern, dass Feuerwehrangehörige durch elektrischen Strom gefährdet werden. Unter anderem bedeutet das, dass die Vorschrift „Brandbekämpfung im Bereich elektrischer Anlagen“ (DIN VDE 0132) beachtet wird.

Für Einsatzkräfte gelten daher beim Löschen von Gebäuden mit Photovoltaikanlage folgende Sicherheitsvorschriften für Niederspannung (Gleichspannung bis 1.500 Volt): beim Löschen mit Wasser ein Meter Mindestabstand bei Sprühstrahl und fünf Meter bei Vollstrahl; grundsätzlich muss ein Meter Mindestabstand zwischen Feuerwehrleuten und spannungsführendem Anlagenteil eingehalten werden; der Einsatz von Schaum ist – da nur bei spannungsfreien Anlagen erlaubt – nicht möglich.

Bei einem Gebäude ohne Photovoltaikanlage gelten diese Einschränkungen nicht. Denn bei einem Löscheinsatz unterbricht die Feuerwehr routinemäßig die komplette Stromversorgung, damit ist das Gebäude spannungsfrei.